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#FragAnne Zu viel Bildschirmzeit? So nutzt ihr Medien bewusst

Disclaimer: Ich habe überlegt, ob ich diese Kategorie als ‘Frag eine angehende Medienpädagogin’ rahme. Aber ich denke, nach einem Monat im Masterstudium ist das vielleicht doch noch etwas früh - hihi. Und trotzdem ist das Thema Medien eines, das mich beruflich viel beschäftigt, schließlich arbeite ich im Medienbereich. Und ein Kind habe ich auch seit über einem Jahrzehnt. Und jetzt werde ich durch mein Studium auch noch mit wissenschaftlichen Theorien gefüttert - also ein bisschen Expertise ist dann doch da. Allerdings wäre diese Überschrift zu lang gewesen. Darum: #FragAnne

Nun zum Punkt: Es stimmt ja. Der Alltag vieler Eltern ist stressig, sie können jedes bisschen mehr Pause gut gebrauchen. Und, hey, Kinder lieben Medienzeit, sie können oft gar nicht genug davon bekommen. Auf der anderen Seite befürchten Eltern, dass ihre medienaffinen Kinder durch zu viel Bildschirmzeit andere Dinge vernachlässigen könnten - Hobbies, Freunde, Hausaufgaben, Raum für kreative Ideen. Also wie viel ist zu viel?

Beginnen wir mit den Expert*innenmeinungen. Auf der Plattform Schau hin! (Öffnet in neuem Fenster) wird folgende Empfehlung zur Medienzeit ausgesprochen:

  • 0 bis 3 Jahre: am besten gar keine Bildschirmzeiten. Wenn Medien doch genutzt werden, dann nur sehr dosiert und nicht jeden Tag

  • 4 und fünf Jahre: bis eine halbe Stunde Bildschirmzeit am Tag

  • sechs bis neun Jahre: bis zu einer Stunde Bildschirmzeit am Tag

Bei älteren Kindern sollen Eltern und Kinder ein wöchentliches Zeitkontingent vereinbaren, sodass Kinder lernen, sich ihre zeitlichen Ressourcen selbst einzuteilen. Hier wird empfohlen

  • zehn Minuten Medienzeit pro Lebensjahr am Tag oder

  • eine Stunde pro Lebensjahr in der Woche

Ich kann mir kaum vorstellen, dass für ein zwölfjähriges Kind zwei Stunden Medienzeit am Tag empfohlen werden, daher fasse ich die beiden Punkte als miteinander verknüpft auf. Das heißt, ein zehnjähriges Kind hätte etwa zehn Stunden Bildschirmzeit in der Woche zum Zocken, Gucken, mit Freund*innen schreiben. Das ist pro Tag 1 Stunde und 25 Minuten. Aber was, wenn wir merken, dass es dem Kind mit so viel Bildschirmzeit am Tag gar nicht gut geht? Oder wenn sich das Kind nicht dran hält? Oder wir schlicht mehr Pause brauchen?

Ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich im Rahmen kleiner ‘Unerzogen’-Experimente meinem Sohn einen freien Medienzugang ermöglicht habe - er konnte mit vier, fünf Jahren ein paar Tage lang so viel Glotzen, wie er wollte und ich habe ihn die ganze Zeit dabei begleitet. Schließlich hieß es bei ‘Unerzogen’, dass Kinder nicht süchtig werden können, solange man mit ihnen in ‘Beziehung’ bleibt.

Irgendwann habe ich versucht, ihn wegzulocken, spannende andere Angebote gemacht - aber mein Sohn war einfach extrem gefesselt von Paw Patrol und Co. Er konnte oder wollte eben nicht aufhören. War er ein glücklicheres Kind nach einem ganzen Tag fernsehen? Nein. Definitiv nicht. Eher im Gegenteil. Er war überreizt, müde, quengelig - aber erst nach dem Ausmachen. Während der Bildschirm flimmerte, war er zufrieden. Da kickte womöglich einfach genug Dopamin, und dann plötzlich nicht mehr - klar, dass man da quengelig wird.

So in etwa habe ich auch meinem Sohn immer wieder erklärt, was da in seinem Gehirn vor sich geht, damit er versteht: Er ist nicht einfach so plötzlich schlecht drauf. Übrigens: Manche Kinder neigen nach der Medienzeit dazu, zu Süßigkeiten überzugehen - ist ja auch ein guter Dopamin-Booster.

Wenn das passiert: Schlechte Laune nach dem Abschalten, Verlangen nach dem nächsten Kick, dann war es - aus meiner Erfahrung - schon zu viel Medienzeit fürs Kind. Das heißt, ich habe folgende Erfahrung gemacht:

Das ist nicht immer nur eine Frage der Zeit; bei Paw Patrol war genau das bei uns schon nach 15 Minuten der Fall - und bei anderen Sendungen, bei denen zu schnell zu viel auf einmal passiert ist. So sind wir zur Sendung mit der Maus und Anna und die wilden Tiere gekommen.

