Katastrophen-Management: Das DMP für Adipositas kommt

Adipositas ist eine Pandemie! Das hat die WHO festgestellt und allerorten hört man ja, die Gesellschaft würde immer schwerer und schwerer. Da Adipositas ja eine anerkannte Krankheit ist, müssen alle Mehrgewichtigen gesund werden. Wie erreicht man das? Die Antwort ist ja klar, oder?
Bisher ist die ärztliche Versorgung von Mehrgewichtigen ein heikles Thema. Die Fettfeindlichkeit der Gesellschaft ist besonders beim medizinischen Fachpersonal ausgeprägt. Viele Mehrgewichtige kennen das: Außer wenn es eine Erkältung, eine Bronchitis oder was mit den Zähnen ist - der erste Ratschlag, der kommt lautet: “Nehmen Sie ab, dann legt sich das.” Häufig wird auch nichts weiter untersucht, die Blickdiagnose genügt. Wenn daher jetzt ein “Disease Management Programm” für Adipositas freigegeben ist, kann sich doch nur die Situation verbessern, oder?
Na ja, wenn denn schon konkrete Infos vorliegen würden, wäre das super. Das Ärzteblatt (Opens in a new window) stellt aber fest:
“Da das neue DMP noch keine Schulungsprogramme enthält, erarbeiten die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG (Opens in a new window)) und die Deutsche Adipositas Gesellschaft (DAG (Opens in a new window)) mit Kooperationspartnern derzeit ein evaluiertes Schulungskonzept.”
Wann das evaluierte Schulungskonzept zum DMP Adipositas vorliegt, bleibt abzuwarten. Wenn man sich nach den anderen DMPs richtet, die schon existieren, dann wird klar: Hier wird wieder die Verantwortung alleine dem Individuum zugeschoben werden.
DMP - was ist das?
Schauen wir uns mal ein DMP (Opens in a new window)zur Diabetes an.
“Die Behandlung des Diabetes mellitus Typ 1 soll die Lebensqualität verbessern, Folgeschäden vermeiden und die Lebenserwartung erhöhen. (…)
Zu Beginn desDMP (Opens in a new window) wird gemeinsam mit der koordinierenden Ärztin ode (Opens in a new window)r d (Opens in a new window)em Ar (Opens in a new window)zt de (Opens in a new window)r genaue (Opens in a new window) A (Opens in a new window)blauf (Opens in a new window)der Therapiegeplant und fes (Opens in a new window)tge (Opens in a new window)legt. Die A (Opens in a new window)rt der The (Opens in a new window)rapie (Opens in a new window)hängt unter a (Opens in a new window)nde (Opens in a new window)rem davon ab, wie h (Opens in a new window)och d (Opens in a new window)as Risiko (Opens in a new window)für Fo (Opens in a new window)lgeschäden (Opens in a new window)ist – (Opens in a new window)oder (Opens in a new window)wie w (Opens in a new window)eit diese (Opens in a new window)fortge (Opens in a new window)sch (Opens in a new window)ritten sind. Bestimmte Begleiterkrankungen und die (Opens in a new window)Lebensumstände spielen eben (Opens in a new window)falls eine wichtige Rolle. (Opens in a new window)
Di (Opens in a new window)e Schulungen (Opens in a new window)sollen Betroffenen dabei (Opens in a new window) helfen, ihr Körpergewicht (Opens in a new window)zu reduzieren od (Opens in a new window)er zu stabilisieren und ihr (Opens in a new window)e Lebensqualität zu erhöhen. Die Pa (Opens in a new window)tien (Opens in a new window)ten sollen über Adipositas und ihre Einflussfaktoren au (Opens in a new window)fgeklärt und mit individualisierten Empfehl (Opens in a new window)ungen zu Ernährung und Bewegung dabei unterstützt werden, das eigene Verhalten gesundheitsfördernd zu ändern.”
Vermutlich werden beim DMP Adipositas diese Schulungen übernommen werden. Warum was neu entwerfen, wenn es schon da ist? Auffällig ist mal wieder: Es ist allein die Schuld des Individuums. Gesellschaftliche Begleitumstände werden offenbar wieder nicht berücksichtigt. Zudem: Lebensqualität - ein schwammiger Begriff, der notfalls ja vom Fachpersonal festgelegt wird. Weniger Kilo, mehr Lebensqualität? Klingt super, aber garantiert ist die Glückseligkeit nach dem Programm nicht. Wie lange ein Programm laufen soll? Solange es Profit bringt? Ein Leben lang? Darf man das unendlich wiederholen? Traditionelle Maßnahmen scheitern bekanntlich zu 98%. (Opens in a new window) (Vorsicht: Artikel beinhaltet Spuren von Diätkultur.) Selbst sowas wie Optifast - was genau diesen Ansatz fährt: Schulungen, Wiegetreffen, alles geleitet von Experten - ist nicht sonderlich erfolgreich. (Opens in a new window)
Aus meinen eigenen Erfahrungen als psychologischer Mitarbeiter weiß ich, daß nur wenige Patientinnen von dem Programm profitieren (also langfristige Gewichtsstabilisierung); die meisten nehmen zwar deutlich ab, jedoch auch schnell wieder zu, der Rest bricht ab.
Michael Kleinrensing
Diplom-Psychologe
Kontrolluntersuchungen sind Diabetes-Patienten durchaus bekannt. Blutwerte checken lassen. Alle drei Monate. Ich stelle mir das total grässlich vor alle drei Monate antreten zu müssen, um festzustellen ob ich abgenommen oder zugenommen habe. Das wird sicherlich kommen. Wenn das nicht schon in den Schulungen enthalten ist.
Ob psychologisches Training enthalten ist … wer weiß? Letztendlich spielen doch mal wieder die Kosten eine Rolle für diese Programme …
Medizinischer Zynismus, der bezahlt wird
Anstatt nach einem bestimmten BMI den Mehrgewichtigen in ein Programm zu stecken - natürlich wird da Druck ausgeübt werden, das wird es nach meiner Erfahrung schon beim Diabetes-DMP - sollte das Hauptziel schon eine individuelle Behandlung VOR dem DMP sein. Dazu gehört eine gründliche Untersuchung, ohne gleich das Mehrgewicht als DIE URSACHE zu nennen. Dazu gehört auch eine ganzheitliche Sicht: Schlaf, Stress, Wohnlage, Zugang zur sog. “gesunden Ernährung” … Aber das überfordert das Fachpersonal. Selbst in einem DMP haben die Teilnehmenden keine Garantie darauf, wirklich sorgfältig untersucht zu werden.
Aber die Krankenkasse zahlen das alles ja. In der Hoffnung der späteren Kostenersparnis, weil ja spätere Erkrankungen so vermieden werden. Wer sich aber mit Optifast genauer beschäftigt, dass Modell hat ja schon alle kommenden Aspekte drin, wird feststellen: Nur durch Betreuungen und Schulungen löst sich eine Pandemie nicht auf. Das ist ja jetzt schon sichtbar. Längerfristige Lösungen sind immer noch nicht zu sehen. Aber wenn man mit Etwas Geld verdienen kann … Wer ist denn hier bitteschön zynisch?