#14: Netzwerke: neuronal, sozial, digital - egal?
Als Freelancer*in musst du netzwerken. Sonst gibt dir niemand Arbeit. Die meisten von uns Selbstständigen stöhnen resigniert auf oder rollen dramatisch mit den Augen, wenn sie das hören. Der Gedanke, sich nur mit anderen Menschen zu verbinden, weil sie ein potentieller Auftrag oder Auftraggeber sein könnten, scheint vielen fast körperliches Unbehagen zu bereiten. Man will ja niemanden ausnutzen. Es soll ja alles möglichst nicht nutznießerisch wirken.
Leute, die dir schon ihre Visitenkarte in die Hand drücken, bevor du Gelegenheit hattest, ihren Namen zu vergessen, wirken sofort unsympathisch. Dabei sind sie vielleicht einfach nur ehrlicher zu sich selbst. Sie haben sich schließlich offensichtlich damit arrangiert, weswegen sie auf diesem Business-Lunch/ Community-Dinner/ After-Work-Event gelandet sind. Nämlich zum Netzwerken.
Dafür, dass Netzwerke eigentlich schon immer in uns und um uns herum bestehen, dafür, dass sie in sozialer und digitaler Form schon so lange unser ganzes Leben prägen, beschweren sich besonders Freischaffende ziemlich oft über sie. Genauer gesagt, über ihr mangelndes Talent dazu, das eigene Netzwerk zu pflegen und zu erweitern. Aber sind wir Menschen nicht eigentlich wie dafür geschaffen, Verbindungen zu knüpfen? Unser buchstäbliches Bewusstsein ist ein Netzwerk von Neuronen, die in Verbindung miteinander eine Persönlichkeit und ihr Denken formen.
Die Erfolgsgeschichte unserer Spezies beruht genau darauf und auf der Tatsache, dass wir damit Zusammenhänge erkennen und zu unserem Vorteil nutzen können. Das ist, was gemeint ist, wenn gesagt wird, der Mensch sei ein soziales Tier. Hier wird nicht unser Hang zum Altruismus herausgestellt. Hier geht’s um unsere Abhängigkeit vom Prinzip der Hände, die einander waschen, weil wir als Art schlicht nicht ohne Genoss*innen auskommen. Wieso also der ganze struggle, wenn’s ums Netzwerken geht? Sollten wir da drin nicht alle Expert*innen sein?
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Mein Eindruck ist, dass wir in Zeiten von LinkedIn völlig vergessen zu haben scheinen, was “soziale Netzwerke” vor Facebook, Instagram und Co. bedeutet haben: ein Umfeld, privat wie beruflich, das zu einem großen Teil aus Menschen besteht, die wir persönlich kennen und nicht selten sogar mögen. Mit denen wir Gemeinsamkeiten haben, Erlebnisse teilen oder Pläne verfolgen.
Bei einer random Vernetzungseinladung auf LinkedIn ist das anders. Ich verstehe konzeptionell, wieso manche das machen. Fremden Leuten aus dem eigenen beruflichen Feld eine digitale Info-Benachrichtigungen zu schicken, dass es sie gibt, meine ich. Denn sowohl die Job- als auch die Auftragssuche ist ein numbers game. Je mehr Leute wissen, dass du und dein Angebot existieren, desto größer deine Chance auf Projekte. Egal, ob du deine Zielgruppe persönlich kennst oder nicht. Aber annehmen oder selbst verschicken konnte ich diese Krawatte tragenden Freundschaftsanfragen noch nie. Irgendwas in mir sträubt sich gegen eine Geste, die so performativ und sinnentleert wirkt, als würden sich zwei KI-Chatbots miteinander über ihre liebsten Reiseziele unterhalten.
Kein Wunder, dass uns beim Gedanken an Networking die Haare zu Berge stehen, wenn wir darunter ausschließlich die massenhafte, hauptsächlich digitale Begegnung mit Profilen anstatt Menschen verstehen, über die wir wenig wissen und die wir möglicherweise nicht einmal sympathisch finden. Mal ganz abgesehen davon, dass auch viele persönlich stattfindende Networking Veranstaltungen wie Selbstvermarktung im Speeddating-Stil anmuten. Dabei schaffen es die wenigsten Menschen, sich erfolgreich selbst zu pitchen und sich gleichzeitig wohl in ihrer Haut zu fühlen. Deswegen glaube ich, dass wir einfach falsch Netzwerken.
Anstatt sich beim “Was kannst du für mich tun - Wie wertvoll bin ich für dich?” Ping-Pong zu verausgaben, sollten wir lieber das Umfeld als unser Netzwerk verstehen, das wir aus allen möglichen anderen Gründen als reinen business opportunities aufgebaut haben: Freund*innen, mit denen wir Leidenschaften teilen. Familie oder andere Verbindungen, in denen wir gemeinsam wirtschaften. Menschen, die wir im Buchclub, Sportverein oder bei der Liveshow unseres Lieblingspodcasts getroffen haben und mit denen es sich so gut reden ließ. Leute, die wir mögen und umgekehrt. Bei denen es sich nicht gleich wie Arschkriechen anfühlt, wenn man über ihre oder eigene Projekte spricht.
