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Stell Dir vor, es ist Katastrophe... und Alle reden vom “(Soli-)Prepping”

(Logo der “SoliPrepping”-Konferenz von CADUS am 14.6.25 in Berlin)

26/06/2025


Liebe Leute,

es ist grundsätzlich wichtig, Erfolge zu feiern, wenn man mal gewinnt, und je dunkler die Zeiten, desto wichtiger wird es. Also heute endlich mal ne Erfolgsmeldung: liebe Genoss*innen der entstehenden Kollapsbewegung (Öffnet in neuem Fenster), wir haben es in den vergangenen Monaten geschafft, den Begriff (aber noch nicht die Praxis) des “Prepping” endlich aus der Umklammerung jenes wahnsinnig unproduktiven Framings zu reißen, dementsprechend rechte crazy person sein muss, wer darüber nachdenkt, sich auf Katastrophen und Systemzusammenbrüche praktisch vorzubereiten. Wir haben es geschafft, den Begriff des “solidarischen Preppings” aktiv in die linke und die Klimabewegungsdebatte einzubringen, und zwar mithilfe eines Zeitgeists, der zunehmend wahrnimmt – wenngleich er dies bisher noch sehr zögerlich und oft wieder in die Verdrängung zurückschnalzend artikulieren kann – dass allerlei Katastrophen auf uns zukommen, manche schon eingetreten sind (die Videos aus den USA sind genuin verstörend: wenn maskierte Dudes mit Waffen in der Hand ohne sich auszuweisen US Staatsbürger*innen auf der Straße kidnappen können, dann ist die Faschismuskatastrophe bereits eingetroffen), aber wir halt verdammt nochmal fast überhaupt nichts getan haben, um uns darauf vorzubereiten.

2023: Vorbereiten? Neee Digger, lass mal...

Wenn Ihr meinen Blog regelmäßig lest, könnt Ihr Euch bestimmt an meinen Freund Pär Plüschke (Öffnet in neuem Fenster) erinnern, von dem ich im Herbst 2023 in Stockholm die Strategie des solidarischen Preppens lernte – die Schwed*innen nannten das Preppa Tillsammans (Öffnet in neuem Fenster), ich in Ermangelung einer besseren Idee noch “solidarische Kollapspolitik”, aber es geht in allen Fällen um die selbe Sache: um gemeinsame, solidarische Katastrophenvorbereitung, die weniger auf das Anhäufen riesiger Vorräte setzt (nichts gegen Vorräte anlegen (Öffnet in neuem Fenster), by the way), als auf den Aufbau sozialer Beziehungen bis zur sozialen Bewegung, um dann, wenn die Katastrophe kommt, gemeinsam solidarisch handlungsfähig zu sein, um Räume des guten Lebens auch im Kollaps erschaffen zu können. Räume, von denen im besten Fall ein neues linkes Projekt ausgehen könnte: Gerechtigkeit in der Katastrophe.

Diese Gedanken, inspiriert nicht nur von Pär, sondern auch von der jahrelangen Arbeit des Kollapscafés im Umfeld der Klimabewegung, schrieb ich im Oktober '23 auf, und stieß damit noch auf viel Irritation: “Ja, klar, Nachbarschaftsarbeit ist gut, aber musst Du es denn 'Prepping' nennen?” zählte da noch zu den netteren Reaktionen, aber es gab auch “strukturell rechter Katastrophendiskurs!”, “du machst den Menschen Angst und treibst sie den Faschisten in die Arme!” oder “wer anfängt, Vorräte für die Katastrophe anzulegen, ist unsolidarisches Schwein!” Ach ja, und ganz oben drauf auf all das kamen dann noch die Reaktionen, die mir nahelegten, dass ich die Katastrophe selbst wahrscheinlicher machen würde, indem ich über die Katastrophe rede. Ihr seht, damals war die Verdrängung noch so stark, dass die Resonanz auf die Erzählung vom solidarischen Preppen noch sehr begrenzt war.

