Nach dem Kollapscamp: ein Dank, eine Bitte, und eine Empfehlung
Eigenes Foto, Stop the Bleed-Workshop in Stockholm, 10/2023. Stop the Bleed war auf dem Kollapscamp eines der populärsten Formate, und in ein paar Wochen fahr ich wieder rauf nach Stockholm, um Inspiration zu sammeln und zurückzubringen.
08/09/2025
Liebe Leute,
fair warning: das hier wird kein inhaltlich subtanzieller Text – es werden ein paar Gedanken und Dankeschöns zum und ich Nachgang des Kollapscamps sein, ich werde Euch auf ein paar Presselinks hinweisen, und einen wirklich extrem wichtigen Text von meiner Freundin und Genossin Scully, vielen von Euch mittlerweile aus Film, Funk und Fernsehen bekannt als ultrafitte Kollapscamp Pressesprecherin Cindy Peter, zu einem Thema, das auf Deutsch so schwer zu thematisieren ist (Opens in a new window). Außerdem, und das ist der Teil, der mich besonders nervt, geht's dann auch wieder kurz um Geld.
Postkollapscampdankeschön
Eine Woche ist seit dem Ende des Kollapscamps vergangen, ich bewege mich irgendwo zwischen Euphorie und totaler Erschöpfung, und die zwei Wochen, die ich mir danach freigehalten habe, um letzte Aufräum- und erste Weiterplanungs-Arbeiten anzugehen, bevor ich in eine wie ich finde sehr verdiente zweiwöchige Komplettpause gehe, vergehen sehr schnell. Es gibt wahnsinnig viel zu auszuwerten, analysieren, verarbeiten, erzählen usw., aber tbh hab ich jetzt dafür natürlich nicht die Kraft und den Headspace: ich war beim Kollapscamp so wahnsinnig überlastet, dass ich am Donnerstag Vormittag einen ernstzunehmenden Breakdown hatte, der nur durch die beherzte und solidarische Intervention der Leute um mich herum nicht zu einem echten Burnout wurde. Die Orgastrukturen warfen mich solidarisch raus (im Sinne von: “geh, kümmer' dich um dich selbst, wir rocken das schon” - das ist nicht selbstverständlich, und ich bin dafür ehrlich sehr, sehr dankbar), und als ich Wolf am Freitag morgen schrieb, “ich brauche Dich”, dachte ich eher an ein längeres Telefonat, um mich runterzubringen, aber er kam von Berlin aus noch abends, nach der Arbeit zum Camp, um sich um mich zu kümmern – und das werd ich ihm nie vergessen.
D.h., das sind meine persönlichen Dankeschöns, nicht die des Prozesses – dazu haben wir uns schon letzte Woche (Opens in a new window) geäußert. Und nach dem Dank an Wolf und die wundervollen Menschen, mit denen zusammen ich dieses tolle Camp organisieren durfte, geht mein Dank an Euch: erstens an die Menschen, die diesen Blog lesen, teilen, kritisieren, usw., und ihn somit zu einem Medium der entstehenden Kollapsbewegung gemacht haben; zweitens, und hier wirklich ganz zentral und hervorgehoben, an diejenigen von Euch, die willens und in der Lage sind, mich über diesen Blog ökonomisch zu unterstützen. Klar krieg ich auch Einkommen über Lesungen und Veranstaltungen, aber, nur um das kurz zu illustrieren, zwischen Anfang Juli und Mitte September hatte ich 2,5 Monate ohne bezahlte Events, das wären 2,5 Monate ohne Geld, wenn es Euch nicht gäbe. Ohne dieses aktivistische Grundeinkommen, das Ihr mir zusammen finanziert, wäre ich nicht in der Lage gewesen, spätestens seit März '25 im Grunde Vollzeit plus am Kollapscamp zu arbeiten. Insofern ich eine der Personen war, die das Kollapscamp ermöglicht haben, habt auch ihr das Kollapscamp ermöglicht. Dafür bin ich Euch wahnsinnig dankbar, weil seit meiner Dissertation (2002 – 2006) kein Projekt mehr so viel von mir gefordert hat, und weil ich noch nie in meinem Leben so viel von mir in ein Projekt gesteckt habe. Ohne Euch hätte ich halt woanders anschaffen müssen, evtl bei ner NGO o.ä., und wir haben ja am Ende meines letzten Jobs gesehen, wo das hinführt, wenn ich für Verdrängungsstrukturen arbeite: everybody ends up very unhappy. Mit Eurem Support kann ich mich vollkommen der Arbeit für die Sache, für die Kollapsbewegung, für queerglitzernden Antifaschismus, und für das gute Leben widmen. Was für ein wahnsinniges Privileg – Ihr seid meine Held*innen :)