Wenn mir eine Sache über’s Netzwerken klar geworden ist, dann ist das, dass du Andere von dir mit guter Arbeit überzeugen kannst. Oder eben nicht. Bei manchen Leuten kannst du dir ein Bein ausreißen, sie werden dich nicht unterstützen und du wirst nie genau erfahren, woran et jelejen hat. Ich möchte mich nicht mehr extra lange mit Menschen unterhalten, die Macht und Möglichkeiten haben, nur weil sie eventuell vielleicht beim 4. Mal plötzlich bemerken, was für eine geniale Geschäftspartnerin ich doch sein könnte.
Wenn ich spüre, dass jemand keine weitere Notiz von mir nimmt, dann belasse ich es auch dabei. Dann soll es nicht sein. Wenn jemand zwar mit mir über Projekte spricht, aber nur, um sich selbst zu profilieren und beklatschen zu lassen, dann muss ich mir eingestehen, dass die Person mich am nächsten Tag vergessen haben wird. Oder dass der Frage nach einem Drink am späten Sonntagabend andere Motive zugrunde liegen als der Wunsch nach produktiver Zusammenarbeit.
Ich kenne nicht wenige Frauen in meinem Umkreis, die unter dem unausgesprochenen Vorwand einer geschäftlichen Angelegenheit zu Treffen gelockt wurden, die sich dann als romantische Avancen entpuppt haben. Meistens von sehr viel älteren Männern.
Darauf fällt man ein paar Mal rein, spürt ein paar Mal die Scham, die eigentlich der Typ dabei empfinden müsste, bis man einen Schlussstrich zieht. “Scheiß drauf, nur noch Menschen, mit denen ich vibe”, habe ich mir selbst versprochen. Ich vernetze mich nur noch mit den Leuten, deren Interesse an meiner Arbeit sich aufrichtig anfühlt, die Nachfragen stellen und das gleiche Leuchten in den Augen bekommen, wenn ich von den Themen berichte, die mich bewegen.
Im September wird die Sommerpause vorbei sein und dann gibt es Lesungen aus meinem Buch “Gleichstellung” auch wieder live:
09.09. 20 Uhr: gemeinsam mit Matthias Kreienbrink im Kino Union, Berlin Friedrichshagen (Tickets gibt’s hier (Öffnet in neuem Fenster))
16.09. 18:30 Uhr: Lesung und Q&A im Sisu Lou Buchcafé in Braunschweig
21.09. Brunch: Lesung und Diskussion im Liosalon bei Lio Brix in Berlin-Kreuzberg
Diese Personen sind in meiner Erfahrung tatsächlich oft ältere, kreativ oder sozial arbeitende Frauen. Und das macht zwar kein reiches, aber ein stabiles und nachhaltiges Netzwerk aus - digital wie analog.
Bereiche der Sozialen- oder Pflegearbeit sind ja sowieso die Zukunft, wenn man einigen führenden Stimmen aus dem Umfeld der Entwicklung künstlicher Intelligenz (auch Netzwerke!) Glauben schenkt. Und das tue ich, denn der Trend des Rückgangs von digitalen Deskjobs - vom Callcenter-Mitarbeiter bis zur Anwaltsgehilfin - wird ziemlich offensichtlich, wenn man sich ein wenig mit dem Einsatz von KI im Arbeitsmarkt beschäftigt.
Das wird zum Beispiel besonders deutlich, wenn man Geoffrey Hinton in dieser Folge des Diary of a CEO Podcast zuhört (Öffnet in neuem Fenster). Hinton, der sogenannte “Godfather of AI”, empfiehlt zwar zukünftig auf den Beruf des Klempners umzuschulen, aber seine Empfehlung für Jobs, die sich so schnell noch nicht durch KI ersetzen lassen, sollte auch andere handwerkliche Tätigkeiten und alle Aufgaben umfassen, die sich in der physischen Welt abspielen. Oder die ein hohes Maß an Erfahrung und Empathie erfordern. In ein Care-Beruf-Netzwerk zu investieren, ist auf mittelfristige Sicht vielleicht also gar keine so schlechte Idee.