Natürlich war damit für uns der Weg nicht abgeschlossen. Spoiler: Wir arbeiten seit Jahren an einem guten Umgang mit Medien; haben etwa mit ‘Medienzeit nur am Wochenende’ experimentiert, was für mich eine tolle Erfahrung war. Weil: Zocken war unter der Woche endlich kein Streitthema mehr, ich hatte Ruhe und mein Sohn hat mehr gemalt. Trotzdem sind wir dann wieder zur täglichen Medienzeit übergegangen, denn mein Sohn hatte nach zwei Wochen von ‘meinem’ Experiment die Nase voll. Und ich dachte: Gut, realistisch ist die medienfreie Zeit unter der Woche sowieso nicht lange, bald ist er ein Teenager und hat womöglich ein eigenes Handy. Wir müssen am Ende einfach an einem guten Umgang arbeiten.

Die Arbeit lohnt sich; mein Sohn lernt nicht nur sich besser kennen, sondern ich muss auch immer wieder meine Perspektive auf Medien reflektieren.

Zugegeben, es gab Zeiten, da hat mein Sohn die Medienzeit auch immer wieder heimlich überschritten. Darüber kann man hier und da hinwegschmunzeln. Aber an anderen Tagen habe ich klar und deutlich gesagt: “Das muss jetzt bitte klappen”. Leider tat es das dann nicht immer. Was wiederholt dazu geführt hat, dass wir miteinander ins Gespräch gekommen sind:

Mittlerweile haben wir, wie ich finde, einen ganz guten Weg gefunden: Mein Sohn hat eine Stunde Bildschirmzeit am Tag. Wenn wir - wie meistens am Freitagabend - zusammen einen Film gucken wollen, dann begrenzen wir die Zockzeit auf 30 Minuten. Manchmal spielt er auch gar nicht.

How to: Ausmachen

Wichtig ist: Nicht ich greife in den PC und mache aus, sondern er macht aus. Er stellt sich auch die Zeit bzw. einen Wecker, der ihn daran erinnert, auszumachen. Und wenn er dann nicht direkt abschaltet, dann komme ich nicht an und sage: “Du schaffst es wieder nicht! So, morgen gibt’s kein Zocken”, sondern ich frage: “Welche genaue Aktion willst du gerade noch beenden?” - so geraten wir nicht in eine “Ja, gleich, ja, gleich”-Dauerschleife. Und dann wird auch wirklich ausgemacht.

Das hat aber erst geklappt, nachdem wir auch gemeinsam Konsequenzen erarbeitet und beschlossen hatten, die ihn andernfalls erwarten (drei Tage keine Bildschirmzeit). Was zeigt: Er wollte selbst nicht überziehen, aber manchmal ist das Ausmachen doch ganz schön schwer.

Klingt nach viel Arbeit, oder? Was wird aus den Pausen, die Eltern brauchen?

Das bringt uns zu einem sehr wichtigen, letzten Thema. Nämlich der Frage: Was machen Menschen eigentlich mit Medien? Witzigerweise lese ich gerade einen Text fürs Studium, in dem es um genau diese Frage geht.

Kleiner Exkurs: Am Anfang der Medienwirkungsforschung war die Frage noch umgekehrt: Was machen Medien mit Menschen? Politik und Unternehmen wollten Anfang des 20. Jahrhunderts wissen, inwieweit sie mit Medien die Meinung von Menschen beeinflussen könnten. Die Ergebnisse zeigten: Die Möglichkeiten sind hier extrem gering. Das heißt: Menschen ändern nicht einfach ihre politische Haltung, nur weil sie ständig mit der gegenteiligen Meinung beschallt werden. Wir sind nicht so plump manipulierbar. Aber mit ein bisschen Mühe und einem anderen Ansatz, konnten sich die Angebote in der Medienlandschaft bis heute so attraktiv machen, dass wir sie immer häufiger nutzen, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen.

Das heißt, Medien passen sich an die Bedürfnisse der User an bzw. versprechen Usern eine gewisse Bedürfnisbefriedigung.

  • Nutze Social Media, um neue Leute kennenzulernen/ dich politisch zu engagieren/ zu zeigen, wer du wirklich bist/ dir Inspiration zu holen/ usw … !

  • Mit Minecraft kannst du dir eine Welt nach deinen Wünschen bauen/ kreativ werden/ stark sein und Zombies erledigen/ Abenteuer erleben usw …!

  • Streame jetzt Friends/ Gilmore Girls/ whatever und tauche erneut in deine liebsten 90er-Serien ein/ triff alte Freude …!

