LöwenPost 2025/23
Sino Kolumne: Fahrerassistenzsysteme ~ Schuldenpolitik ~ Handelsgespräche

In China kommt es vermehrt zu Unfällen, wo Fahrer von Autos die Steuerung den Fahrerassistenzsystemen überlassen. Die chinesischen Social Media quellen über von Kommentaren und Diskussionen. Dabei übersehen viele Menschen, dass es sich eben nicht um Systeme für eine unkontrollierte autonome Fahrt handelt, sondern der Fahrer nur gewisse autonome Unterstützung erhält. Übrigens kennen wir diese Diskussion ja schon aus den USA, wo die ersten Unfälle mit Tesla-Fahrzeugen eine ähnliche Ursache hatten. Letztendlich werden die Menschen Opfer der großspurigen Werbeaussagen der Autofirmen zu ihren herausragenden technischen Funktionen, um gegenüber der Konkurrenz zu glänzen. Die chinesische Regierung hat reagiert und hat nun gesetzliche Beschränkungen bei den Werbeaussagen zu den Fahrerassistenzsystemen erlassen. Durch einen Test der autonomen Assistenzsysteme in den Autos mit verschiedenen Szenarien hat nun ein Autoportal eine weitere Welle von Social Media Diskussionen in China losgetreten. Dabei wurden 26 Fahrzeuge in 9 Szenarien für die urbane Umgebung und 36 Fahrzeuge in 6 Szenarien für Autobahnfahrten getestet. Die Gemüter erhitzen sich deshalb, weil Tesla diese Tests besser absolviert hat, als die chinesischen Automarken. Dabei übersehen viele Kritiker, dass auch VW und Mercedes keine guten Resultate lieferten. Aber die lebhafte Diskussion zeigt, wie sich chinesische Automarken eine große Fangemeinde in China aufgebaut haben. Was kann man nüchtern betrachtet aus den Resultaten sehen? Tesla ist den anderen Autofirmen, nicht nur den chinesischen Firmen, bei den hochtechnologischen autonomen Fahrerassistenzsystemen immer noch einen Schritt voraus. Die vom Geely-Konzern propagierte Premiummarke Zeekr scheint durch die miserablen Ergebnisse seiner Modelle doch wohl nicht so Premium zu sein. Und vor allem: Fahrer sollten wegen dieser Systeme nicht das Denken und Schauen einstellen! Diese Assistenzsysteme machen aus dem Auto eben kein autonomes Fahrzeug.
In China, und nicht nur dort, wird heftig die Schuldenpolitik des Landes diskutiert. Dazu muss man wissen, dass sich die Basis der chinesischen Schulden von anderen Ländern grundsätzlich und strukturell unterscheidet, was nicht in zwei Sätzen erklärt werden kann. Nur soviel sei gesagt, dass China im Gegensatz zu den USA oder Deutschland sich vor allem im Inland selbst das Geld leiht und somit relativ geringe Auslandsschulden hat. Die hohe Sparbereitschaft der Bürger trägt unter anderem dazu bei. Die Schuldenrückzahlungen und Zinszahlungen erfolgt somit in einheimischer Währung. Außerdem ist die Zentralregierung relativ niedrig verschuldet, während die Kommunen und staatseigenen Unternehmen höher verschuldet sind. Aufgrund dieser besonderen Schuldenstruktur erreichen die Bewertungen zum Schuldenstand und zur eingeschlagenen chinesischen Wirtschaftspolitik eine so große Spanne, so dass ich nicht glauben kann, das weltweite Ökonomen mit den Erfahrungen aus der Vergangenheit und ökonomischen Regeln keine grundsätzliche Einschätzung erreichen können. Ich merke in dieser Diskussion sehr deutlich, dass eine wirtschaftspolitische Ansicht mehr eine Glaubensfrage ist und weniger ein wissenschaftlicher Forschungsgegenstand. Dabei sind die gegensätzlichen Positionen an zwei Personen festzumachen und so hat der Chefökonom der Bank of China, Xu Gao, die Bewertung von Ray Dalio, dem Gründer des großen Hedgefonds Bridgewater Associates auseinandergenommen und in Grund und Boden geschrieben. Dalio sieht in der hohen Verschuldung in China insgesamt ein großes wirtschaftliches Problem (übrigens auch die Verschuldung in den USA) und prophezeit dem Land in der Zukunft große Schwierigkeiten. Xu dagegen wirft Dalio vor, mit mikroökonomischen Modellen ein makroökonomisches Umfeld erklären zu wollen, was unweigerlich scheitert. Regelrecht aggressiv kontert er Dalio: "Die Überwindung von Unwissenheit erfordert Lernen. Wenn Dalio verstehen würde, warum die Phillips-Kurve verschwunden ist, würde er vielleicht die Sichtweise der »Makroökonomie als Maschine« fallen lassen." Die Phillips-Kurve ist eine Wirtschaftstheorie aus den 1950er Jahren, die aber wegen nicht berücksichtigter Faktoren in der Praxis versagte. Xu plädiert vielmehr, dass China mehr Schulden machen muss und auch mehr Geld ausgeben kann, weil die stabile Angebotsseite nicht zu einer höheren Inflation führt. Er holt sogar zu einer grundsätzlichen Kritik aus: "Um Chinas Wirtschaft wirklich zu verstehen, muss man sich von der westlichen Mainstream-Makroökonomie befreien und sich auf verschiedene Schulen stützen, wobei man sich auf die Dialektik zwischen Angebot und Nachfrage konzentrieren muss, um Chinas wichtigste Einschränkungen und