Newsletter – dein kreativer Journaling Kurs #7

Die Angst vorm leeren Blatt – meine erste-Hilfe-Tipps
Vielleicht kennst du dieses Gefühl: Du hast dir einen ruhigen Moment geschaffen, den Stift in der Hand, das Journal liegt offen vor dir – und plötzlich ist da… nichts. Oder eben nichts, was auf´s Papier fließen möchte. Denn Schreibblockaden kennen die meisten Schreibenden – selbst mir geht es manchmal so, wenngleich es beim Tagebuch schreiben selten passiert, weil ich da innerhalb von Jahrzehnten jeden Perfektionismus abgelegt habe – und das tut einfach gut und erleichtert vieles.
Aber beim kreativen Schreiben kenne ich es durchaus auch: Kein Gedanke, der sich zeigen will. Kein Satz, der dir leicht fällt. Nur diese gähnende, stille Leere. Man schreibt und löscht dann wieder und das weiße Blatt starrt einen an wie ein stiller Vorwurf. Und als wenn die Stille des kreativen Flows nicht schon schlimm genug wäre, wird plötzlich eine andere Stimme unangenehm laut: Die innere Kritikerin und der innere Zensor. Die murmeln dann unaufhörlich so Dinge wie „Ich kann das nicht. Ich weiß gar nicht, was ich schreiben soll. Was, wenn es nicht gut ist?“
Willkommen im Club, sage ich da nur. Diese Angst vor dem leeren Blatt ist nicht nur verbreitet – sie ist eine Art Urgefühl. Weil diese Angst Ausdruck von Verletzlichkeit, von Schöpfungskraft und Selbstzweifeln gleichermaßen ist. Es ist dieses Licht und Schatten Ding, die Tatsache, dass Leben immer nur in der Fülle der Gegensätze zu haben ist, die häufig dazu führt, dass Geburt eben mit Geburtsschmerz beginnt und Wachstum mit dem unangenehmen Gefühl, die Komfortzone verlassen zu müssen. In Krisen hilft mit immer mal der Gedanke, dass der Tag und das Morgengrauen anbrechen, wenn du Nacht am dunkelsten ist. Manchmal sind die Dinge eben nicht leicht zu haben und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass oft nach der Krise, nach den Zweifeln, nach dem Zerbruch, nach der Leere der Durchbruch kommt. Das Leiden des Schreibenden unter dem leeren Blatt ist häufig das Nadelöhr, durch das wir Kreativköpfe hindurch müssen, bevor sich der Flow einstellen wird. Oder um bei der Nachtmetapher zu bleiben: Bevor der kreative Schub kommt, ist oft das Blatt am leersten ;-)
Heute bekommst du von mir Erste-Hilfe-Tipps, die dir helfen, sanft durch diese Blockade zu gehen – ohne Druck, ohne Bewertung. Sondern mit Neugier, Mitgefühl und ein bisschen liebevoller List. Vielleicht wiederhole ich mich, aber „the way out is the way through“. Und dieser Kursteil 7 soll dich an die Hand nehmen und den Weg hindurch durch die Blockade zu meistern.
Warum macht uns das leere Blatt Angst?

