Transgender unter Trump
Zwischen Angst und Widerstand

Die Transgender-Gemeinschaft ist ein erklärtes Feindbild rechter Extremist*innen in den USA. Seit seiner Amtseinführung setzt Präsident Donald Trump eine radikale Anti-Trans-Agenda im Land durch. Das sorgt für Angst und Verunsicherung, aber auch für Widerstand.
Unter Trumps radikaler Anti-Trans-Agenda erlebt die US-Trans-Community Angst, Ausgrenzung und Gewalt. Doch Aktivistinnen wie Rachel Crandall Crocker leisten Widerstand: Mit „Transgender Michigan“, einer Hotline und internationalen Netzwerken kämpft sie für Sichtbarkeit, Unterstützung und Rechte – trotz wachsender Repression und gesellschaftlicher Rückschritte.
Von Marinela Potor, Detroit
„Wir werden verdammt noch mal den Transgender-Wahnsinn aus unseren Schulen bekommen und wir werden Männer aus Frauensport heraushalten.“
„Zu meiner Amtseinführung werde ich dazu aufrufen zu untersuchen, ob Transgender-Hormonbehandlungen und -ideologie das Risiko auf extreme Depression, Aggression und sogar Gewalt erhöhen.“
„Ich werde den Kongress bitten, ein Gesetz zu verabschieden, das festlegt, dass die einzigen Geschlechter, die von der Regierung der Vereinigten Staaten anerkannt werden, männlich und weiblich sind – und sie werden bei der Geburt zugeschrieben.“
Mit solchen Anti-Trans-Aussagen (Öffnet in neuem Fenster) mobilisierte Donald Trump Anhänger*innen in seinem Wahlkampf 2024. Es dauerte nicht lange, bis er nach dem Wahlsieg diese Versprechen in die Tat umsetzte. Bereits am ersten Amtstag, also am 20. Januar 2025, unterzeichnete Trump die Executive Order „Defending women from gender ideology extremism and restoring biological truth to the federal government” (Öffnet in neuem Fenster).
Übersetzt heißt der Titel dieses Präsidentendekrets so viel wie: „Frauen vom Gender-Ideologie-Extremismus beschützen und die biologische Wahrheit in der Bundesregierung wieder herstellen“. Nach diesem Dekret können Transfrauen in den USA nur noch in Männergefängnissen untergebracht werden. Es darf lediglich „männlich“ und „weiblich“ als rein biologische Geschlechter geben und US-Pässe müssen das Geschlecht anzeigen, das eine Person bei der Geburt zugewiesen bekommen hat.
Doch bei diesen ersten Maßnahmen blieb es nicht. Seitdem hat die Trump-Regierung unter anderem Transpersonen aus dem Militär verbannt, Regierungsgelder für geschlechtsangleichende Maßnahmen gestrichen sowie Transmädchen und -frauen die Teilnahme an Frauensportarten verboten. Selbst der Buchstabe „T“ wird systematisch aus Regierungstexten zur LGBTQ+-Community gelöscht.
Transgender-Akzeptanz wuchs
So umfassend diese Anti-Trans-Gesetze auch sind, für Rachel Crandall Crocker sind solche Restriktionen nicht neu. Sie wurde zwar als Junge geboren, identifizierte sich jedoch bald als weiblich. Als sie 1966 mit acht Jahren ihren Eltern sagte, dass sie ein Mädchen sei, war deren erste Reaktion: „Sprich das nie wieder laut aus!“ Sie sagten ihr auch, dass sei das „Schmutzigste“, was es gebe. Akzeptanz gegenüber anderen Geschlechtsidentitäten gab es zu dieser Zeit in den USA nicht.
„Damals gab es das Wort Trans noch gar nicht und die Leute hatten keine Ahnung, was damit gemeint war“, erinnert sich Crandall Crocker. Selbst Homosexualität war zu dieser Zeit fast im gesamten Land illegal und Gewalt – inklusive Polizeigewalt – an der LGBTQ+-Community an der Tagesordnung (Öffnet in neuem Fenster).
So versteckte auch sie Jahrzehnte lang ihre wahre Identität, nicht nur aus Angst vor möglicher Gewalt, sondern auch, weil sie sich dafür schämte. Die Wörter ihrer Eltern hallten lange nach, sodass sie sogar als Mann heiratete. Doch mit der Zeit zog sie sich häufiger als Frau an, erst heimlich, um zu testen, wie sich das anfühlte. Irgendwann ging sie so auf die Straße. Ihr wurde klar, dass sie sich nicht mehr verstecken konnte und wollte.