Kernlogik zu finden." Damit hat er zwar recht und zielt damit auch auf die oben beschriebene Besonderheit der chinesischen Schulden, aber gleichzeitig führt er das alte Lied einer Perpetuum-mobile-Staatsökonomie im Munde: "Wenn die Regierung den Einwohnern Geld gibt, steigen ihre Einnahmen und Ausgaben, was die Nachfrage, das Wachstum und die Steuereinnahmen ankurbelt. Dieser »Bumerang-Effekt« kann die Regierung sogar reicher machen, indem er mehr ausgibt – ein kontraintuitives Ergebnis." Nach dieser Logik brauchen - salopp formuliert - Regierungen nur Geld drucken und unter die Menschen schmeißen und schon blüht das Wirtschaftsleben auf. Aber so einfach ist es eben nicht, denn das Geld muss gut iChina ist avestiert sein und zu einem überproportionalen Wirtschaftswachstum beitragen. Das hat in der jüngeren Vergangenheit in China zwar erstaunlich gut funktioniert, doch diese Zeiten sind längst vorbei. Es bedarf mehr strukturelle intelligente Verbesserungen im Land, um mit den steigenden Schulden nicht die Staatsfinanzen in Unordnung zu bringen. Denn wenn das passiert, dann holt sich der Staat durch Inflation und hohe Steuern das Geld beim einfachen Bürger schleichend wieder, wie die westlichen Ländern in den vergangenen Jahrzehnten anschaulich gezeigt haben. Zugegeben, China ist finanzpolitisch (noch) gut aufgestellt, aber die schuldengetriebene Nachfrageankurbelung für ein Strohfeuereffekt kann das schnell ändern (siehe auch dazu LöwenPost 2025/01 (Öffnet in neuem Fenster) und LöwenPost 2025/04 (Öffnet in neuem Fenster)). Meiner Meinung nach sind Strukturreformen (Rentensystem, Sozialversicherung) und Infrastrukturinvestitionen (Wasser, Abwasser, Straßen und Wege im ländlichen Raum) ohne Schuldenerhöhung der bessere Weg. Außerdem muss den Regionen nicht einfach die Verantwortung für ihre Schulden abgenommen werden, sondern den Kommunen muss ein Weg zu einer soliden Finanzplanung aufgezeigt werden. Eine solche Lösung wünsche ich mir von einem Chefökonom der BoC.
Anfang der Woche fanden in Stockholm erneute Handelsgespräche zwischen China und den USA statt. Die Äußerungen von US-Finanzminister Scott Bessent danach auf der Pressekonferenz und in den Medien sind sehr aufschlussreich, wenn man zwischen den Zeilen liest. Dieser Politiker strotzt vor Eitelkeit und Selbstgefälligkeit, aber man merkt deutlich die Verunsicherung. Zunächst prahlt er mit den bisherigen Handelsabschlüssen mit anderen Ländern, wo man besonders Japan und die EU über den Tisch gezogen hat. Die Amerikaner glauben wirklich, dass diese Abkommen China beeindrucken können, denn Bessent meint: "Bezüglich der Handelsabkommen glaube ich, dass die Chinesen vom Umfang des Abkommens mit Japan und vom Umfang und den Bedingungen des Abkommens mit Europa überrascht waren. Ich denke, dass sie zwar nie nachgiebig sind, aber in diesem Fall eher zu einer breit angelegten Diskussion bereit waren." ["Trade deals, I think that the Chinese were surprised by the magnitude of the Japan deal, by the magnitude and the terms of the European deal. So I think that they were, they're never compliant, but I believe that they were, and more of a mood for a wide ranging discussion."] Ich glaube, dass der US-Finanzminister die Wirkung auf China überschätzt und dass die Chinesen eher über die Unprofessionalität der Japaner und Europäer schmunzeln, weil diese Verträge schädlich für die europäischen und japanischen Unternehmen sind. Diese Firmen müssen nun ihre Energie noch teurer einkaufen und ihre Lieferketten via USA verteuern, was chinesischen Firmen trotz Zöllen einen Wettbewerbsvorteil gewährt. Bessent selbst gibt zu: "Ich würde nicht sagen, dass die Chinesen in Bedrängnis waren, denn sie sind sehr gelassen, was dem Vizepremier zu verdanken ist, den wir als erfahrenen Politiker kennen." ["I won't say that the Chinese were on their heels because they're very composed by vice premier, who we found is a seasoned politician."] China ist deshalb weit davon entfernt sich wie Japan und Europa über den Tisch ziehen zu lassen. Und woran erkennt man das? Das wird an folgenden Äußerungen deutlich: "...die Chinesen nehmen ihre Souveränität sehr ernst" ["...the Chinese take their sovereignty very seriously"], so der US-Finanzminister in der Pressekonferenz. Noch deutlicher wird es dann in dem Interview von Bessent mit CNBC, wo das Thema schnell auf die seltenen Erden kommt. Zunächst lässt man die Muskeln spielen: "Also, wir drängen sie weiterhin, daran zu arbeiten." ["So, you know, we keep pushing them to work on that."] oder "Wissen Sie, wir drängen sie." ["You know, we push them."] Doch zum Schluss kommt das große Eingeständnis: "Sie sind harte Verhandlungspartner." ["They're tough negotiators."] China lässt sich also nicht so leicht über den Tisch ziehen, wie Japan und Europa.