Denn eins ist klar, das Netzwerken an sich ist absolut wichtig - solange wir es richtig machen. Dazu darf nicht nur gehören, sich mit Menschen zu verbinden, mit denen man sich in erster Linie gut versteht und zu denen man Vertrauen aufbauen kann. Dazu zählt auch, aktiv Gelegenheiten zu finden, um die Menschen im eigenen Netzwerk zu unterstützen. Nicht, weil sie dir dann einen Gefallen schulden. Sondern, weil sie auf diese Weise erkennen, dass du es ernst meinst und wo deine Fähigkeiten liegen. Und weil du dadurch jede Menge lernst. Also, let’s connect 😉
Allen, die der Umsturz der Arbeitswelt durch KI-Tools interessiert, möchte ich dieses Sachbuch von Sara Weber empfehlen:

Was dir nie jemand sagt…
über Sex ab 50
In dieser Reihe stelle ich Menschen, die 50 Jahre oder älter sind, fünf Fragen dazu, wie sich ihr Sexleben entwickelt hat.
In dieser Ausgabe gibt es ein gemischt-geschlechtliches Doppel: Tina (50) von Taboo Talker (Öffnet in neuem Fenster) und Stephan (55) haben gemeinsam Rede und Antwort gestanden und wir fanden es besonders spannend, ihre Antworten nebeneinander zu veröffentlichen!
Wenn du auch einmal Teil der Interview-Reihe sein möchtest oder jemanden kennst, der*die interessiert ist, melde dich gerne bei mir!
Welche Stichworte beschreiben Sex ab 50 für dich am besten?
Tina: “Selbstbestimmt, erfühlter, experimentierfreudiger.”
Stephan: “Seltener, langweiliger, weniger Kick, mehr Gefühl.”
Was fühlt sich bei Sex ab 50 anders an als mit 30?
Stephan: “‘Oh’ statt ‘Wow, what the f… geil’. Das beste liegt hinter uns.”
Tina: “Mehr (und bessere) Orgasmen als früher! Mehr Gleichberechtigung. Man weiss, was man will und was man (Frau ;-)) nicht mehr will.”
Worauf willst du heute beim Sex nicht mehr verzichten?
Tina: “Keine Scham mehr zu haben, die Dinge an- und auszusprechen. Weiterhin offen zu sein und Dinge ausprobieren.”
Stephan: “Auf nix. Der Sex sollte am besten wie mit 30 sein.”
Ist dir Sex heute wichtiger oder unwichtiger als mit 30?
Stephan: “Unwichtiger, viel.”
Tina: “Gute Frage! Ich glaube, mir war Sex früher wichtiger, aber aus den falschen Gründen. Falsche Gründe sind: Alle haben viel Sex und deswegen sollte ich es auch haben. Da war der Druck in den 30ern höher zu “liefern” und “aktiv” zu sein. Letztendlich auch in einer Beziehung zu sein (und Kinder zu bekommen). Das alles fällt mit 50 auch weg.”
Was hat dir nie jemand über Sex ab 50 gesagt?
Tina: “It gets greater later.”
Stephan: “Dass die Lust und auch die Bereitschaft, Umstände und Aufwand für Sex in Kauf zu nehmen, stark nachlassen.”
Danke, danke, danke, Tina und Stephan! Eure knackigen Antworten fühlen sich unheimlich authentisch an und ich freue mich, dass ihr euch auch damit wohl gefühlt habt, von Enttäuschungen im Sexleben zu sprechen.
Folge #10 vom Cleophonie Podcast ist online! Es geht um kreative Pausen und wie sie Prokrastination und Social Burnout vorbeugen können. (Öffnet in neuem Fenster)
Mit dem Abschluss einer Steady-Mitgliedschaft kannst du diese und alle älteren Folgen (sogar auf Spotify) hören!
https://steady.page/de/5962eacd-fbf0-4e2f-9ccf-0749e4be7b85/posts/bdd89bb7-d7c8-48a6-a360-456f56c54629 (Öffnet in neuem Fenster)Ich war im Deep&Dirty Podcast - moderiert von der wahnsinnig klugen und talentierten Lisa Opel (Öffnet in neuem Fenster) - zu Gast: Wir haben uns über Feuchtigkeit, Lust und feministischen Sex unterhalten und auch viel gelacht! (Öffnet in neuem Fenster)
Mehr Sex gab’s bei meiner Kolumne im Tagesspiegel (Paywall): “Das passiert wirklich bei Play Parties. Manche Gäste brauchen vom Smalltalk bis zum Sex nicht länger als eine Viertelstunde” (Öffnet in neuem Fenster)
Wer es dieses Wochenende aber lieber etwas domestizierter angehen möchte, kann bei Welt+ (Paywall) vorbeischauen: “Männer lesen weniger - und das schadet auch beim Dating” (Öffnet in neuem Fenster)
Du möchtest mit mir über etwas, das du bei mir gelesen oder gehört hast, sprechen? Dann kannst du mich über meine Website (Öffnet in neuem Fenster) erreichen oder mir bei Instagram eine DM (Öffnet in neuem Fenster) schreiben. Ich freue mich auf deine Gedanken!
Danke für’s Lesen und liebe Grüße von
Cleo
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