Zum Hauptinhalt springen

Wohngruppen

Einleitung: Wohngruppen sind inzwischen ein etabliertes Versorgungs- und Wohnformat in der Altenhilfe: Sie verbinden die Anforderungen von Pflege, Alltagsbetreuung und sozialer Teilhabe mit wohnlichen Strukturen. Eine Wohngruppe ist mehr als ein Wohnbereich in einer Einrichtung — sie ist ein Beziehungs- und Lebensraum mit festen Routinen, gemeinsamer Alltagsgestaltung und hoher Bedeutung für Identität und Autonomie der Bewohnenden. Ziel ist ein Alltag, der Nähe und Sicherheit bietet, aber auch selbstbestimmte Beteiligung und Alltagskompetenz fördert.

Zielsetzung einer Wohngruppe

Wohngruppen zielen darauf ab, pflegerische Versorgung, gemeinschaftliche Lebensführung und individuelle Förderung zu verbinden. Wichtige Zielbereiche sind:

Alltagsorientierung und Geborgenheit: Schaffung eines verlässlichen Rahmens, der Orientierung und Sicherheit bietet.

Förderung der Selbstbestimmung: Bewohnende erhalten Mitspracherechte bei Alltagsthemen (Essen, Aktivitäten, Raumgestaltung).

Soziale Teilhabe: Aufbau stabiler Beziehungen unter Bewohnenden sowie zwischen Bewohnenden und Mitarbeitenden.

Aktivierung und Erhalt von Fähigkeiten: Kognitive, soziale und motorische Kompetenzen werden im Alltag gezielt gefördert.

Entlastung von Angehörigen: Strukturierte Betreuung gibt Angehörigen Regelmäßigkeit und Entlastung.

Biografiearbeit: Die Wohngruppe bietet Raum, biografische Ressourcen zu aktivieren und Identität zu stützen.

Sicherheit und Pflegequalität: Medizinisch-pflegerische Versorgung wird in einem wohnlichen Setting organisiert.

Klare Zielvereinbarungen auf Einrichtungs- und Wohngruppenebene erleichtern Planung, Evaluation und Ressourcensteuerung.

Vor- und Nachteile von Wohngruppen

Vorteile

Wohnliche Atmosphäre: Maßgeblich höheres Wohlfühlpotenzial gegenüber klassischen Stationsstrukturen.

Verlässliche Gemeinschaft: Regelmäßige Beziehungen reduzieren Einsamkeit und fördern Teilhabe.

Individuelle Teilhabe an Alltagsaufgaben: Mitbestimmung bei Menüplanung, Einkäufen oder Haushaltsaufgaben stärkt Selbstwirksamkeit.

Gute Möglichkeiten für Aktivierung: Aktivitäten können wohnungsnah, niedrigschwellig und häufiger stattfinden.

Flexibilität bei Betreuungskonzepten: Unterschiedliche Modelle (24h-Betreuung, geteilte Dienste, Tagesstruktur) realisierbar.

Verbesserte Identifikation: Bewohnende fühlen sich stärker zu Hause — wirkt positiv auf Lebensqualität.

Nachteile / Risiken

Personalbedarf und Kosten: Kleinteilige Strukturen sind personalintensiv; ökonomische Rahmenbedingungen können begrenzen.

Heterogenität der Bedürfnisse: Unterschiedliche Pflege- und Aktivitätsbedarfe innerhalb einer Gruppe erfordern differenzierte Angebote.

Konflikte im engen Raum: Zwischenmenschliche Spannungen treten häufiger auf; Konfliktmanagement ist zentral.

Räumliche Anforderungen: Wohnungskonzept, Hygienebereiche und Barrierefreiheit benötigen Investitionen.

Abhängigkeiten: Enge Bindungen an einzelne Mitarbeitende können bei Personalknappheit problematisch werden.

