Grünes Fliegen made in Cottbus
HINTERGRUND / FORSCHUNG IN DER NIEDERLAUSITZ
Flugzeuge sind in der Lausitz noch kein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Das will das DLR-Institut für elektrifizierte Luftfahrtantriebe ändern.
von Christine Keilholz
August 2023

Lars Enghardts Schaltzentrale in Cottbus ist ein Bürokasten hinter der BTU, der mal eine Schule war. Hier kommt vieles an Wissenschaft erstmal unter, das in Cottbus heimisch werden soll, aber noch nicht Fuß gefasst hat. In Enghardts Fall ist es die Luftfahrt. Der Physik-Professor baut im Auftrag des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR) das Institut für elektrifizierte Luftfahrtantriebe (Öffnet in neuem Fenster) auf. Das im Jahr 2020 gegründete Institut will - wie viele andere Forschungsstätten zurzeit - das Fliegen emissionsärmer machen.
„Es geht um ganz neue Antriebe“, sagt Enghardt. „Elektrisch 8.000 Kilometer fliegen, das wird wohl nicht die Zukunft sein. Da wird es eher auf E-Fuels hinauslaufen.“ Brandenburg verspricht sich viel von dieser Forschung. Enghardt war seit 2009 Professor für Turbomaschinen- und Thermoakustik an der Technischen Universität Berlin und leitete parallel der Abteilung Triebwerksakustik am DLR-Institut für Antriebstechnik. Bis April 2023 gab er Vorlesungen in Berlin.
Luftfahrt ist in der Lausitz noch kein Topthema. Kaum ein Unternehmen in und um Cottbus arbeitet an Flugzeugen. Entsprechend gibt keine regionale Wirtschaftslobby, die sich für ein stärkeres Engagement in Flugzeugforschung stark macht. Enghardts Aufbauarbeit läuft mehr oder weniger geräuschlos abseits der großen Forschungs-Lagerfeuer der Lausitz, wie es Energie, Wasserstoff oder Gesundheit sind. „Wir können bisher eher wenig mit regionalen Unternehmen rund um Cottbus zusammenarbeiten, hoffen da für die Zukunft auf neue Impulse“, sagt Enghardt. Grünes Fliegen ist noch nicht als Goldgrube anerkannt, das will er ändern.
Luftfahrt von Dahlewitz bis Strausberg
Es ist eher die Landesregierung in Potsdam, die die Lausitz als Luftfahrt-Standort sehen möchte. Dieser Plan ist Teil des Strukturwandels. Bisher liegen die Zentren der Branche in Süddeutschland. Etwa in München, wo Airbus (Öffnet in neuem Fenster) 2.500 Mitarbeiter beschäftigt und die TU München, die Universität der Bundeswehr und das DLR zusammen ein Forschungsnetzwerk namens Munich Aerospace (Öffnet in neuem Fenster) bilden. Oder im Raum Stuttgart, wo das DLR mehrere Institute unterhält. Auch Karlsruhe und Aachen sind für ihre forierende Luftfahrt-Forschung bekannt. Das will Brandenburg auch.
Mit den Strukturwandel-Milliarden will das Land - wenn es schon nicht selbst eine Branche aufbauen kann - das wissenschaftliche Rückgrat in Cottbus einziehen. Den bilden die Wissenschaftler vom DLR nicht allein. Ein Zentrum für hybrid-elektrische und elektrische Systeme (Öffnet in neuem Fenster) (Chesco), ein Leuchtturm im künftigen Lausitz Science Park (Öffnet in neuem Fenster) soll das Thema von wissenschaftlicher Seite spielen.
Im luftleeren Raum findet diese Forschung nicht statt. Brandenburg hat immerhin einen kleinen Luftfahrt-Sektor. Von Rolls Royce in Dahlewitz im Landkreis Teltow-Fläming bis Strausberg im Landkreis Märkisch-Oderland gibt einige Firmen, die für Enghardts Institut als Kooperationspartner infrage kommen - oder es schon sind. Wie den Flugzeug-Hersteller Apus (Öffnet in neuem Fenster), der in Strausberg wasserstoffgetriebene Flugzeuge montieren will und mit der TFH Wildau zusammenarbeitet. Daraus ein Cluster zu bilden, das überregional wahrgenommen wird, ist das Ziel.
Bedingungen in Cottbus einmalig
Pro Jahr kostet das Institut für elektrifizierte Luftfahrtantriebe 17 Millionen Euro aus Strukturmitteln. 150 Mitarbeiter soll es mal haben - 60 haben bereits angefangen. Hier entsteht keine Technologie, die von der Raumfahrt kommt und in anderen Industrien Anwendung finden kann. Anders ist das beim Partneristitut für CO2-arme Industrieprozesse (Öffnet in neuem Fenster), das seit 2019 in Cottbus ansässig ist und Betrieben hilft, Gas und Öl zu sparen. Enghardt kann nur mit dem Teil der Wirtschaft kooperieren, der tatsächlich Flugzeuge abheben lässt.
Und doch gehört das nachhaltige Fliegen in das Forschungsfeld Energie, um das sich in der Lausitz alles dreht. Die Steigerung der Leistungsdichte elektrischer Systeme, die elektromagnetische Verträglichkeit oder die Höhenverträglichkeit von Antriebskomponenten sind Fragen, mit denen sich Enghardt befasst. Das sind Trendthemen in Europa und weltweit. Praktisch die gesamte Luftfahrt-Szene forscht daran. „Damit sind wir in Deutschland ganz vorn dabei.“ Alle Unis haben dieses Thema aufgenommen - aber kaum ein Forschungsstandort hat so gute Voraussetzungen wie Cottbus, ist Enghardt überzeugt. „Die Bedingungen durch den Strukturwandel sind einmalig. Es gibt eine große politische Unterstützung für das, was wir hier machen“, sagt der Professor. „Die Stadt will, das Land will, die Universität will auch. Das ist keine Selbstverständlichkeit.“
Umzug bis 2029
An der BTU Cottbus-Senftenberg ist Enghardt seit Mai Professor an der Fakultät für Maschinenbau, Elektro- und Energiesysteme. Eine solche gemeinsame Berufung - wie hier zwischen der Uni und dem DLR - ist gängige Methode, Hochschulen und außeruniversitäre Einrichtungen enger aneinander zu binden. Seine Professur ist in das Institut für Verkehrstechnik der Universität eingebunden.
Als nächstes muss gebaut werden. Enghardt hat eine Halle auf dem Science-Park-Gelände übernommen, die muss für die Luftfahrt-Forschung umgerüstet werden. Bis 2029 soll das Institut in ein neues Gebäude ziehen, das an den Science Park grenzt. Zusammen mit vier weiteren Instituten. Insgesamt 600 Menschen werden dort arbeiten.