2025: Vorbereite sich, wer kann!

Fast forward ins Frühjahr und den Frühsommer 2025: ganz Gallien... wait. Nein, die gesamte reiche Welt ächzt unter allerlei Krisen und Katastrophen, die unsere Externalisierungsdemokratien bisher bequem anderen überstülpen konnten. Ökologischer Kollaps, “gesellschaftliche Polarisierung”, der Faschismus an der Macht, Kriege überall (und immer näher), immer mehr gesellschaftliche Verrohung und Idiotie, gleichzeitig diese sich langsam aufdrängende Angst vor Extremwetterevents – ob Hitzewelle, Dürre, Hochwasser oder Starkregen – all das fühlen wir immer mehr, immer akuter, immer aufdringlicher, aber der politische Diskurs in unseren Gesellschaften, vor allem in der verbleibenden “Mitte” samt ihrem left-of-centre Blinddarm, nimmt das immer noch nicht auf, erzählt uns immer noch vom dauernden “Wachstum”, von einer Zukunft, in der wir wieder in die Vergangenheit zurückkehren dürfen, weil die Zukunft, die es wirklich in Zukunft geben wird, natürlich viel zu dunkel ist.

Ich habe schon häufiger von diesem reality gap gesprochen, von der Distanz zwischen dem, was wir durch unser körperliches in-der-Welt-Sein nicht umhinkommen, zu spüren, und dem, was durch politische Diskurse symbolisier- und erzählbar ist; je größer diese Distanz, desto mehr politischen Raum gibt es für neue Projekte, weil diese dann die bisher unsymbolisierten und unartikulierten Gefühle zur Produktivkraft, zum Antrieb eines neuen Projekts machen können (vgl. die Art und Weise, wie Rechte Zukunftsangst zum Antrieb ihres Projekts gemacht haben, Angst, die völlig rational ist (Öffnet in neuem Fenster), die aber von den Rechten in irrationale Richtungen gelenkt wird, wie zB auf den Fetisch “Ausländer*innen”). Und mittlerweile scheint auch “die Mitte” immer mehr diese Zukunftsängste zu spüren, Ängste, wie gesagt, die der politische Diskurs ihrer eigenen Parteien überhaupt nicht aufnehmen und produktiv wenden kann.

Besonders beeindruckend dargestellt war dieser Shift der Mitte hin zu “huch, vielleicht ist Prepping doch keine ganz dumme Idee nur für Faschos” in einem SZ-Artikel über Katastrophenvorbereitung in Schweden und Finnland (Öffnet in neuem Fenster), der nicht ganz zufällig sehr ausführlich Pär Plüschke zitiert. Hier der Teasertext: “Preppen? Das ist doch was für Fanatiker und Einzelkämpfer. In Schweden und Finnland sieht man das ganz anders: Stark in Krisen ist man gemeinsam. Gespräche mit Menschen, die Vorsorge als solidarisches Prinzip verstehen.”

Vorsorge als solidarisches Prinzip, nicht als faschistischer Wahnsinn: das ist genau die Erzählung, die unsere entstehende Kollapsbewegung seit Ende '23 an den Start bringen will, das ist genau die Basis des Kollapscamps (Öffnet in neuem Fenster), das wir gerade organisieren (und für das die Tickets mittlerweile fast schon ausverkauft sind – sehr viel mehr als 50 gibt's nicht mehr). Aber es wird halt nicht nur linksmittig übers Preppen, über rationale Katastrophenvorbereitung geredet, mittlerweile gibt's Prepping wohl in mehreren Geschmacksrichtungen: solidarisch oder individuell, faschistisch oder militaristisch, auf Krieg oder auf Klimakollaps ausgerichtet, und ALLE reden drüber.