Regulatorische Vorgaben: Brandschutz, Medikationsmanagement und Pflegestandards müssen gewährleistet bleiben.

Umfangreiche Anleitung: Planung, Umsetzung und Alltag

Konzeptentwicklung und Leitbild

Profil der Wohngruppe: Zielgruppe (Pflegegrad, Demenzstand, Mobilität), Größe (4–12 Bewohnende), Öffnungszeiten, Betreuungsmodell.

Leitbild: Wohnlichkeit, Teilhabe und Sicherheit als Kernaussagen. Leitlinien zu Selbstbestimmung, Alltagsintegration und Teilhabe schriftlich festhalten.

Partizipation: Bewohnende, Angehörige und Mitarbeitende in Konzeptentwicklung einbeziehen.

Räumliche Gestaltung

Wohnlichkeit: Kleine Küchen- und Wohnzimmerbereiche, persönliche Zimmer, gemütliche Essplätze.

Barrierefreiheit: Türbreiten, Haltegriffe, bodengleiche Duschen, rutschfeste Böden.

Sichtbare Orientierung: Fotos, Kalender, Tagespläne in großer Schrift.

Sicherheitszonen: Notrufsysteme, Brandschutzelemente, sichere Lager für Medikamente.

Flex-Spaces: Rückzugsraum für Ruhe/Einzelbetreuung, Mehrzweckraum für Aktivitäten.

Personalausstattung und Rollen

Teamzusammensetzung: Leitende Wohngruppenkraft, Pflegefachkräfte, Betreuungskräfte, Hauswirtschaft, Ehrenamtliche.

Aufgabenverteilung: Klare Definition: Pflegeaufgaben, Alltagsbegleitung, Aktivierungsplanung, Haushaltsorganisation.

Qualifikation & Fortbildung: Demenzkompetenz, Gesprächsführungs- und Konflikttrainings, Hygiene, Dokumentation.

Personalschlüssel: Abhängig von Pflegebedarf; Standards und gesetzliche Regelungen prüfen. Flexibilitätspläne für Ausfallzeiten erstellen.

Aufnahmeprozess und Orientierung

Aufnahmegespräch: Bedürfnisse, Rituale, Biografie, Ernährungspräferenzen, Mobilität und Risiken erfassen.

Eingewöhnung: Probephase, Paten-System (Bewohnender oder Mitarbeitender als Ansprechperson), kleine Startaufgaben (z. B. Lieblingsbecher bereitstellen).

Einrichtungsportfolio: Zimmerfoto mit Namen, kurze Bio-Info für Mitarbeitende und Angehörige (mit Einwilligung).

Alltagsstruktur und Rituale

Tagesplan: Verlässlich, sichtbar, mit festen Ritualen (Begrüßung, gemeinsames Frühstück, Wochenrückblick).

Rollen der Bewohnenden: Einbindung in Tischdienst, Einkaufsplanung, Pflanzenpflege; Aufgaben so verteilen, dass Erfolgserlebnisse möglich sind.

Angebotsmix: Mischung aus Alltagsaufgaben, Aktivierungsangeboten, Ruhepausen und Einzelbetreuung.

Flexibilität: Tagesform beachten; Angebote kurzfristig anpassen.

Aktivierungsarbeit und Beschäftigung

Niedrigschwellige Angebote: Singen, Sitztanz, Kochen, Gartenarbeit.

Biografiearbeit: Erinnerungsboxen, Fotoalben, Gesprächsrunden.

Gruppen- und Einzelangebote: Kombinieren, um Differenzierung zu ermöglichen.

Ehrenamt & Gäste: Kooperation mit Ehrenamtlichen, lokalen Vereinen, Schulen.

Konfliktmanagement und Gruppendynamik

Prävention: Gesprächsregeln, respektvolle Kommunikation, klare Aufgabenverteilung.

Intervention: Einzelgespräche, Mediation durch Leitung, Anpassung der Sitzordnung.