Und plötzlich warf Trump alles wieder zurück
1994 – mit 34 Jahren – outete sich Rachel Crandall Crocker endgültig als Transfrau, ließ sich scheiden und begann ihr neues Leben. Doch selbst 30 Jahre später war sie als Transfrau noch vielen Anfeindungen ausgesetzt und verlor zum Beispiel deswegen ihre Arbeitsstelle. Anlaufstellen, bei denen sie Hilfe hätte finden können, gab es zu dieser Zeit nicht, sagt sie. „Daher wollte ich einen Weg finden, das Trans-Sein zu normalisieren.“
Also rief sie 1997, gemeinsam mit ihrer heutigen Ehefrau, Susan Crocker, „Transgender Michigan“ (Öffnet in neuem Fenster) ins Leben. Die Organisation veranstaltet jährliche Gesundheitsevents für die Trans-Community und klärt auf regionalen Events über das Thema Transgender auf. Als Therapeutin bietet Rachel Crandall Crocker psychologische Beratung an – auch für Jugendliche und Eltern, die mehr zur Transition, dem Übergang von einem Geschlecht ins andere, erfahren möchten.

Außerdem startete sie die „Helpline“, die erste allgemeine Transgender-Hotline in den USA. Seit den Anfängen habe sich in den USA viel getan, sagt Crandall Crocker. „Die Einstellung der Menschen hat sich verändert. Es gibt mehr Akzeptanz, was auch daran liegt, dass die meisten viel besser verstehen, was Transgender ist.“
Mit der wachsenden gesellschaftlichen Toleranz änderte sich auch die Rechslage: Transgendermenschen durften beispielsweise ihr Geschlecht in Ausweisen anpassen und die staatliche Krankenversicherung zahlte für geschlechtsangleichende Behandlungen. Das waren positive Entwicklungen. „Wir waren wirklich auf einem guten Weg – bis Trump kam. Er hat uns wieder zurückgeworfen.“
Angst ist das vorherrschende Gefühl
Die neuen Regulierungen der Trump-Regierung machen Crandall Crocker und der Transgemeinschaft große Angst. „Wir haben die Zahlen unserer Helpline seit Jahresbeginn analysiert und wir bekommen definitiv mehr Anrufe. Die Community fürchtet sich davor, dass wir alle zusammengetrieben und als Transmenschen ausgelöscht werden sollen.“ Für viele sind die Parallelen zu extremistischen Regimes, in denen Minderheiten systematisch getötet werden, allzu deutlich.
Sündenböcke für alles, was schlecht läuft
Rachel Crandall Crocker, die Jüdin ist und von ihrer Familie weiß, dass viele ihrer Vorfahren von den Nationalsozialisten in Deutschland verfolgt und ermordet wurden, erinnern die aktuellen Anti-Trans-Maßnahmen in den USA an das Vorgehen der Nazis. „Wir werden als Sündenböcke hingestellt. Weil wir eine so kleine Gruppe sind und sich viele Vorurteile gegen Transmenschen hartnäckig halten, ist es einfach, uns unsere Rechte ohne großen öffentlichen Widerstand wegzunehmen.“
Mit gezielten Maßnahmen gegen Transgender-Personen im Land sind diese Sorgen nicht ganz unbegründet. Die von Trump erlassenen Gesetze schränken Transmenschen nicht nur im Ausdruck ihrer Identität ein, sondern auch in ihrer Bewegungsfreiheit und ihrer Existenz. So beschreibt (Öffnet in neuem Fenster) beispielsweise die Journalistin Grace Byron, wie sie als Transfrau nun bei Reisen zusätzlichen Kontrollen ausgesetzt ist. Am Flughafen triggert ihr Aussehen zusätzliche Untersuchungen, in denen sie auch von Männern abgetastet werden kann.
Byron sieht darin einen allgemeinen Trend, um die physische Autonomie bestimmter Bevölkerungsgruppen einzuschränken. „Die Attacken gegen Transgender-Menschen sind sehr eng mit den aktuellen Abschiebewellen und dem Fall von Roe v. Wade verbunden, die Teil eines harten Durchgreifens gegen körperliche Autonomie sind.“ In dem Urteil des Obersten Gerichtshof von 2024 wurde das landesweite Recht auf Abtreibung wieder aufgehoben (Öffnet in neuem Fenster), das ursprünglich in dem Grundsatzurteil zwischen Roe gegen Wade von 1973, Frauen als Verfassungsrecht zugesprochen wurde.
Gezielte Angriffe haben System
Auch wird es vor allem für Transjugendliche zunehmend schwieriger, die für sie notwendige geschlechtsangleichende Hormontherapie zu bekommen. Unter einer neuen Executive Order von Trump (Öffnet in neuem Fenster) wurden Regierungshilfen dazu nicht nur gestrichen. Institutionen, die solche Hormontherapien für Jugendliche anbieten, bekommen auch keine Forschungsgelder mehr aus Washington. Damit wird es für Jugendliche immer komplizierter, überhaupt Organisationen zu finden, die diese an sie verabreichen.