Die FT redet darüber, wie Städte sich auf Waldbrände und Hochwasser vorbereiten sollten (Öffnet in neuem Fenster); die Diskussion um die Auseinandersetzungen in LA, wo die LatinX community sich gegen die Staatsterroristen von ICE zur Wehr setzt, handelt im Kern auch vom solidarischen Prepping, nämlich von organisierter community self-defence gegen faschistischen Staatsterror, wie ich sie auch gerne in queeren Communities sehen würde; hier (Öffnet in neuem Fenster) wird nach dem riesigen Stromausfall auf der iberischen Halbinsel darüber gesprochen, wie schlecht es mit der Katastrophenhilfe in Deutschland aussieht; hier (Öffnet in neuem Fenster) geht's ganz im allgemeinen um die Vorzüge des “Hamsterns” in schwierigen Zeiten; in den Wirtschaftswissenschaften (Öffnet in neuem Fenster) reden zumindest die Klügeren mittlerweile immer offener über “emergency economics”, wie eine Wirtschaft im Fall dauerhafter Katastrophen überhaupt funktionieren würde; der britische Ökointellektuelle George Monbiot gibt Tipps (Öffnet in neuem Fenster), wie man den Kollaps überleben kann; der Guardian ruft auf: “build national readiness – or let everyday life keep breaking down (Öffnet in neuem Fenster)”; im nd steht der erste Synthesetext zum Thema “solidarisches Prepping (Öffnet in neuem Fenster)”, ein sehr empfehlenswerter Artikel von Johannes Siegmund; und die Genoss*innen von CADUS, einer aktivistischen Katastrophenhilfeorganisation, die sich u.a. dadurch auszeichnet, dass sie sowohl im Auswärtigen Amt wie unter uns Linksradikalen gutes Standing hat, organisieren einen ganztägigen Kongres zum Thema “SoliPrepping (Öffnet in neuem Fenster)”.

Und während alle, wirklich ALLE von uns, die über das Thema reden, immer noch diesen blöden Schlenker zu Beginn machen müssen, dieses “nein, wir sind keine Rechten, wir wollen über solidarische...”, wird das immer weniger relevant. Sebastian Weiermann fragte uns kürzlich im nd (Öffnet in neuem Fenster): “Und was unterscheidet euch von Hans-Peter mit dem Bunker im Vorgarten und der Knarre im Nachttischschrank?” Meine Antwort: “Jetzt mal im Ernst: Die Idee rationaler Vorbereitung auf Krisen und Katastrophen immer in die rechte Prepper-Ecke zu stellen, ist doch auch langsam ein bisschen Retro. Es kommen in Polykrise und Kollaps halt Katastrophen auf uns zu, und wer sich nicht darauf vorbereitet, steht dann dumm da.”

In summary würde ich daher die These aufstellen, dass wir – die entstehende Kollapsbewegung mit allerlei zugeschalteten Allies (hervorheben würde ich hier gerne Arne Semsrott und sein hervorragendes Buch “Machtübernahme (Öffnet in neuem Fenster)”) – es in den vergangenen sechs Monaten geschafft haben, einigen Raum in dieser reality gap zu besetzen: dass es mittlerweile einen gesellschaftlich zwar noch etwas marginalen, aber nicht mehr irrelevanten Diskurs über solidarische Katastrophenvorbereitung gibt, und dass es den ohne unsere Aktivitäten so nicht gäbe, das ganze Feld also immer noch mehr den Faschos gehören würde, als nun, wo es auch uns als Akteur darin gibt. Well done us: wir haben gezeigt, dass die Katastrophe tatsächlich ein strategischer Raum ist, in den hinein zu intervenieren für linke Politik mittlerweile eine absolute Notwendigkeit ist.

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Fallstricke und Möglichkeitsräume

Ok, Erfolg gefeiert, wie geht's jetzt weiter?