  • Quatsche mit ChatGPT in Dauerschleife - die KI hält für dich das Gespräch am Laufen (“Möchtest du, dass …”, “Sollen wir gemeinsam überlegen, ob …”)

Die Frage, was Medien mit Menschen machen, ist weiterhin wichtig. Aber Menschen nutzen Medien eben auch aktiv. Nämlich dann, wenn Menschen glauben, dass es sich für sie lohnt bzw. ihre Bedürfnisse befriedigt - und natürlich auch ihren Interessen entsprechen. Dazu gehört auch, der Langweile zu entkommen. Oder sich weniger einsam zu fühlen.

Will mein Kind seine Langeweile bewältigen? Sucht mein Kind einen Weg aus der Einsamkeit? Will mein Kind ein Abenteuer erleben? Prokrastiniert es wegen schwieriger Hausaufgaben? Kann es nur so Kontakt zu seinen Freund*innen halten? Sucht es Teilhabe, weil gerade alle dies zocken oder das gucken? Können und wollen wir das Bedürfnis anders befriedigen? Welche Möglichkeiten gäbe es?

Ähnliche Gedanken können auch wir Erwachsenen uns machen. Pssst, Geheimnis: Als mein Kind 1,5 Jahre alt war und ich gerade alleinerziehend geworden, da habe ich ihn immer morgens vor eine kleine Sendung gesetzt, damit ich in Ruhe duschen gehen konnte und keine Angst haben musste, dass sich mein Kind irgendwo verletzt. Zack, Bedürfnis nach Sicherheit befriedigt.

Warum nicht auf der Couch entspannen, während das Kind seine Stunde am Bildschirm nutzt? Passt doch! Aber: Wenn wir glauben, nur dann Pausen zu bekommen, wenn die Kinder auf den Bildschirm starren, dann könnte das zum Problem werden. Denn, wenn wir mal viel Pause brauchen, neigen wir dazu, die Medienzeit (die unseren Kindern so doch eigentlich gut getan hat) auszuweiten. An der Stelle ist es sinnvoll, dass wir unsere Pausen mit den Kindern nochmal anders verhandeln und lernen, liebevoll Grenzen zu ziehen und unseren Kindern sagen: “Mama braucht jetzt ‘ne Pause. Schau mal, so lange, bis der Kaffee/Tee ausgetrunken ist.” Und: Wir könnten uns auch fragen, warum wir so viele Pausen brauchen und ob sich nicht etwas am Gesamtsystem ändern ließe, sodass wir weniger gefordert sind bzw. mehr Unterstützung erhalten.

Funny Idee zum Abschluss: Ich habe kürzlich auf Instagram eine tolle Inspiration von einer Mutter mitgenommen, die ich wir uns zwar noch nicht angewendet habe, aber zur Not irgendwann aus der Tasche ziehen werde. Sie schrieb sowas wie:

Ein Tipp zum Schluss: Falls du mehr über das Thema Medien und Sucht erfahren möchtest, dann lege ich dir sehr das Buch “Mein fremdes Kind” von Ulrike Wolpers ans Herz. Darin findest du sehr viele Informationen, Einschätzungshilfen, Erklärungen, Gegenstrategien und Anlaufstellen.

Das war’s schon wieder von meiner Seite. Wenn dir der Artikel gefallen, dann sag’s gerne weiter! Und schreib mir bei Anmerkungen/ Tipps/ Terminen/Fragen gerne eine Mail assistenz@annedittmann.de (Öffnet in neuem Fenster) oder auf Insta.

Deine Anne

  • 27.11.2025 - Ich halte einen Vortrag auf der Fachtagung “Boys will be Boys?!” und gebe einen Überblick über den Stand der aktuellen Männlichkeitsforschung im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg.

    Hier findest du mehr Infos! (Öffnet in neuem Fenster)

  • 27.01.2026 - Lesung “Jungs von heute, Männer von morgen” in Cuxhaven über die Koordinierungsstelle Frau und Wirtschaft
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  • 11.02.2026 - Online-Lesung “Jungs von heute, Männer von morgen” über die Katholische Familienbildungsstätte Osnabrück.
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  • 20.02.2026 - Lesung “Jungs von heute, Männer von morgen” in Oyten.
    Mehr Infos folgen.

  • 21.02.2026 - Lesung “Jungs von heute, Männer von morgen” in Kirchlinden.
    Mehr Infos folgen.

  • 04.03.2026 - Lesung “Jungs von heute, Männer von morgen” in der Stadtbibliothek Wolfenbüttel.
    18 Uhr - Mehr Infos folgen.

  • 25.03.2026 - Lesung “Jungs von heute, Männer von Morgen” auf dem Klostergelände St.Marienthal in Ostritz
    Mehr Infos folgen über die Stiftung IBZ St. Marienthal

  • 27.10.2026 - Podiumsgespräch zu Männlichkeit und Erziehung in der Stadtbücherei Frankfurt
    19:30 Uhr - Mehr Infos folgen.

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