Bevor wir zu den Tipps kommen, lass uns kurz verstehen, was hinter dieser Angst steckt. Denn oft hilft schon dieses Verstehen dabei, sie zu entmachten. Das leere Blatt ist wie ein Spiegel. Es zeigt uns nicht nur unsere Gedanken, sondern auch unsere Unsicherheit, unsere inneren Kritiker, unsere Vorstellungen davon, „gut genug“ zu sein. Je stärker geprägt von äußeren Erwartungen wir sind, desto mehr Schwere liegt in dem Moment kurz bevor wir glauben, abliefern zu müssen. Und dass ein leerer Zettel im Zweifel eine große Katastrophe bedeuten kann, haben wir alle zur Genüge in der Schule gelernt. Ich hoffe, dass es okay ist, wenn ich an dieser Stelle kurz aus dem Nähkästchen meiner Beziehung plaudere. Denn manchmal ergibt sich die Situation, dass ich Fabian frage „Was meinst denn du dazu?“ und er ehrlich zurückmeldet: „Wenn du so fragst, fühlt es sich so an wie früher in der Schule. Als wenn ich jetzt das Richtige sagen muss – fühlt sich gar nicht gut an!“ und ich erkenne wieder, wie tiefgreifend solche Kindheitserfahrungen sind und mitgeschleppt werden. Da reicht ein kleiner Auslöser, eine Betonung, ein Blick und schon fühlt man die Sicherheit einer liebenden und wohlwollenden Beziehung viel weniger als die Assoziation mit ungnädigen Fragestellungen aus langen Schuljahren. Und ein leeres Blatt (oder gar liniertes oder kariertes Papier vor der Nase) und der Füller in der Hand können schon mal den Gedanken laut werden lassen: Jetzt muss ich mich beweisen, jetzt muss es gut werden, sonst steckt in mir eben keine Schreiberin und keine Journaling Seele.
Ein leeres Blatt ist ein Ort voller Möglichkeiten – aber genau das kann auch überfordern. Dahinter stecken: Perfektionismus („Ich muss etwas Gutes schreiben“), Selbstzweifel („Ich habe nichts Wichtiges zu sagen“), Vergleich („Andere schreiben viel schöner“), Überforderung („Wo soll ich überhaupt anfangen?“). Journaling bedeutet, dir selbst zu begegnen. Das du dabei auch deinen Ängsten und Zweifeln begegnest, ist ein normal und eigentlich auch gut, denn darum geht es ja. Natürlich: Das braucht Mut. Und wie bei jeder mutigen Reise ist der Anfang oft der schwerste Schritt.
Auch in meiner Arbeit in der psychologischen Email-Begleitung begegnet mir diese Angst meiner Klienten immer wieder: „Du schreibst so schön und auf den Punkt. Und meine Gedanken sind so konfus, ich weiß nicht, ob ich gut erklären kann, was mich innerlich quält – und ich habe so Angst zu langweilen oder wieder peinlich viele Rechtschreibfehler zu haben wie damals in der Schule! Keine Sorge! Bevor ich meine Ausbildung zur psychologischen Beraterin gemacht habe, war ich mit Herz und Hirn Seelsorgerin und damit war immer schon „Annahme“ eine meiner Hauptaufgaben und mein Ziel in jedem schriftlichen Austausch! DIR das Gefühl zu geben, dass du nichts bringen oder ableisten muss, dass deine Worte keinem Standard entsprechen müssen, sondern ungefiltert und unkorrigiert DU sein dürfen – und in jedem Fall auf warme und verstehende, auf sehende, niemals wertende Annahme stoßen. Wenn dir diese Form der Annahme deiner Worte gut tun würde, dann lass uns unter www.dein-seelenkompass.de/ (Opens in a new window) in den Austausch gehen und buche für dich und deine Worte einen Timeslot in meinem virtuellen Kalender: Datum & Uhrzeit wählen - Calendly (Opens in a new window)
Erste Hilfe gegen das weiße-Blatt-Syndrom
Hier kommen nun meine bewährten Tipps gegen Schreibblockaden aus meiner eigenen Schreibpraxis, aus meiner Arbeit mit Schreibenden und aus der sanften Kraft des kreativen Zugangs zu dir selbst.
1. Schreib dich warm – ganz ohne Anspruch

Der erste Satz muss nicht weise, tief oder poetisch sein. Das darf sowas ganz Banales sein wie „Ich weiß gerade nicht, was ich schreiben soll…“ oder „Dieses leere Blatt macht mir ein bisschen Angst.“ oder „Ich sitze hier mit meinem Tee und versuche anzufangen.“ Denn genau DAS ist Journaling: Echt, roh, wahr: das, was dir spontan in den Sinn kommt. Und es ist ein erster Akt wertvoller Annahmen, die etwas mit deiner Seele macht, wenn du dir solche Sätze erlaubst. DAS bist du, DAS sind deine Gedanken und Gefühl. Und dass DAS auf dem Papier nun Raum nimmt, ist schreibende Selbstfürsorge und Selbstannahme. Du musst nirgendwo ankommen – du darfst einfach losgehen. Tipp (falls dir doch so bescheuerte Schul-Assoziationen kommen): Stell dir vor, du redest mit deiner besten Freundin, die sich heulend und im Schlafanzug kennt. Oder mit deiner Mama (wenn das ein guter Gedanke ist, manchmal ist leider das Gegenteil der Fall), so deine Mama für dich der Inbegriff von „Zu mir kannst du immer kommen“ ist. Dieses leere Blatt ist dein Freund. Kein Lehrer, keine Jury.
2. Bewegung statt Blockade – nutze deinen Körper