Ohne Mampf kein Kampf, oder: die übliche Bitte
Hierzu noch ein letzter, leider wichtiger Punkt: in den vergangenen Monaten hat mein Blog zwar an Sichtbarkeit gewonnen – über 2000 Menschen haben ihn mittlerweile abonniert – aber einige zahlende Unterstützer*innen verloren, mit manchen von denen bin ich noch in Kontakt. Einer sagte mir sehr freundlich, aber bestimmt, dass ich seiner Meinung nach zur Spaltung der Gesellschaft beitragen würde; ein anderer nahm mir übel, dass dieser Blog – obwohl sehr kritisch gegenüber manchen eher dumpfen Formen linksradikalen Antimilitarismus (Opens in a new window)' – natürlich solidarisch mit den Genoss*innen vom Rheinmetall Entwaffnen-Camp (Opens in a new window)ist, wenn die Cops dieses mit fadenscheinigen Begründungen verbieten wollen. Wieder andere fühlten sich von meinen Kritiken linker und grüner Verdrängungsdiskurse persönlich angegriffen, etc., etc...
The Upshot: ich hab in den vergangenen Monaten einen durchaus empfindlichen Teil meiner Förder*innenbasis verloren, und gleichzeitig Hunderte neue Leser*innen gewonnen. Vielleicht finden sich ja unter diesen neuen Leser*innen ein oder zwei oder drei, die sich auf diesen Deal einlassen wollen: Ihr abonniert meinen Blog für 5 (Freund*in), 10 (Freund*in plus), oder gar 20 (Feundin Doppelplusgut) Euro im Monat, und damit “bezahlt” Ihr nicht nur diese wöchentlichen Texte, sondern finanziert meinen ganzen Aktivismus – von meinen täglichen “KlimaUm9”-Videos in den sozialen Medien, bis hin zur Organizing- und Recherchearbeit, die ich im Rahmen der und für die “Kollapsbewegung” mache. (Und manchmal meinen Anwalt, wenn mir der deutsche Bundeskanzler mal wieder eine belästigende Anzeige wegen angeblicher Beleidigung an den Hals wirft (Opens in a new window)). Also: ich verhunger zur Zeit nicht, es brennt noch nicht, aber die langsam sinkenden Zahlen von Unterstützer*innen machen mir natürlich mittelfristig ein bisschen Sorgen. Danke, wenn es für Euch möglich ist, mich auf diesem Weg zu supporten.
_________________________________________________________________________
Ich finanziere meine politische Arbeit vor allem über diesen Blog, und wäre dankbar für Deine Unterstützung
_________________________________________________________________________
The tyranny of leaderlessness...
...ist der grandiose Titel eines noch grandioseren Texts, den Scully / Cindy Peter auf ihrem Blog “Disrupt” (Opens in a new window) (ABOEMPFEHLUNG!) im Nachgang des Camps geschrieben hat, in dem es auch immer wieder Kritiken an der oft von uns gemeinsam und in extrem enger Absprache ausgeübten “leadership” im Orgaprozess gab. Ich zitier mal ein paar Sätze aus diesem wirklich wichtigen Text, den Ihr auf jeden Fall lesen solltet. Es geht u.a. um die Fragen: Wie funktioniert "Leadership" in linken Bewegungen? Was machen wir mit Menschen, die Verantwortung übernehmen, und bewusst leadership ausüben? Und ist die Tatsache, dass wir dafür überhaupt kein eigenes Vokabular haben, vielleicht ein Symptom dafür, dass wir hier ein Problem haben?
