Deine Haltung ist deine Marke
Es ist Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Heute: Wie du der Content-Commodity-Falle entkommst.

Sehen wir uns am kommenden Freitag beim Growth Day in Düsseldorf?
Bis zu 100 Medienmacher:innen kommen für einen Tag zusammen und tauschen sich über Erfolgsrezepte und Erfahrungen aus. Es erwarten dich Menschen, die ähnliche Herausforderungen kennen wie du und von denen du lernen kannst.
Hallo!
In der vergangenen Blaupause-Ausgabe habe ich die These aufgestellt, dass Content zunehmend zur Commodity wird, also zum im Überfluss vorhandenen Rohstoff mit homogener Qualität, bei dem der günstigste Preis gewinnt. Content allein wird kaum noch vermarktbar sein in einer Welt, in der künstliche Intelligenz den Preis für die Herstellung von mehr oder weniger unterhaltsamen und lehrreichen Text, Bild, Ton gegen null treiben.
Diese Zuspitzung „Content als Commodity“ hat Interesse hervorgerufen und natürlich auch Widerspruch ausgelöst. Egal, ob du meine Perspektive teilst, könnte es sich gerade für unabhängige Medienmacher:innen lohnen, mit so einem zunächst pessimistischen Blick auf die Medien der Zukunft zu werfen. Denn für uns, die wir keine großen Apparate und Budgets im Rücken haben, entstehen in der Krise neue Möglichkeiten.
Was noch mehr hilft als Community
Was kannst du tun, wenn deine Inhalte in Zukunft kaum noch etwas wert sind, weil ähnliche Inhalte die Kanäle verstopfen, die vielleicht nicht genauso gut, aber auch nicht wirklich schlecht in großen Mengen und sehr schnell von Computern hergestellt werden können?
Als Blaupause-Leserin gehst du möglicherweise davon aus, dass meine Lösung für dieses Problem wie so oft lautet: Community. Wenn Content nicht mehr das ist, was sich verkaufen lässt, dann ist es doch immerhin die Community, denn die lässt sich nicht an künstliche Intelligenzen auslagern … Stand heute 🫠.
Immer dann, wenn echte Menschen miteinander in Austausch treten, entsteht Wert, der nicht durch künstliche Content-Produzenten geschaffen werden kann. Stellen wir uns also davor ein, dass es in der Zukunft weit mehr IRL-Events, Austausch-Veranstaltungen, digitale Vernetzung und andere Möglichkeiten für die menschliche Interaktion zwischen Usern geben wird, die sich um eine journalistische Marke herum finden.
Heute möchte ich aber nicht auf diese – naheliegende – Lösung eingehen, auch wenn ich sie für richtig halte.
Hafermilch als Haltung
Konsum ist nicht rein rational. Wenn sich die Produkte nicht radikal unterscheiden, wird der Absender wichtiger. Von wem erhalte ich meine Informationen und wie glaubwürdig ist dieser Mensch? Mit welcher Haltung blickt auf die Welt?
Hafermilch ist eine Commodity. Die Rezeptur ist simpel, die Herstellung günstig, der Unterschied im Geschmack gering. Wasser plus Getreide erst in einen Mixer und dann in einen Karton. Im Regal steht dann eine stärkehaltige Flüssigkeit, deren Konsistenz und Farbe entfernt an Milch erinnern. Eine Hafermilch kann jedenfalls nicht so viel besser sein als andere Hafermilche, dass sich daraus wirklich ein höherer Preis sich rechtfertigen ließe.

Oatly hat es trotzdem geschafft, viel höhere Preise durchzusetzen. Die Marke inszeniert sich als rebellisch, nachhaltig und laut – mit viel Geld und dreisten Kampagnen. Oatly verkauft kein Produkt, sondern ein Lebensgefühl, das vor allem ein urbanes, junges Publikum anspricht. Die Verpackung, die Kommunikation und das Marketing sind auf Marke und Meinung ausgerichtet – nicht auf Funktion oder Preis.
Hosen als Haltung
Ein ähnliches Prinzip verfolgt Patagonia. Auch hier ist das Produkt – Outdoor-Klamotten – austauschbar. Patagonia verkauft aber keine Hosen, sondern Haltung: Umwelt- und Sozialverantwortung stehen im Zentrum der Kommunikation. Die Marke spricht gezielt Menschen an, die mehr kaufen als nur Funktion. Die emotionale Bindung schafft – wie bei Oatly – Loyalität.

