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HITZIGE GEMÜTER UND KÜHLE FAKTEN

SACHBUCH-KRITIK

Dass Klimaschutz Menschenschutz ist, mag manchen (mittlerweile) wie eine Binse vorkommen, anderen wie dümmliches Geschwafel. Nun: Derzeit rollt für einige Tage eine solide Hitzewelle nicht nur über Deutschland mit bis zu 40 Grad Celsius, gepaart mit bzw. gefolgt von harten Wärmegewittern. Beides dürfte zu manch gesundheitlicher Beeinträchtigung, Verletzung (auch durch körperliche Übergriffe, Sonnen-Hitze steigert nachweislich Aggressionen, übrigens bei Mensch wie manch Insekt) wie auch Tod beitragen. Die Zahl der Hitzetoten steigt Jahr für Jahr. Für den Sommer 2023 wurden laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD rund 3 100 und für den Sommer 2024 rund 2 800 hitzebedingte Sterbefälle für Deutschland vom Robert-Koch-Institut (RKI) geschätzt. Und schon der Corona-Sommer 2022 galt mit bis zu 35 Grad Celsius im Juli und August als ungewöhnlich heiß…

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Diese Temperaturen erreichen wir nun bereits Ende Juni/Anfang Juli. Dazu ist noch die hohe UV-Strahlung, auch bei Schatten, zu bedenken, die uns nicht gerade guttut. Selbst wenn es sich danach zunächst wieder ein wenig abkühlt – mit weiteren akuten Hitzetagen wie Hitzschlägen darf zu rechnen sein. Ebenso ein weiterer stetiger Anstieg der Maximaltemperaturen über das Jahr 2025 hinaus. Hitzewarnungen des Deutschen Wetterdienstes sowie der so genannte „Hitzeschutzplan für Gesundheit“ vom Juli 2023 des Bundesgesundheitsministeriums sollen als Schutzmaßnahmen „dazu beitragen, hitzeassoziierte Todesfälle zu vermeiden oder zu reduzieren sowie Krankheitsverläufe abzumildern“, wie es in der erwähnten Antwort heißt.

Information, Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung seien die Schwerpunkte der Jahre 2023 und 2024 gewesen. „Ziel sei, die Bevölkerung auf kommende intensivere, häufigere und längere Hitzeperioden besser vorzubereiten und insbesondere vulnerable Gruppen vor den gesundheitlichen Risiken zu schützen“, wie heute im bundestag es zusammenfasst (Öffnet in neuem Fenster). So können wir gut und gern und in aller Kürze auch das Anliegen zusammenfassen, das Christina Berndt mit ihrem Buch Klimaresilienz – Was wir tun können, damit uns die Klimakrise nicht krank macht verfolgt.

Das Buch KLIMARESILIENZ an Pollen auf einem Bürgersteig
Die KLIMARESILIENZ an Pollen // Foto: © the little queer review

Daneben gibt sie den geneigten Leser*innen in den neun Kapiteln des im April bei C. Bertelsmann erschienenen Buches noch reichlich Werkzeuge an die Hand, um mit der Klimakrise umgehen zu können. Die verständlich formulierten, immer von einer Zusammenfassung abgerundeten Kapitel sind thematisch geordnet, beziehen sich selbstverständlich an mancher Stelle aufeinander. Dennoch muss das „Plädoyer für Klimaresilienz“ nicht in strenger Reihenfolge gelesen werden.

Wer es etwa, wie der Autor dieser Zeilen, gerade akut mit einer Pollenallergie zu tun hat, die sich mittlerweile unschön auf die Bronchien auswirkt und dazu erstaunlich mit der sonnigen Hitze zu kämpfen hat, mag die Kapitel drei „Allergien nonstop“ wie eins „Ein heißes Thema“ zunächst jenen zu Tourismus und Flugscham oder dem wachsenden Risiko mehr neuer Pandemien und deren Ursachen vorziehen. Dass sie alle lesenswert sind, ist davon unabhängig.

Klimaresilienz-Autorin Christina Berndt
Autorin Christina Berndt // Foto: © Gerald von Foris

Stichwort Pandemien: Was die mehrfach ausgezeichnete, renommierte Wissenschaftsjournalistin und Leitende Redakteurin im Wissenschaftsressort der Süddeutschen Zeitung nie tut, ist den Teufel an die Wand zu malen. Das würde ihrem oben erwähnten Anliegen klar zuwiderlaufen. Dafür erläutert sie anhand zahlreicher, greifbar aufgeschlüsselter Studien, diverser Interviews wie eigener Erkenntnisse, Ursache und Wirkung, das Ineinandergreifen verschiedener Faktoren.

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Etwa dem Artensterben, das wiederum zur Ausbreitung respektive Umverteilung anderer, gebietsfremder (invasiver) Arten führt, was wiederum plötzlich Dengue-Alarm am Gardasee auslöst, den Eichenprozessionsspinner und dessen zickige Raupen zahlreicher auftreten lässt (Öffnet in neuem Fenster) und gar tropischen Mücken das Überwintern in Europa „erlaubt“. Und so letztlich zu hier kaum für möglich gehaltenen Krankheiten (zurück zu Dengue und Malaria) und Nebenwirkungen (ein Stich und weg vom Fenster) führt. Wer dafür verantwortlich ist? Na wir, der Mensch. Unser massives Eingreifen in die Natur begünstigt all dies. Ebenso wir als Verbraucher*innen.