Diese gezielten Angriffe auf die Transgender-Community haben System. Denn für konservative Extremist*innen stellen Transmenschen ein Feindbild dar. Im Project 2025 (Öffnet in neuem Fenster), einem radikalen Handbuch rechter Ideologen, wird zum Beispiel die Verbreitung der „Transgender-Ideologie“ mit Kindesmissbrauch und Frauenfeindlichkeit gleichgesetzt. Die Trans-Community wird auch dafür verantwortlich gemacht, „wokes“ Gedankengut wie Frauenrechte, Gender-Diversität oder auch Rassismuskritik in den USA zu verbreiten und damit die amerikanischen Werte zu zerstören.

Tatsächlich fruchten einige dieser Argumente bei vielen Bevölkerungsgruppen. So sagen aktuellen (Öffnet in neuem Fenster) Umfragen (Öffnet in neuem Fenster) zufolge 69 Prozent der Amerikaner*innen, dass das Geburtsgeschlecht den Ausschlag geben soll, ob eine Person im Frauen- oder im Männersport aktiv ist. Das sind sieben Prozent mehr als noch vor drei Jahren. 51 Prozent finden Geschlechtsumwandlungen unmoralisch.
Während sich die Anti-Trans-Stimmung im also Land verschärft, nehmen auch die Gewalttaten gegen die Community zu. 2024 wurden 32 Transgender und Gender-Expansive-Menschen (Personen, die sich außerhalb von Gender-Normen definieren) Opfer von gewaltvollen Tötungsdelikten (Öffnet in neuem Fenster). Eine Studie der Non-Profit-Organisation „The Trevor Project“ zeigt, dass in US-Staaten, in denen Anti-Trans-Gesetze verabschiedet wurden, die Anzahl der Selbstmordversuche von Jugendlichen in der Trans-Community um 72 Prozent gestiegen ist (Öffnet in neuem Fenster).
„Wir leisten Widerstand!“
Darum sei die Unterstützung ihrer Gemeinschaft gerade jetzt so wichtig, betont Rachel Crandall Crocker. Entsprechend organisiert „Transgender Michigan“ regelmäßig Treffen, nimmt an Demonstrationen teil und richtet Aufklärungsveranstaltungen aus. Auch die Transgender-Hotline ist eine direkte Anlaufstelle für alle, die Unterstützung wünschen und brauchen. Mehr noch: Organisationen im ganzen Land angefangen, gegen die Anti-Trans-Gesetze der neuen Regierung mobil zu machen.
Auf Bundesebene gehen Menschenrechtsorganisationen wie die ACLU mit zahlreichen Klagen (Öffnet in neuem Fenster) gegen die Executive Orders von Trump vor – mitunter auch erfolgreich. So hat etwa ein Bundesgericht Hormonbehandlungen für Transgender-Personen in Gefängnissen wieder erlaubt (Öffnet in neuem Fenster), nachdem Trump dies per Dekret verboten hatte.
Gleichzeitig werden andere Anti-Trans-Auflagen verfestigt. So hat der Oberste Gerichtshof den von Trump erlassenen Ausschluss von Transpersonen im Militär als rechtmäßig erklärt. Die meisten dieser Rechtsstreite sind noch nicht endgültig geklärt. Das belaste die Transgender-Community, sagt Rachel Crandall Crocker. „Diese Ungewissheit macht es mental schwierig, mit der Situation umzugehen, da du nie genau weißt, woran du bist.“
Dennoch will sich die Community nicht unterkriegen lassen. Seit dem Amtsantritt von Trump gab es zahlreiche Proteste gegen die Anti-Trans-Maßnahmen der Regierung – nicht nur von regionalen Organisationen, sondern auch landesweit. Tausende Transmenschen und Unterstützende protestierten am 31. Mai 2025 zum sogenannten „International Day of Transgender Visibility“ in Washington D.C.
„Wir leisten Widerstand“, sagt sie. „Auch wenn es aktuell komplizierter wird, hören wir nicht auf.“ Rund um den Pride-Monat im Juni organisiert „Transgender Michigan“ zum Beispiel zahlreiche Informations- und Protestveranstaltungen. Auch international bekommt die Transgender-Gemeinschaft in den USA derzeit viel Unterstützung.
Nach der Gründung des „International Day of Transgender Visibility“ vor 16 Jahren hat Rachel Crandall Crocker ein weltweites Trans-Netzwerk aufgebaut, das sie und die Transmenschen in den USA jetzt bestärkt. „Es ist wirklich ermutigend zu sehen, wie viel Beistand wir momentan aus aller Welt bekommen. Das zeigt, dass wir uns – trotz allem – nicht unterkriegen lassen.“