Beende Ausbeutung, iss Schokolade
Auch Tony’s Chocolonely zeigt, wie sich selbst in einem überfüllten Markt wie Schokolade durch Positionierung erreichen lässt. Geschmacklich bietet die Marke nichts radikal Neues, dazu sind die Tafeln nervig geformt und unpraktisch zu teilen. Aber Tony’s verkauft ein Versprechen: Ausbeutung im Kakaoanbau beenden. Die soziale Mission steht im Zentrum der Marke, kommuniziert direkt auf der Verpackung und in allen Kanälen. So wird ein Standardprodukt zu einem Statement, das Konsument:innen bewusst kaufen – trotz höherem Preis. Wie bei Oatly und Patagonia entsteht der Markenwert nicht aus dem Produkt, sondern aus der Haltung.

Diese Strategie basiert auf dem Konzept, ein austauschbares Produkt emotional aufzuladen, indem es mit Werten, Haltung oder gesellschaftlichem Engagement verknüpft wird. Der Wettbewerb verschiebt sich vom Produkt zur Marke, vom Funktionalen zum Symbolischen. Marken wie Oatly, Patagonia oder Tony’s operieren genau nach dieser Logik – sie laden ihre Marke auf und können dadurch höhere Preise nehmen.
Jenseits des Bullshit
Dem Journalisten in mir sträubt sich dabei natürlich das Fell, denn wir reden bei diesem Marketing-Konzept bei großen Konsum-Marken im Wesentlichen von Bullshit. Etwa 10 Prozent von Oatley gehören Blackrock, (Öffnet in neuem Fenster) der weltweit größte Haufen Geld, der auch in Firmen investiert, die den Regenwald abholzen lassen. Patagonia ließ wie andere Hersteller in Fabriken in Sri Lanka produzieren (Öffnet in neuem Fenster), in denen die Arbeiter:innen extrem lange Schichte haben. Tony’s konnte zeitweise in seiner Lieferkette Kinderarbeit nicht ausschießen (Öffnet in neuem Fenster). Für so etwas gibt es inzwischen den Begriff green washing oder woke washing – also wenn Marken Werte nur aus Marketinggründen übernehmen, ohne Substanz.
Aber nur weil solche großen Konsumartikel es in einer modernen, arbeitsteiligen Welt mit komplexen Lieferketten schwer haben, ihre überzogenen Versprechen einzuhalten, heißt es nicht, dass du nicht Haltung zeigen kannst. Im Gegenteil, viele Medienmacher:innen sind idealistisch unterwegs und hätten jeden Grund, ihre Werte stärker zu thematisieren. In den meisten Fällen würde es schon reichen, dass sie überhaupt ihr Gesicht zeigen und als Menschen mit Gesichtern und einer klaren Haltung in Erscheinung treten.
Wie du Haltung zeigst
Das ist nicht schwer. Hier sind ein paar Vorschläge, wie du das ab jetzt machen könntest.
Spitze deine Mission zu. Formuliere eine prägnante Kernidee, die deine Publikation ausmacht. Formuliere deine Mission in einem Satz, den du immer wieder und wieder wiederholst. Alles, was du veröffentlichst, muss auf diese Kernidee einzahlen und mit ihr kompatibel sein.
Stelle dich (oder dein Team) als Menschen in den Vordergrund, statt euer Logo, denn damit weist Ihr nach, dass es sich hier bei euch nicht um eine künstliche Intelligenz handelt, sondern eine echte. Entwickle eine unverwechselbare Stimme im Ton, im Layout, in der Bildsprache, sodass du schwer zu verwechseln bist.
Mach Transparenz zu deinem Markenzeichen. Veröffentliche Zahlungen, Entscheidungswege und baue Vertrauen auf, indem du so viel offenlegst, wie es geht.
Baue Erlebnisse auf, veranstalte live Redaktionskonferenzen, lade zu einem Event ein und leg dir eine Community-Plattform zu. Dadurch kann dein Publikum die Themen mitgestalten und Bindungen aufbauen. Es gibt emotionale Momente, virale Effekte und Austausch unter den Mitgliedern. Nimm dir einen festen Wochentag vor, der für Austausch reserviert ist.
In die Medien, die auf diese Weise ihre Marke schärfen, indem sie ihre Glaubwürdigkeit mit Persönlichkeit, Fakten, Transparenz aufladen und das Ganze als Erlebnis anbieten, haben eine Chance, aus der Content-Commodity-Falle zu entkommen.
Bis nächsten Montag!
👋 Sebastian
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