Eine solide Menge der Raupen des Eichenprozessionsspinners, kürzlich in Berlin // © Foto: HMS / the little queer review
Eine solide Menge der Raupen des Eichenprozessionsspinners, kürzlich in Berlin // © Foto: HMS / the little queer review

Wenn das Ahrtal regelmäßig weggeschwemmt wird, Waldbrände in Südeuropa sich ausweiten und wir im Sommer Stürme erleben, die uns beinahe die Fenster ins Zimmer schleudern, sind wir halt schon auch ein wenig selber schuld. Dennoch ist Christina Berndt nicht angetreten, uns ein schlechtes Gewissen zu machen. Durchaus aber, um Aufmerksamkeit und Bewusstsein zu steigern.

Dies schafft sie in ihrem gut leserlichen Band, der eine Mischung aus Ist-Beschreibung, Ursachenforschung, Biologie-Exkurs und Ratgeber ist, durchaus. Zwar wird es in den Teilen, die als Ratgeber fungieren, m.M.n. teils etwas kleinteilig. Andererseits liest mensch doch immer wieder von Leuten, die beim Schwimmen vom Blitz getroffen werden, weil sie es romantisch wollen. Insofern ist diese Kleinteiligkeit letztlich wohl auch Schutz vor Dummheit.

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Gar nicht dumm ist es, dass die UEFA es den Zuschauer*innen zum morgen anstehenden Beginn der Frauen-Fußball-EM Basel respektive in Thun erlaubt, immerhin eine Halbliterflasche Wasser mit ins Stadion zu nehmen (zu viele Ohnmächtige und schlimmstenfalls Tote würden der UEFA auch nicht gut zu Gesicht stehen). Bei bis zu 36 Grad Celsius durchaus angemessen. Wie hart es die Fußballer derzeit bei der so genannten FIFA Klub-Weltmeisterschaft in den USA – wo sowohl Temperaturen als auch Luftfeuchtigkeit nochmals ärger sind als hierzulande – oder auch die Tennisspieler*innen in Wimbledon haben, darf gern den aktuellen Nachrichten entnommen werden (Öffnet in neuem Fenster).

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Wie es sich beispielsweise mit Sport, auch und gerade für Kinder, bei Hitze und überhaupt diversen Witterungen halten lässt, aber auch mit der Ernährung, vor welchen Problemen insbesondere Schwangere stehen und wieso mensch nicht erst beim roten Arm oder ersten abgefrorenen Zeh auf den Körper hören sollte: All dies lässt sich in Christina Berndts Klimaresilienz nachlesen. Ebenso wie sich Luft- und Lichtverschmutzung auf uns und die Umwelt auswirken (Öffnet in neuem Fenster), was es mit Winden und Gewitter-Asthma auf sich hat und wie Superreiche und Greenwashing in die ganze Klimakrisen-Rechnungen passen.

Zu guter Letzt spielt natürlich die psychische Resilienz eine Rolle – sonst ergäbe der Titel wohl wenig Sinn. Hierzu lassen wir Frau Berndt selbst zu Wort kommen, die auf die Frage, dass Menschen Naturkatastrophen und Pandemien wie Epidemien auch mental zusetzten und was dagegen getan werden könne, dies antwortete:

„Manche Menschen werden aus Sorge um das Klima richtig krank. Sie leiden unter Depressionen, Klimaangst oder Solastalgie, einem schmerzenden Verlustgefühl. Viele sind zudem traurig oder niedergeschlagen, auch ohne ernsthaft erkrankt zu sein, wenn sie an die zerstörte Umwelt und die Bedrohungen durch den Klimawandel denken. Mir persönlich setzt das auch zu. Aber es gibt sehr hilfreiche Strategien, damit umzugehen. Das Wichtigste ist, ins Handeln zu kommen. Am besten überlegt man sich, was man selbst fürs Klima tun kann. Hilfreich ist es auch, seine Wahrnehmung auf die positiven Entwicklungen zu lenken, denn die gibt es ja auch. Zum Beispiel ist Klimaschutz inzwischen in der Mitte der Gesellschaft als wichtige Aufgabe angekommen. So kann man sich psychisch stärken, damit man weniger leidet. Das funktioniert. Mir hat das Schreiben des Buches auch selbst sehr gutgetan.“

Euch wird das Lesen dieses hilfreichen, sympathischen und lehrreichen Buches guttun. Also kommt ins Handeln und besorgt es euch.

Übrigens lautet die Widmung in Klimaresilienz: „Für das Klima – es gibt kaum Wichtigeres“

AS

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Eine Leseprobe findet ihr hier (Öffnet in neuem Fenster).

Christina Berndt: Klimaresilienz – Was wir tun können, damit uns die Klimakrise nicht krank macht (Öffnet in neuem Fenster); April 2025; 304 Seiten; Hardcover, gebunden; ISBN: 978-3-570-10573-3; C. Bertelsmann; 22,00 €

Kategorie Sachbuch

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