Bei den anderen…
…sieht das aber immer größer aus! Aktuelle Gedanken über das sich nicht nicht vergleichen können und wie ich es diesmal anders mache. Oder: Vom Versuch bei mir zu bleiben.
Seit einigen Tagen beschäftigt mich dieser Satz immer wieder. Vor dem Einschlafen, beim Aufwachen, während ich etwas schreibe oder einfach nur existiere: „Bei den anderen sieht das größer aus.“ Das Leben, die Erfolge, jeder einzelne Schritt nach vorn erscheint mir bei anderen wie eine riesengroße Sache, die jetzt alles verändert. Würde ich beim Blick auf meine eigenen Schritte nur auch mal so große Augen machen… Gerade in der Schriftsteller:innen-Blase, wo es doch eigentlich um unsere Einzigartigkeit geht, neige ich wie viele andere Künstler:innen zu ohrenbetäubenden Vergleichen. Die sind laut, quietschen furchtbar und ich weiß ganz genau, dass sie nirgendwo hinführen und nichts Gutes verheißen. Zeit, das alles mal wieder ganz genau aufzudröseln und den Blick auf die richtigen Dinge zu lenken. Zeit für einen Perspektivwechsel.
Ich glaube, ich habe es in letzter Zeit das ein oder andere Mal erwähnt: Das Schreibmutbuch ist in Arbeit. Passend zum Newsletter. Es geht um die Beziehung, die wir mit unserem Schreiben eingehen und ich möchte dich damit ein Stückchen begleiten, dir die Hand halten, wenn du es brauchst und dir auch mal einen liebevollen Tritt in den Hintern geben. Weil ich glaube, dass sowas am besten funktioniert, wenn man mit jemandem darüber spricht, der den Weg, den man vor sich hat, zumindest schon ein gutes Stück gegangen ist, teile ich darin auch meine eigene Reise zum Schreiben. Und das macht mich ganz schön emotional. Zwischendurch muss ich immer wieder mal Pause machen und ich bin regelmäßig kurz davor, ganze Kapitel wieder zu löschen, weil ich mir denke: „Wer bin ich denn, dass ich denke, dir etwas über dein Schreiben erzählen zu können?“ Kann ich auch nicht. Aber ich kann dir sagen, was für mich funktioniert, womit ich hadere und wie ich damit umgehe. Ich würde es nicht wagen, dir erzählen zu wollen, wie du schreiben sollst. Ist das der Unique Selling Point des entstehenden Buches? Wir werden sehen. Jedenfalls wird es sehr persönlich (welcher meiner Texte ist das nicht?) und ich beschäftige mich dadurch intensiver als sonst mit meinem eigenen Tun und den Gedanken, die ich so habe. Und genau da habe ich mich ertappt: Ich denke oft gar nicht so sehr über meinen Kram nach, sondern viel mehr darüber, was die anderen alles schaffen. Ein veröffentlichter Kurzgeschichtenband, Texte, die in Literaturzeitschriften veröffentlicht werden und Podcasts, die es aus dem WhatsApp-Chat geschafft haben. Lesungen und verkaufte Bücher, ein neuer Job. All das erscheint mir bei den anderen so unfassbar groß, was dazu führt, dass ich mich kleiner fühle als ich bin. Und ich weiß aus verlässlicher Quelle, dass es nicht nur mir so geht. Fühlst du dich auch ein bisschen ertappt?

Dann lass uns mal zusammen eine Liste machen. Ja, wir beide machen das genau jetzt. Nimm dir Stift und Papier, mach dir noch einen Kaffee und wir legen los: Wir schreiben jetzt alles auf, was wir innerhalb der letzten 12 Monate geschafft haben. Schreib jeden noch so kleinen Schritt auf. Von außen betrachtet sieht der nämlich viel größer aus, glaub mir ;)
Auch wenn du mir mittlerweile schon sehr vertraut bist, teile ich meine Liste an dieser Stelle nicht mit dir. Wir machen das ganz allein für uns. Aber ich kann dir sagen: Alles, was ich in meinen Zeilen aufgezählt habe, alle Erfolge der anderen, die mir so groß erscheinen – das habe ich selbst alles bereits erreicht. Ich feiere gerade in den letzten Monaten so viele Fortschritte und nehme sie überhaupt nicht richtig wahr. Weil die Ziele mit mir wachsen. Und das ist ganz wunderbar, macht mir aber auch Angst. Darum schaue ich oft lieber, was die anderen so machen. Im Klartext: Ich schaue zurück. Denn die Schritte, die mir da so riesenhaft erscheinen, liegen bereits hinter mir. Und sie bei anderen zu sehen, macht mir endlich einmal klar, dass das ziemlich krass ist, was ich da schon gelaufen bin. Und vor allem: Mir wird bewusst, wo ich eigentlich stehe. Diese Erkenntnis zaubert mir ein ungläubiges Lächeln ins Gesicht. Sich ab und an mal umzusehen, ist also gar nicht so verkehrt, würde ich aus dieser Perspektive behaupten. Wir dürfen dabei nur nicht vergessen, auch auf uns selbst zu gucken.
Manchmal tut es obendrein gut, mal jemand anderes auf die eigene Sache blicken zu lassen. In der letzten Woche erzählte ich dir von der Einführungsveranstaltung zur Existenzgründung für Menschen mit Behinderung, die inhaltlich ja so mittelmäßig ergiebig war, aber wunderbare Kontakte brachte. Nun hatte ich einen Termin mit meiner persönlichen Beraterin, der ein klein wenig mehr hervorbrachte und ein Muster bestätigte. Nämlich, dass ich erneut weiter bin, als ich angenommen hatte. In Sachen kreativer Selbstständigkeit bekomme ich Input zum Thema Businessplan – der Rest ist schlichtweg erledigt. Sie stellte Fragen, ich antwortete, sie machte Haken, schaute mich an und sagte: „Ja gut, dann haben wir alles. Sie sind startklar.“ Darum ist mein Fazit zum Vergleich mit den anderen, dass wir das vielleicht gar nicht unbedingt ganz lassen müssen. Das schaffen wir sowieso nicht, oder? Aber wenn wir dazu dann auch mal den Fokus auf uns selbst legen und uns mit den anderen austauschen, könnte das eine Kombi sein, die funktioniert. Was denkst du? Schaffst du es, beim nächsten Blick auf die anderen auch die eigenen Erfolge zu sehen? Ich wünsche es dir von Herzen.
Bis nächste Woche!
Alles Liebe
deine Sarah
