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Unsere Epische Osttour

"Geschafft", seufzte ich, als die Kofferraumklappe endlich einschnappte. Mein kleines Auto war bis an die Decke gefüllt mit Lebensmitteln, Kleidung, Fotoausrüstung, Brettspielen, Büchern, Strickzeug, Campingstühlen, einem SUP-Board … und einer Auswahl an Schuhen, die jeden Deichmann vor Neid erblassen lassen würde. Kämen wir unterwegs in finanzielle Nöte, könnten wir uns mit Schuhhandel über Wasser halten.

Wir brachen zu einer Reise auf, die in vielerlei Hinsicht ein Novum war: kein Familienurlaub wie früher, sondern partnerloser Urlaub mit zwei Teenagerkindern. Und: ein wilder Mix aus Festival (mein erstes!), polnischem Ferienhaus und Städtetour (Leipzig).

Würde es mir zu viel werden? Hätte ich nicht einfach nur ein relaxtes Strandhäuschen mieten sollen? Würden wir alle Bedürfnisse unter einen Hut bringen? Wie wird unser Miteinander?

Die Fragen und Ängste fuhren mit Richtung Osten. Erste Station: Freakstock Festival (Opens in a new window)in Sachsen-Anhalt auf einem alten Flugfeld.

Ich reihte mich schüchtern ein in die Festival-Gemeinde. Fühlte meinen eigenen Puls: Bin ich zu alt? Zu brav? Zu gewöhnlich? Zu überfordert? Die bunte Vielfalt der Menschen fegte meine Unsicherheiten fort. Alle waren vertreten von 0 bis 80 Jahre. Meine Kids verschwanden in der Teen Base. Das große Kind durfte ein Schrottauto über das Flugfeld lenken, das jüngere sprühte Graffiti. Wir hörten uns Vorträge an über den "Inneren Garten", Migration und die Wiederkehr des Autoritarismus. Und weil man ja auch immer nach Balance streben muss, glich ich die Schwere der Themen mit stundenlangem Tanzen unter dem aufgehenden Mond aus. Ich traf alte Bekannte, knüpfte neue Freundschaften und freute mich an dem Reichtum an Musik, Kunst, Themen und menschlichem Ausdruck. 

Dann ging es weiter nach Polen. Das Land, welches unser Herz gestohlen hat. Nicht mit gefälligem Mittelmeer-Flair, sondern mit den sanften Hügeln und versteckten Seen Pommerns. Mit überwältigenden Wanderdünen und weißen Sandstränden. Mit unschlagbar gutem Essen - die Städte sind ein Traum für Foodies und Veganer! Mit freundlichen Menschen und günstigen Preisen. 

Normalerweise mache ich keine Werbung. Aber: Leute, fahrt nach Polen. Soooo underrated! Wir wohnten in einem traumhaften Ferienhaus (Opens in a new window) mit Blick auf Birkenwälder und unseren kleinen privaten Badesee (Tipp: Idealer Ort, wenn ihr mit einer befreundeten Familie Urlaub machen wollt. Hier stehen zwei Häuser in Nachbarschaft. Ansonsten nur Stille, Natur, Pfauen und ein Pony, das abends gerne zu Besuch kommt). 

Ach...und Danzig. Du hast uns ebenfalls verzaubert! Aber seht selbst: 

Auf der Rückfahrt nach Leipzig – unsere letzte Station – wurde das gerade erst Erlebte zum Familienschatz versponnen. Wir rekapitulierten und erzählten wild durcheinander, bis wir nach und nach verstummten. Die lange Fahrt machte müde, ich kämpfte mit einem Entzündungsschub im Bauch – Ibuprofen und Eiskaffee waren meine Rettung. Das war tatsächlich der einzige fordernde Tag, an dem ich meinen Single-Mum-Status innerlich beklagte.

In Leipzig machte ich kaum Fotos. Meistens blieb ich im Hostel (Opens in a new window), schlief und las. Auch nicht schlecht. Die Kids erkundeten auf eigene Faust die Stadt (ein Hoch auf Teenagerkinder!), und abends verloren wir haushoch beim Pubquiz. Es war ein guter Schlusspunkt einer Reise, die wir im Laufe der zwei Wochen umtauften in: „Unsere epische Osttour.“

„Geschafft“, seufzte ich gestern, als ich das letzte nasse T-Shirt auf die Wäscheleine hängte. Ich ging durch den Garten, zwickte Verblühtes ab, erntete reife Tomaten und machte mir einen Eiskaffee. Während ich die Eiswürfel im Glas betrachtete, dachte ich an meine anfänglichen Ängste und Sorgen zurück. Sie waren zerschmolzen. Nicht mal ein Fleck war mehr zu spüren.

Manchmal wird es besser – viel besser – als man denkt.

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