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Macht Zocken krank ?

Heute werfen wir einen vertiefenden Blick auf eine hochrelevante Studie aus JAMA Network Open (Falcione & Weber, 2025), die endlich Licht ins Dunkel der Gaming Disorder bringt – und damit auch in die emotionale Not vieler Jugendlicher mit ADHS, Angst oder Depression.

Denn: Gaming ist nicht einfach „nur ein Hobby“. Es kann zur Überlebensstrategie für ein dysreguliertes Gehirn werden – und genau das macht es so gefährlich, wenn die Ursachen unerkannt bleiben.


🎮 Studie zeigt: Nicht das Zocken macht krank – sondern das, was dahinter steckt

🧠 Die zentrale Frage:

Ist Gaming-Sucht Ursache oder Folge psychischer Probleme?

Die Antwort aus der Studie ist eindeutig:

Vorbestehende psychische Belastungen erhöhen das Risiko für Gaming Disorder signifikant.
Problematisches Gaming verschlimmert diese Probleme aber nicht automatisch.

Das Forscherteam analysierte die Daten von 4289 Jugendlichen über drei Jahre hinweg. Sie zeigten, dass vor allem Depression, Angst, soziale Probleme und ADHS die Entstehung von Gaming-Sucht begünstigen – nicht umgekehrt.


📚 Was ist „Gaming Disorder“ eigentlich genau?

Die DSM-5 (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen, 5. Auflage) beschreibt Internet Gaming Disorder als ein Verhaltenssucht-Syndrom, das mit Kontrollverlust und negativen Folgen im Alltag einhergeht.

Checkliste: Diese 9 Symptome definieren problematisches Spielverhalten (DSM-5)

Wenn mindestens 5 von 9 Kriterien innerhalb von 12 Monaten erfüllt sind, spricht man von „Gaming Disorder“:

  1. 🎮 Gedankliche Vereinnahmung (ständiges Denken an vergangenes oder zukünftiges Spielen)

  2. 🚀 Entzugssymptome, wenn nicht gespielt werden darf (Reizbarkeit, Angst, Traurigkeit)

  3. ⬆️ Toleranzentwicklung (man muss immer länger spielen, um sich gut zu fühlen)

  4. Erfolgloser Versuch, das Spielen zu kontrollieren oder zu reduzieren

  5. 🧱 Verlust von Interesse an anderen Aktivitäten

  6. 🤥 Täuschen anderer Personen über das Ausmaß des Spielens

  7. 🧍‍♂️ Fluchtverhalten (Spielen dient als Mittel zur Bewältigung negativer Gefühle)

  8. 📉 Beeinträchtigung von Schule, Beziehungen oder Beruf durch das Spielen

  9. 🧨 Weitermachen trotz negativer Konsequenzen

Klingt das bekannt? Dann lies weiter – denn die Studie zeigt, warum dieses Verhalten meist kein eigenständiges Problem, sondern eine Bewältigungsstrategie ist.


🔍 Was genau zeigte die Studie?

  • Depression war der stärkste Vorläufer von Gaming Disorder

  • Auch soziale Probleme, Angst und ADHS erhöhten das Risiko

  • Gaming Disorder selbst führte nicht zu späteren psychischen Problemen

  • Selbst wenn familiäre Konflikte, Mobbing oder impulsives Verhalten mitberücksichtigt wurden, blieb Psychopathologie der Hauptrisikofaktor

Das bedeutet:
🎯 Wer emotional instabil ist, sucht Halt in der digitalen Welt.
Und genau dort greifen viele neurodivergente Jugendliche nach dem Gamepad – nicht aus Faulheit, sondern aus innerer Not.

👪 Was können Eltern tun?

1. Verstehen statt Verbieten

Ein reflexhaftes „Jetzt ist Schluss mit dem Zocken!“ verschärft oft die Situation.
Denn Gaming ist häufig nicht das Problem, sondern die Kompensation.

2. Hinterfragen: Wofür wird gespielt?

  • Zur Flucht vor Stress oder Einsamkeit?

  • Um soziale Anerkennung im Spiel zu erleben?

  • Weil die reale Welt überfordernd ist?

Diese Fragen öffnen neue Wege – hin zu mehr Verständnis und gezielter Unterstützung.

3. Frühzeitig professionelle Hilfe suchen

  • Bei Anzeichen von Depression, Angst oder ADHS lohnt sich eine fachärztliche Abklärung.

  • Psychotherapie oder Coaching mit Fokus auf Selbstregulation, Selbstwert und Beziehungsgestaltung ist entscheidend.

  • ADHS-Medikation kann helfen, wenn exzessives Gaming eine Form der Selbstmedikation ist.

4. Alternativen gemeinsam schaffen

  • Realistische Vereinbarungen statt Verbote

  • Neue Hobbys mit sozialer Resonanz (Sport, Musik, Kreatives)

  • Medienkompetenz trainieren statt dämonisieren

  • Vorbildfunktion der Eltern im Umgang mit Medien

🚨 ADHS, Reizverarbeitung und der Kick–Crash–Repeat-Zyklus

Gerade bei Jugendlichen mit ADHS kommt oft der klassische Kreislauf zum Tragen, den ich in meinem Buch „Kick–Crash–Repeat“ beschreibe:

  1. 🧠 Kick: Reizflut, schnelle Belohnung, Dopamin-Hit durch Games

  2. 💥 Crash: Überreiztheit, Müdigkeit, Schuldgefühle, Chaos

  3. 🔄 Repeat: Um das unangenehme Gefühl loszuwerden, geht’s zurück ins Spiel

Dieser Teufelskreis ist kein Mangel an Disziplin, sondern Ausdruck eines neurobiologischen Regulationsproblems.

Und genau hier setzt die Intervention an:
Nicht das Spiel muss weg, sondern der innere Alarm muss runter – und die Selbstregulation hoch.

📌 Fazit: Gaming-Sucht ist eine Regulationsstörung – kein Charakterfehler

Diese Studie macht klar:

Gaming Disorder ist selten die Ursache – sondern das Symptom eines viel tieferliegenden Problems.

Wir brauchen keine Panikmache, sondern:

  • frühe Diagnostik

  • gezielte Prävention

  • und neuroaffirmative Therapien, die verstehen, warum jemand spielt – nicht nur wie viel.

Wenn dich das Thema berührt oder du Betroffene begleitest, lade ich dich ein, mein Buch zu lesen und Teil meiner Community zu werden.

📘 Kick–Crash–Repeat – Ausstieg aus dem Dopamin-Karussell bei ADHS
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👉 Praktische Tools für Eltern, Betroffene & Fachpersonen

Link zum Onlinebuch (kein pdf oder kindle) mit der Webinaraufzeichnung Hier (Opens in a new window)

Quelle der Studie :
Falcione K, Weber R. Psychopathology and Gaming Disorder in Adolescents. JAMA Netw Open. 2025 Jul 1;8(7):e2528532. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2025.28532. PMID: 40728787; PMCID: PMC12308444.

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