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Leserfrage: Bericht über Siedlergewalt

Bewaffnete Siedler

Michael hat mich heute Morgen per Mail gefragt:

„Diese Woche war ein Vorfall mit Siedlern im Westjordanland, der mich erstmalig am israelischen Vorgehen wirklich hat zweifeln lassen (Siedler greifen eine arabische Ortschaft an, am Ende hat die IDF drei Araber erschossen). Dazu würde mich natürlich auch Ihre Analyse interessieren.“

Dazu werde ich mich nicht weiter äußern.
Allerdings aus völlig anderen Gründen, als einige mir gerne unterstellen.

Ich lehne die Siedlungen im Westjordanland rundweg ab.
Wie bis vor dem 10/7 übrigens über 60% der Israelis selber.

Die jüdischen Siedler begründen die Landnahme üblicherweise religiös und historisch.
Als Atheist muss ich das ablehnen. Mit der gleichen Begründung könnten Christen Anspruch auf die Region Betlehem erheben, weil Jesus Christus dort geboren wurde.

Ich bin auch nicht primär für eine Zweistaatenlösung – die ich in der Praxis eh für unmöglich halte – weil die Juden dort historisch gelebt haben. Sondern weil die Gewinner des Ersten Weltkrieges es so bestimmt haben. Und später die UN.
In meinem Weltbild hatten die Juden nicht mehr oder weniger Anspruch auf die Gebiete als die Araber, die sich heute Palästinenser nennen. Keinem von beiden hat das Land vorher gehört. Die Juden haben es akzeptiert und einen Staat gegründet, die Araber nicht.

Es ist auch nicht so, dass die Siedler dort nur friedlich ihre Häuser bauen. Arabische Siedlungen werden zerstört, die Bewohner vertrieben. Wehren die Araber sich oder schlagen zurück - manchmal greifen sie auch von sich aus Siedler an - werden die Siedler von den IDF beschützt. Was häufig mit dem Tod von Arabern endet.

Lächelnde junge Siedler in traditioneller religiöser Kleidung, eskortiert von Soldaten.

Andererseits muss man aber auch erklären, dass die Palästinenser eine Staatsgründung verweigern.
Das ist unabhängig davon, ob andere Staaten einen de facto Staat Palästina anerkennen.

„Wenn ich jungen Leuten in Amerika sage, die verständlicherweise Sympathien für die Palästinenser haben, weil viele von ihnen getötet wurden – viel mehr Palästinenser als Israelis – und wenn ich denen erzähle, was Arafat abgelehnt hat, können sie es nicht glauben. Er hat einen palästinensischen Staat abgelehnt, mit der Hauptstadt in Ost-Jerusalem, 96% des Westjordanlandes, 4% von Israel, um das auszugleichen…“
Bill Clinton, als US-Präsident Vermittler bei den Verhandlungen Camp David II 2000, New York Times Interview, 2024

Screenshot: Bill Clinton bei der Podiumsdiskussion

Die palästinensische Führung kann einen eigenen Staat nicht akzeptieren. Weil sie dadurch ihre Grenzen definieren müsste und somit Israel – ob direkt oder indirekt – anerkennen. Und dafür würden sie vermutlich an der nächsten Laterne enden.
Würde heute im Westjordanland gewählt, bekäme die Hamas die Mehrheit der Stimmen. So tief ist der Vernichtungswille gegenüber in der Gesellschaft verankert. PLO, Fatah, Hamas, sie alle sind darauf aufgebaut, Israel zu vernichten.
Und deshalb regiert Abbas dort seit dem Tod von Arafat quasi diktatorisch durch.
Zudem finden ständig Schießereien zwischen Palästinensern vor allem im nördlichen Westjordanland statt, über die die Medien wenig berichten.

Das führt wiederum dazu, dass die Palästinenser nicht voll zur Rechenschaft gezogen werden können. Da sie kein offizieller Staat sind, greift das Kriegsvölkerrecht nicht und der IGH lehnt Klagen gegen sie ab, da er nicht zuständig ist. Gegen Israel als souveränen Staat geht das aber wunderbar.

Würden die Palästinenser einen Staat gründen, wäre es sehr viel leichter, diplomatischen Druck auf Israel auszuüben.
Auch deshalb, vielleicht sogar vor allem deshalb, lehnt die derzeitige nationalistische Regierung einen palästinensischen Staat ab. Weil der Druck dann enorm ansteigen würde, die Siedler aus den besetzten Gebieten abzuziehen. Die mit in der Regierung sitzen.

Deshalb bin ich sicher, der entscheidende Schritt Richtung einer Lösung ist nicht die Beendigung der Besatzung der Westbank. Sondern dass die Palästinenser nach über 75 Jahren bereit sind, Israel anzuerkennen.
Das hat nichts mit persönlichen Sympathien zu tun. Der Rückzug aus dem Gazastreifen hat gezeigt, dass das eine leichter als das andere zu lösen ist.

Weshalb ich nicht darüber berichte oder es erkläre hat jedoch einen völlig anderen, viel banaleren Grund: Meine Themen sind Krieg und Nachrichtendienste und die Medienmeldungen zu diesen Themen zu erklären.
Über die Besetzung könnte ich noch sprechen. Aber einzelne Scharmützel haben damit nun wirklich nichts zu tun. Darüber findet man auch üblicherweise alles in den Medien.

Vermummte israelische Siedler bauen eine Straßenbarrikade mit Autoreifen.

Zudem finde ich es sehr wichtig, dass der Gazakrieg nichts mit der Besetzung und der Westbank zu tun hat. Das zu verknüpfen ist ein palästinensisches Narrativ. Und die Rechtfertigung auf Demonstrationen „Free Palestine“ zu rufen, ohne das Kernproblem zu beachten.

Das Westjordanland und der Gazastreifen, die PLO und die Hamas, sind zutiefst gespalten. Nachdem Israel sich einseitig aus dem Gazastreifen zurückgezogen hat, kam es zu einem Bürgerkrieg zwischen den beiden Seiten. Und die UN bezeichnet den Gazastreifen vor allem als besetzt, weil sie nach wie vor Westbank und Gazastreifen als eine Entität behandelt. Und sich weigert, das zu trennen.

Das erklärte Ziel der Gaza-Palästinenser ist die Vernichtung Israels. Nicht eine Befreiung.
Seit nun fast 20 Jahren lebt kein Israeli mehr im Gazastreifen.

Und das, meine Damen und Herren, war Kritik an Israel, ohne dabei antisemitisch zu sein. Nur mal so als Anregung.
Und ich weiß, dass sehr viele Juden und Israelis das so oder sehr ähnlich sehen.

Kategorie Leserfragen

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