Scullys Grundthese: eines unserer Hauptprobleme re: “leadership” ist, dass wir mit denjenigen, die versuchen, aktiv diese Verantwortung zu übernehmen, so schlecht umgehen – ganz konkret versuchen wir oft, sie zu “shamen”, um sie zu kontrollieren – dass am Ende vor allem die Angst dominiert, etwas “falsch zu machen”.
Scully: "Ich übe leadership aus, ich habe nicht vor, das aufzugeben, weil ich liebe, was ich tue, verdammt nochmal gut darin bin und ihr mich darin ausgebildet habt. (Opens in a new window)Ich halte es grundsätzlich für wichtig, dass wir Menschen in leadership – Funktionen haben und ich will und werde es nicht zulassen, dass aufgezwungene Scham und ggf. persönliche Angriffe mich in meiner politischen Arbeit einschränken, weil ich Angst habe, von meinen eigenen Strukturen und Verbündeten angegriffen und ausgeschlossen zu werden. Und was ich hier aus meiner Perspektive schildere, trifft auf viele andere gleichermaßen zu, mit denen ich zusammenarbeite und/oder über dieses Thema rede.
Reden wir nicht offen über leader und akzeptieren sie als natürlichen Teil unserer Strukturen, lähmen wir uns und, noch schlimmer wir verlieren einige unserer klügsten, engagiertesten Köpfe & verhindern das Wachsen von Menschen, die neu in unsere Bewegungen kommen (wollen).
Wieso sollten Menschen Verantwortung übernehmen wollen, sich Aufgaben stellen, die sie herausfordern, wenn sie sehen, wie mit denen umgegangen wird, die das vor ihnen getan haben. Hier trifft der Umgang mit leadern" auch noch auf eine schlechte linke Fehlerkultur."
Lest den Text, der ist wichtig! Mich zumindest spricht er auch stark an, weil ich das Gefühl habe... wait: weil ich megastolz auf mich bin, wie ich es geschafft habe, innerhalb von drei Jahren mein Leben von totalem Chaos auf (leicht manischen, but hey) Hyperfokus auf die Kollapsbewegung umzubauen, weil ich alles von mir in dieses Camp investiert habe... und nicht einmal das Vokabular habe, um auszudrücken, wie sich das anfühlt – aus der Sorge heraus, es würde mir wieder mal als Ausdruck meines galaktischen Egos ausgelegt. Und während ich eigentlich die ganze Zeit (die ich nicht erschöpft bin) euphorisch durch die Gegend hüpfen möchte (bevor es dann im Oktober in die kritische Auswertung geht), vermitteln mir manche meiner linksradikalen und Klimagenoss*innen das Gefühl, ich sollte ein bisschen mehr Cersei Lannister auf ihrem walk of shame performen. Ich teile also Scully Analyse hier explizit: radical left movements destroy leadership by attempting to shame it, und auf Versuche, mich zu shamen, reagiere ich wie viele schwule Menschen nicht besonders positiv.
Zum Abschluss des Themas noch ein Zitat von meinem schwedischen Kollapspolitikyoda Pär Plüschke: "Wenn Alle Ihr Licht unter den Scheffel stellen, dann wird's ziemlich schnell ziemlich dunkel."
Dabei belasse ich's für heute mal, am Donnerstag gibt's dann wieder was substanzielleres, hoffentlich zusammen mit Scully verfasst – watch this space. Und dann die o.g. Pause, auf die ich mich sehr freue.
Mit glücklich-erschöpften Grüßen,
Euer Tadzio