Wenn du merkst, dass du feststeckst, steh auf. Geh ein paar Schritte, schüttle deine Hände aus, atme tief ein und aus. Journaling beginnt nicht immer im Kopf – oft beginnt es im Körper. Ich merke regelrecht, wie ich manchmal keine Ruhe habe, um für das Schreiben still zu sitzen. In meinem Arbeitszimmer stehen idealerweise ein Laufband und ein Rudergerät. Doch bevor das der Fall war, habe ich vor dem Schreiben oder bei großer innerer Unruhe oder Anspannung einfach meine Kopfhörer aufgesetzt und zu schnellen Beats eine Runde wild getanzt. Das lockert nicht nur, sondern lockt oft auch Gefühle an, die nach einer Bewegungsrunde leichter zu fließen beginnen.
Kleine Übung: Bewege dich eine Minuten, egal wie und dann setz dich wieder hin und schreibe ganz intuitiv: Was spüre ich gerade in meinem Körper? Wie fühlt sich mein Atem an? Wo fühle ich heute meine Anspannung? Was braucht mein Körper von mir? Du wirst sehen: Es entsteht Bewegung. Innen wie außen.
3. Führe einen inneren Dialog
Manchmal blockiert uns eine innere Stimme – vielleicht die Kritikerin, die Zweiflerin, die Antreiberin. Vielleicht ist da auch dein inneres Kind, das Angst hat, Fehler zu machen oder zu unbedeutend zu sein. Mach aus der Not eine Tugend, kämpfe nicht gegen diese Stimmen, sondern arbeite mit ihnen. Denn da beginnt schon die wertvolle Arbeit des kreativen Schreibens: Lade deine inneren Stimmen ein und biete ihnen den Platz in deinem Journal an. Deine Sätze im inneren Dialog mit Kritikern und Antreibern könnten so beginnen: „Ich merke, dass ich Angst habe, einfach anzufangen, weil ich dieses spontane Vertrauen zu meinen Gedanken und Worten irgendwann verloren habe. Ich überlege gerade, seit wann das so ist.“ oder „Wenn es nach der kritischen Stimme in mir geht, sollte ich hier nicht so ein Schreib-Schicki-Micki veranstalten, sondern mich um den Haushalt kümmern. Immer, wenn ich etwas für mich tun will, wird diese Stimme laut. Warum eigentlich?“ oder „Ich merke, dass ich schon wieder Angst vor dem Anfangen habe. Genau wie damals in der 10. Klasse, als ich mir die Bewerbung für ein Auslandsjahr im Sekretariat abgeholt habe, aber sie eben nie ausgefüllt habe. Wenn ich so darüber nachdenke, ist sogar mein Gefühl heite noch ganz ähnlich.“
Und schon bist du mitten drin. Bau also deine inneren Stimmen einfach in deine Journaling Routine ein. Diese Methode ist überraschend wirkungsvoll. Denn oft verwandeln sich deine inneren Widerstände, wenn sie gehört werden.
4. Nutze Mini-Impulse (statt großer Fragen)

Manche Journaling-Fragen sind so groß, dass sie eher einschüchtern („Was wünsche ich mir wirklich vom Leben?“). Wenn du blockiert bist, arbeite lieber mit Mini-Impulsen. Das können so kleine, feine Fragen und Impulsgeber sein wie: „Heute war ich besonders glücklich, als…“, „Ich erinnere mich gerade an ein schönes Erlebnis aus meiner Kindheit…“, „Mein Morgen begann mit…“, „Drei Dinge, für die ich gerade dankbar bin:...“, „In diesen Tagen spüre ich eine leise Sehnsucht nach…“.
Mini-Schreibimpulse sind wie kleine Kieselsteine, die du ins Wasser wirfst: sie ziehen Kreise und breiten sich von selbst aus. Vielleicht hast du Lust, dir ein paar Mini-Impulse (die obigen oder einige, die du dir selbst überlegst) auf die letzte Seite deines Journals zu notieren oder auf ein Lesezeichen in deinem Journal zu schreiben. Dann hast du ein kleines, feines Repertoire an Denkanstößen, an denen du dich orientieren kannst, wenn dir gerade sonst nichts einfallen mag.
5. Erlaube dir Unsinn – spielerisch schreiben