Dokumentation: Vorfälle festhalten, Maßnahmen protokollieren, Angehörige informieren, wo erforderlich.

Pflegerische Integration & Sicherheit

Pflegeplanung: Individuelle Pflegepläne mit Zielen und Maßnahmen, regelmäßige Evaluation.

Medikationsmanagement: Sichere Aufbewahrung, Übergaberegeln, Doppelkontrollen.

Hygiene: Hygienekonzept für Küche, Bad, Wäsche; Schulung aller Beteiligten.

Notfallmanagement: Definierte Abläufe, Ansprechpartner, Material, regelmäßige Notfallübungen.

Dokumentation, Kommunikation und Beteiligung

Tagesdokumentation: Anwesenheit, Aktivitäten, Auffälligkeiten, Gesundheitsdaten.

Übergaben: Strukturierte Übergaben zwischen Schichten; Kurzprotokollierung wichtiger Entwicklungen.

Eltern-/Angehörigenarbeit: Regelmäßige Information, Einbindung in Aktivitäten, Angehörigenabende.

Bewohnenden- und Bewohnervertretung: Regelmäßige Wohngruppensitzungen, Wunschbaum, Feedbacksystem.

Qualitätsentwicklung und Evaluation

Indikatoren: Zufriedenheit, Teilnahmequote, Sturzrate, medikamentöse Veränderungen, Ernährungszustand.

Methoden: Befragungen, Beobachtungsbögen, Teamreflexionen, Angehörigenfeedback.

Fortlaufende Anpassung: Ergebnisse in Qualitätszirkel einbringen, Modellprojekte testen.

Rechtliche und ethische Aspekte

Einwilligung & Dokumentation: Bei Behandlungsmaßnahmen, Fotografie, Datenspeicherung und besonderen Aktivitäten Einwilligungen einholen.

Schutz der Autonomie: Bewohnende in Entscheidungen einbeziehen, Zwang vermeiden.

Datenschutz: Sensible Daten sicher speichern, Zugangsbeschränkungen regeln.

Transparenz: Leistungen, Kosten und Abstimmungsprozesse für Angehörige klar kommunizieren.

Ethik: Würde und Privatsphäre respektieren; kulturelle und religiöse Bedürfnisse beachten.

Praxis-Aktivierungen für die Wohngruppe

(Je Aktivierung: Materialliste, Umsetzung, Praxisbeispiel)

Gemeinsames Frühstück gestalten
Materialliste: Kaffee/Tee, Brötchen, Aufstriche, Obst, Teller, Besteck, Tischdeko.

Umsetzung:
1) Einkauf und Tischvorbereitung mit Bewohnenden planen.
2) Gemeinsames Decken und Verteilen.
3) Frühstück in ruhiger Runde; kurze Besprechung des Tages.

Praxisbeispiel: Ritual stärkt Gemeinschaft und gibt Tagesstruktur.

Wöchentliche Menüplanung

Materialliste: Wochenplan-Vorlage, Stifte, Rezeptheft.

Umsetzung:
1) Vorschläge sammeln.
2) Abstimmung per Punktesystem.
3) Einkaufsliste erstellen; Rollen verteilen.

Praxisbeispiel: Bewohnende äußern Vorlieben; Zufriedenheit mit Speiseplan steigt.

Küchenaktion: Marmelade einkochen

Materialliste: Früchte, Zucker, Töpfe, Gläser, Etiketten.

Umsetzung:
1) Früchte vorbereiten.
2) Gemeinsames Kochen unter Anleitung.
3) Abfüllen, etikettieren.

Praxisbeispiel: Eigenherstellte Marmelade als Mitbringsel für Angehörige.

Bereich für alte Mitgliedschaften vor Anmeldung 2024

keine Neuanmeldungen (Öffnet in neuem Fenster)

Kategorie Liste/ Sammlungen

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von Lexikon der sozialen Betreuung und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden