INS DUNKLE GEPRESST
FILM-KRITIK
Wenn wir über Waffen reden, denken wir derzeit an Waffenlieferungen an die Ukraine, den Aufbau der Panzerbrigade 45 in Litauen, Atom-U-Boote Russlands und der USA. Oder an den Offenen Brief „Lassen Sie Gaza nicht sterben, Herr Merz!“, der dazu auffordert deutsche Waffenexporte nach Israel zu stoppen, das EU-Assoziierungsabkommen mit Israel auszusetzen und Israel zu einem Waffenstillstand zu bringen - und ungehindert humanitäre Hilfslieferungen nach Gaza zu lassen. Unterzeichnet ist dieser Brief, der quasi die Hamas-Forderungen 1:1 übernimmt, von mittlerweile etwa 360 primär Betroffenheits-Kulturschaffenden, die nicht nur größtenteils keine Ahnung, sondern vor allem einen einseitigen Blickwinkel zu haben scheinen. Ihre Waffe ist der Name, immerhin.

Um all dies soll es nicht gehen. Reden wir lieber über den Film WEAPONS der, geschrieben, gedreht und produziert von Zach Cregger, am Donnerstag im Kino startet. Der Trailer zum 38 Millionen US-Dollar teuren Film – von denen sich allein Cregger über zehn freuen darf – suggeriert einen Horrorfilm à la IT oder womöglich The Conjuring (der vierte Teil startet Anfang September). Ohne dass dies ein Spoiler wäre: Das ist WEAPONS absolut nicht – aber auch.
Es ist exakt 2:17 Uhr, als 17 Schüler*innen aufstehen, aus ihren Häusern laufen und schließlich im Dunkel der Nacht verschwinden. Alle 17, deren Verschwinden teils von Überwachungskameras der Häuser aufgezeichnet wird, sind in der Klasse von Grundschullehrerin Justine Gandy (Julia Garner, aktuell auch in The Fantastic Four: First Steps dabei (Öffnet in neuem Fenster)). Einzig ihr Schüler Alex Lilly (Cary Christopher) ist in dieser Nacht nicht entschwunden. Beide werden lange von Polizei, FBI und Co. befragt. Beide geben an, nichts zu wissen und beiden wird geglaubt. Hingegen nicht geglaubt wird ihr von den Eltern. Hier tut sich insbesondere ein Vater, Archer Graff (Josh Brolin), hervor, der regelmäßig bei der Polizei nachfragt und selbst Nachforschungen anzustellen beginnt.

Schutz vor der Forderung sie wegzusperren (mindestens) erfährt Gandy, die selber kein ganz einfacher Mensch zu sein scheint, von Schulleiter Andrew Marcus (Benedict Wong) sowie ihrer Ex-Affäre, dem Ex-Alkoholiker und Polizisten Paul Morgan (Alden Ehrenreich). Andrew hat eine schwierige Position, da er natürlich auch die aufgebrachten Eltern verstehen kann und Paul, da er in ihrer Gegenwart in alte Muster zurückfällt. In diesen Mix geworfen werden noch ein Junkie namens Anthony (Austin Abrams) und ein paar andere eher ominös wirkende Figuren in der beschaulichen US-Kleinstadt Maybrook...

Ui! Kleinstadt in den USA. Das klingt doch nach Stephen King. Doch hat der Horror-Grusel-Spannungs-Drama-Kombi-Altmeister mit WEAPONS nichts zu tun. Einen ähnlichen Mix allerdings bietet Zach Cregger mit diesem neuen Film. Der, wie oben erwähnt, recht gut finanziert ist. Was nach dem durchschlagenden Erfolg seines obszön bizarren, fantastischen Vorgängers Barbarian kaum wundern dürfte. (Er hat mehr als das zehnfache des Budgets eingespielt.) Wer den Film kennt, weiß ebenso, dass wir mit reichlich Twists and Turns rechnen dürfen.

Cregger nennt Paul Thomas Andersons episch-sensibles Meisterwerk Magnolia als eine Inspiration, was mit Blick auf das recht üppige Figurenensemble Sinn ergibt. Ebenso seine Struktur, in der er sich nach und nach der einzelnen Personen annimmt und wie sie das Verschwinden der Kinder erleben. Dieses wird nämlich in den ersten paar Minuten in einer Erzählung vor Titeleinblendung abgewickelt. Nun geht es um die Fragen, wo die 17 sind, was Gandy damit zu tun hat, warum ausgerechnet Alex übrigblieb und ob sie wieder auftauchen würden. (Ein wenig wie Leftovers meets Insidious oder so.)

Ebenso werden Wahrnehmung und Wahrheit thematisiert, Wunsch und Wirklichkeit. Es geht darum, ob einer (Gelegenheits-)Trinkerin zu trauen ist, wenn sie sagt, sie habe damit nichts zu tun. Wie real sind Visionen und Träume von Betroffenen? Cregger spielt in seinem WEAPONS mehr als gekonnt mit diversen Genres. Schockt uns in einem Moment, um uns im nächsten zum Lachen zu bringen. Einmal sind wir schlicht bewegt, dann wieder vor Spannung in den Kinosessel gepresst. Dazu tragen auch die beeindruckenden Bilder Larkin Seiples bei. Seien es Close-ups, Tracking-Shots oder jene Aufnahmen, die genau wissen, warum sie den Hintergrund einfangen. Der Schnitt von Paul Murphy verfeinert die Bildkomposition. Apropos Komposition: Die immer pulsierende, dramatische, unprätentiöse Musik von Ryan und Hays Holladay sowie Zach Cregger (ach!) gibt uns den Rest und spielt zusätzlich mit unseren Annahmen.
https://www.youtube.com/watch?v=nV88to2U2jU (Öffnet in neuem Fenster)Der Film erschreckt in meisterhaften Bildern nahezu jede Erwartung. Dies zwar bei einer Laufzeit von gut zwei Stunden, nicht ganz ohne eine Länge. Doch entschädigen dafür Stimmung und vor allem das grandios-garstige Finale, das so sicherlich kaum wer, wenn nicht gar kein Mensch, kommen sieht in diesem düsteren Horrormärchen.
Schaut euch den gruselig-dramatischen, lustig-spannenden WEAPONS unbedingt an und, ja – der Film ist fürs Kino gemacht. Die Stimmung entfaltet sich im großen, dunklen Saal am allerbesten. Und nicht aus Klo gehen, selbst wenn's arg presst. In jedem einzelnen Moment kann etwas verpasst werden. Und seien es „nur“ Bilder, die sich ins Gedächtnis brennen.
AS
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WEAPONS startet am 7. August 2025 im Kino; Laufzeit ca. 128 Minuten; FSK: 16