Eine Gefahr, die anhand strategischer Diskussionen innerhalb von Kollaps-Räumen ersichtlich wird, ist die Entstehung eines Kollapsdiskurses, der selbst ein Modus des Aufgebens, der bürgerlichen Rückzug ins Private ist. Denn dann ist die Kollapsakzeptanz auch nur ein Schritt in Richtung Verdrängung von Verantwortung, und die Kollapsbewegung, die wir lostreten wollen, will ja genau das Gegenteil, nämlich praktische Verantwortung übernehmen.

Das noch größere Problem, die größere Gefahr sehe ich aber darin, dass “Klimaanpassung” (der formale Oberbegriff für alle Formen der Vorbereitung auf die kommende Klimakatastrophe) das selbe Schicksal erleidet, wie ehedem der Klimaschutz: dass wir jetzt ne Zeitlang über das Problem reden, dann auf der politischen Ebene und in gesellschaftlichen Diskussionsräumen megaambitionierte Ziele formulieren, dann aber merken,dass Klimaanpassung (wie auch Klimaschutz, wie auch Antifaschismus) mehr braucht, als nur wohlfeile Commitments, es braucht fundamentale gesellschaftliche Veränderung. Nehmt allein mal die globalen Produktionsketten, die uns die neoliberale Globalisierung bescherte. Warum haben wir die? Weil es megabillig und, solang es keine Katastrophen gibt, auch megaeffizient ist, so zu produzieren. Wenn wir aber zB Medikamentenproduktion katastrophenresilienter machen wollen, oder auch die Produktion der allwichtigen und -mächtigen Mikroprozessoren, dann würde das auch bedeuten, dass Dinge plötzlich teurer würden: sind wir ale Gesellschaft bereit, für eine weniger abgefuckte Zukunft signifikante Teuerungsschritte hinzunehmen? Bisher beweisen wir immer wieder das Gegenteil. Außerdem werden wir feststellen, dass sich auf eine Katastrophe vorbereiten irgendwie auch beinhaltet, anzuerkennen, dass man daran gescheitert ist, die Katastrophe abzuwenden. Und ihr wisst, wie das mit dem anerkennen von Scheitern so ist...

Das bedeutet, dass es wahrscheinlich ist, dass jetzt ein paar Jahre über Katastrophenvorbereitung gesprochen werden wird, wie auch ein paar Jahre (ca. 2016 – 2020) offen und durchaus interessiert über Klimaschutz gesprochen wurde, und dass danach die selbe Dynamik von Scheitern, Scham, Abwehr, Verdrängung um das Thema herum entsteht, wie wir sie beim Klimaschutz beobachten konnten: basically, in ein paar Jahren wird irgendjemand anderes, möglicherweise sogar wir Kollapsbewegten, daran Schuld sein, dass die Gesellschaft sich nicht auf den Kollaps vorbereitet hat. Kassandra hat gesprochen.

Ich schreibe das nicht auf, um Euch zu deprimieren. Ich schreibe das auf, um darauf hinzuweisen, dass wir gerade jetzt ein sich öffnendes politisches Möglichkeitsfenster haben. Dass das Thema “Katastrophenvorbereitung” NOCH nicht die selben emotionalen Dynamiken (Scheitern, Schuld, Scham...) hervorruft, wie “Klimaschutz”, und wir gerade deswegen jetzt so viel diskursiven und praktischen Raum einnehmen sollten, wie nur irgend möglich. Der CADUS Kongress war ein Schritt in diese Richtung, das Kollapscamp wird der nächste sein. Und überall auf der lokalen Ebene, wo Menschen sich zusammentun, um die Realität anzuerkennen, und darin solidarisch handlungsfähig zu sein, überall dort wird auch die Kollapsbewegung sein. Weil solidarisches Preppen halt cool ist. Auch dank uns.

Also nochmal: well done us.

Mit verhältnismäßig bewegungsoptimistischen Grüßen

Euer Tadzio

Kategorie Klimakampf 2.0

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