Mehr ist mehr

“Leg Dich in die Hängematte, nicht ins Zeug, flüstert gern die Faulheit”
ist der Spruch meines Abreißkalenders von heute. Sofort kommt mir der Satz “Mehr ist mehr” in den Sinn und ich stelle fest: mehr ist mehr hat für mich irgendwie eigentlich nichts mit Entspannung zu tun. Zur Hängematte passt das nicht. Meine Assoziation von diesem Satz ist erschreckender Weise gar nicht so positiv.
Bei diesem Satz denke ich automatisch an:
- mehr Leistung
- mehr Konsum
- mehr Sport/ Diät
- mehr Druck. Sowas wie Wettkampf oder Challenge.
- mehr HABEN. Mehr Schönheit, Mode, Erfolg, Freunde. Dekadenz. Übermaß.
Mehr ist mehr macht mir irgendwie Stress. Als hätte ich zu wenig. Noch nie habe ich dabei an Hängematten gedacht.
Also. Einatmen. Ausatmen, besinnen. Mehr Ruhe ist mehr Zeit. Mehr Luft ist mehr Freiraum. Mehr ist mehr muss nicht hundert oder gar tausend Prozent heissen. Ein Prozent ist mehr als null Prozent. Wirklich. Beruhigt mich das? Noch nicht wirklich.
Ich denke an Tempo, und Angst zu Versagen oder irgendwie zu verlieren.
Aber was steckt da noch drin? Wieso denke ich nicht an Achtsamkeit? Dabei ist es so viel wert, wann man die kleinen Dinge wahrnehmen kann. Manchmal werden Dinge schöner, wenn man sie genau betrachtet. Auch Gefühle, die ganz achtsam wahrgenommen werden können, bergen so viel mehr, als nur eine Facette. So, wie wenn Augen sich an wenig Licht gewöhnen, kommt mit Achtsamkeit, Zeit und genauem Betrachten so viel mehr zum Vorschein, als auf den ersten Blick erwartet.
Wieso denke ich nicht an Dankbarkeit? An Selbstfürsorge?
Ist es nicht schön, also mehr, selbst zu wissen, was gut tut und dies auch umsetzen zu können? Also sich zum Beispiel in eine Hängematte zu legen?
Nein, das ist nicht das, was ich denke, wenn jemand “mehr ist mehr” sagt. Mehr ist mehr ist, wie in meinem Kalenderspruch gesagt, nicht mit Faulheit oder Genuss vereinbar. Das war mir bisher nicht klar.
Rückzug, Ruhe, Pause. Könnte das bedeuten. Mehr Raum, mehr Zeit, mehr Innen als Aussen. Mehr Zufriedenheit, mehr Leichtigkeit. Fallen lassen, vertrauen, entspannen. Mehr geniessen, mehr wahrnehmen, fühlen, mehr Tiefe.
Ich sitze auf dem Sofa. Lola liegt davor auf dem Teppich. Draußen regnet es, als sei November.
Berlin im Winter ist fürchterlich. Jetzt ist der Sommer in Berlin gerade noch etwas fürchterlicher. Mir macht das Wetter und der fehlende Sommer stimmungsmässig etwas zu schaffen.
Es ist so unfassbar viel passiert in den letzten Wochen, ganz viel wunderbares, ich komme meinem Leben kaum selbst hinterher. Deshalb. Beine hoch. Die Pause durch Starkregen nutzen, um mich zu erholen. Und hier „hallo“ sagen. Manches ist, wie es ist. Und weniger ist auch manchmal mehr
Dabei höre ich meine neue Sommerplaylist. Die erste Playlist, die ich nicht mit irgendwem oder irgendetwas verbinde, eine, die völlig frei und unbehaftet ist. Ich höre sie seit mehreren Wochen rauf und runter, immermal kommt ein neuer Song dazu. Eine schöne, warme, fröhliche, kraftvolle Playlist. Ein neuer Soundtrack für den neuen Stand der Dinge.
Lied elf begleitet mich schon ewig durch mein Leben. Phasenweise. Vorsicht, laut. Nicht erschrecken.
Nach dem Regen sind die letzten Kirschen bestimmt endlich durch und runter. Das war wirklich viel. Ich freue mich, dass ich keine Angst haben muss, den Baum stark zu beschneiden. Wenn nur die Hälfte der Kirschen von diesem Jahr nächstes Jahr dran sind, ist das eigentlich immernoch zu viel.
Ich habe praktisch alle (geernteten) Kirschen eingekocht. Einige sind entkernt im Gartenhaus eingefroren und hier auch in der Wohnung sind welche im Freezer. Ich hab die Gläser nicht gezählt, aber wir werden den ganzen Herbst und Winter schöne Kirschen haben. Alle in unterschiedlichen Farben, je nach Reifegrad.
Ich habe die Kirschen ohne Zucker und ohne Flüssigkeit eingekocht. Wirklich richtig viele. Jetzt freu ich mich: erste Kirschsaison geschafft und so viel verarbeitet.
Schnaps habe ich dieses Mal nicht gemacht. Das hab ich im Haus gemacht, fünf Liter stehen immernoch hier im Keller. Anfangs haben wir schöne Flaschen abgefüllt, verschenkt, Kirschen übers Eis gegessen, Likör im Sekt oder in Sprudel getrunken. Ich hab es (nach fast drei Jahren) immernoch nicht geschafft, die letzten fünf Liter abzufüllen.
Pause. Wenn man im Hochsommer schon die Zeit für Rückzug bekommt, auf die man sich sonst im beginnenden Herbst schon freut, nachdem das Leben Wochenlang draußen stattgefunden hat.
Sich zu besinnen und mal nachzufühlen, wo man gerade steht, kurzfristig mal mehr im Innen als im Außen zu sein, das erdet auch.
Mehr ist mehr.
Mehr Hängematte ist mehr Zufriedenheit, nicht Faulheit, glaub ich.
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Mehr Pasta (Öffnet in neuem Fenster)
jetzt noch ein bisschen mehr Sonne und ich denke vielleicht doch, mehr ist mehr ist was Gutes!
Liebst, Eure Ginka