Nicht alles muss tiefgründig sein. Manchmal hilft ein bisschen kreativer Unsinn, um den Druck zu lösen. „Was ist das?“ fragte meine Tochter, als wir gemeinsam am Esstisch saßen – sie, um zu malen, ich, um Tagebuch zu schreiben. Ich hatte durch die Seiten meines Dotted Hefts, das ich immer zum Schreiben nutze, geblättert und da war ihr Blick auf eine Seite gefallen, die im ersten Moment nach „Krickelakrack“ aussah. Und, in der Tat, war das Ergebnis dieses Eintrags auch genau das: Gekritzel. Ich hatte Sätze, Worte, Satzfetzen, Gedanken kreuz und quer über das Blatt geschrieben, hatte irgendwann übereinander geschrieben, in klarer und ich flüchtiger Handschrift, die einzelne Buchstaben in bester Ärzte-Manier unleserlich werden ließen. Ich häufte Buchstaben über Buchstaben und spätestes auf der 3. Ebene waren nur noch einzelne Buchstaben zu identifizieren, kaum mehr Wörter, ein Sinn schonmal gar nicht. „Aber das kannst du doch so kritzelig gar nicht mehr lesen!“ meinte meine Tochter und ich erklärte: Ich muss das auch nicht mehr lesen können, ich wollte es einfach nur schreiben. Das hat mit damals geholfen. Es gibt sehr viele kreative Ideen, wie man anfangen kann, wenn man gerade nicht anfangen kann. Die Ideen sind endlos und reichen von unterschiedlichen Techniken und Malerein über Mindmaps und Aufzählungen mit Spiegelstrich hin zu Dingen, die keiner außer dir verstehen muss. Manchmal glaube ich: je weirder, desto mehr fallen Hemmungen - das warme Mäntelchen unseres Perfektionismus. Ein paar lose Ideen, die weder vollständig noch kanonisch sind, sondern zum Weiterdenken einladen sollen: Erfinde ein Wort für deine aktuelle Stimmung. Schreibe wie ein Kind, das gerade das erste Mal Tagebuch schreibt. Notiere absurde Gedanken wie: „Wenn ich heute ein Tier wäre, wäre ich ein Faultier mit Kaffee in der Pfote.“
Spielerisches Schreiben ist keine Ablenkung. Oft ist es ein Zugangstor zu deiner Intuition.
6. Verwandle Fragen in Bilder

Manchmal blockiert uns die Sprache. Dann hilft es, innerlich zu malen. In der Malerei ist uns der Gedanke, dass es abstrakte, entartete, banale Kunst geben darf wesentlich vertrauter. „Das ist halt Kunst“. Eben. Und so können deine Worte auch sein: künstlerisch, bildhaft, ausprobierend.
Frage dich: Wenn mein heutiger Zustand ein Wetter wäre – welches? Wenn meine Gedanken ein Raum wären – wie sähe er aus? Wenn mein Tag ein Lied wäre – wie klänge er? Und dann schreibe über das Bild. Du wirst überrascht sein, was da in Bewegung kommt, wenn wir schreiben nicht eng-führen auf Wort-an-Wort mit Sinn und Verstand, sondern jeden schriftlichen Ausdruck als kreativen Akt ohne Regeln verstehen. Es gibt Menschen, die von Natur aus visueller sind und Bilder viel besser fühlen und verstehen als das nackte Wort. Aber Buchstaben und Papier können ebenso malen wie ein Pinsel, eine Kamera oder ein Kohlestift. Wenn dir heute das anfangen schwer fällt, geh den Umweg über die Bilder, die du im Kopf und im Herzen hast.
7. Führe ein „Ich darf“-Ritual ein
Dieser Tipp ist besonders heilsam, wenn du mit innerer Strenge kämpfst. Starte deine Journaling-Session mit ein paar Sätzen, die deine Erlaubnis sind. Begib dich mit diesen Sätzen quasi in einen Raum und tapeziere ihn mit gesundem Mindset. Bevor du loslegst, atme tief durch und sage dir diese Sätze als „Erlaubnis-Ritual“: Ich darf langsam sein. Ich darf leer sein. Ich darf wirr schreiben.nIch darf heute nur einen Satz schreiben. Ich darf einfach da sein. Ich darf einfach für mich schreiben. Ich glaube an die Perfektion dessen, was ist.
Solche Erlaubnis-Sätze wirken manchmal wie Balsam für das überforderte Innenleben. Ich hoffe, dass für dich etwas mit dabei war, was dir helfen kann, die Angst vor dem leeren Blatt zu überwinden. Viel Spaß beim kreativen Schreiben wünscht euch
Sina
