HEAVEN SHALL BURN - Immer noch keine gute Laune.

Fünf Jahre sind seit dem letzten-Album „Truth & Sacrifice“ vergangen. Nicht nur hat sich gesellschaftspolitisch in dieser Zeit einiges getan, auch die Musikwelt hat sich weitergedreht. HSB bescheren uns dieser Tage aber mit „Heimat“ ein für sie urtypisches Album voller packender Melodien und Themen. Wir sprechen darüber mit Gitarrist Maik Weichert.

Foto: Karo Schäfer / @cateyephotography
Ich würde gerne eingangs wissen, ob sich dein Begriff von Heimat über die Jahre verändert hat?
Also der hat sich eigentlich gar nicht so sehr verändert, dadurch dass ich schon in relativ jungen Jahren in der Hardcore- und Metal-Szene unterwegs war, zuerst noch als Fan. Da hat schon früh so eine gewisse Internationalisierung eingesetzt, während ich noch mitten im Sozialisierungsprozess war. Also jetzt mal hochgestochen ausgedrückt. Und wenn man da als 15-, 16-Jähriger öfter mit Leuten aus dem In- und Ausland zu tun hat oder auch mal die ersten BAföG-Überweisungen verfliegt, statt sie in die Mensa zu tragen, dann hat man schon in sehr, sehr jungen Jahren viel von der Welt gesehen. Damals gab es ja noch keine Flugscham. Allerdings gab es auch noch keine Billigfluglinien. Das kostete wirklich immer gutes Geld. Aber es hatte deshalb auch einen bestimmten Wert, irgendwo hinzureisen, irgendwo hinzufliegen. Das hat meinen Heimat-Begriff von Anfang an geprägt. Es gibt diesen Aphorismus, der sagt, dass man die Heimat erst aus der Ferne erkennt und zu schätzen lernt. Ich habe viel über Deutschland nachgedacht und darüber, wo ich herkomme, auch über die DDR. Wobei es die Sichtweise formt, wenn man Dinge im Ausland oder in ganz anderen Kulturkreisen erlebt und andere Menschen getroffen hat, mit denen man darüber gesprochen hat oder von denen man Fragen gestellt bekommen hat. Zum Beispiel wenn mich Leute besuchen, Freunde, Bekannte, Verwandte, andere Bands aus dem Ausland, wollen die ganz oft hier in der Nähe von Weimar ins KZ Buchenwald. Die meisten interessanten Fragen über dieses KZ habe ich von Leuten aus dem Ausland gestellt bekommen. Gar nicht so von Leuten, für die „selbstverständlich“ ist, dass da oben dieser Glockenturm steht und da ein KZ war. Da sind so viele Sachen, über die man sich hier gar keine Gedanken macht. Also so ein Blick, so Einflüsse von außen, die haben meinen Heimatbegriff – ich weiß nicht, ob das ein gesundes Wort ist – besonders geprägt und du merkst schon bei der Beantwortung der Frage, das ist auch ein Wort, um das man als Deutscher so herumtanzt, weil es schon Halskratzen verursacht, gerade in solchen Blasen, in denen ich mich aufhalte, dieses linksgrünversiffte Milieu. Aber genau darauf wollten wir hinaus. Weil ich glaube, es schadet niemandem, wenn er sich das mal klarmacht, was für ihn Heimat bedeutet. Und wenn der- oder diejenige zu dem Schluss kommt: Heimat ist für mich die Milchstraße. Also von mir aus, wenn man das ganz universell sehen will ... Jemand anderes sagt vielleicht: Heimat ist für mich mein Hauseingang. Die Leute, die da wohnen, die Oma, die für mich das Paket annimmt. Die Tante, mit der ich feiern gehe, unten rechts. Das kann jeder für sich so definieren. Ich glaube nämlich nicht, dass es gesund ist, gerade für Linksorientierte wie mich, wenn man das Thema komplett vermeidet und ausblendet. Das schadet auch der eigenen Verortung und damit dem Kampf gegen Leute, die diesen Begriff missbrauchen.
Wer HSB-Merch kauft, der muss wissen, dass das Geld in linke Strukturen fließt. Wenn man das als Fascho unterstützen will, bitte sehr.
Da würde ich gerne anknüpfen wollen. Ihr habt einige Stücke, die würde ich jetzt mal allgemein Empowerment-Songs nennen. Also allen voran natürlich „Endzeit“ mit dem Vers „I am the final resistance“. So was könnte auch wieder von der falschen Seite verwendet werden, weil die Texte oftmals recht allgemein gehalten sind. Ist das euch schon mal passiert, dass plötzlich irgendein AfD-Kandidat bei „Endzeit“ auf die Bühne kommen wollte?
Also ein AfD-Kandidat noch nicht, aber das passiert trotzdem ständig. Schon weil es wirklich in der harten rechten Szene auch ein Angebot an guten Bands fehlt. Die sind daher gezwungen, sozusagen „normale Bands“ zu hören, weil es im Bereich Rechtsrock, NS- oder Black Metal nicht viel gibt, was rein musikalisch Qualität hat. Dieser revolutionäre Habitus, den wir in unseren Texten haben, der wirkt natürlich unheimlich anziehend. Da hast du schon ein ganz gutes Gespür, gerade dieses „final resistance“ und so weiter. Ich bekomme ständig Fotos von irgendwelchen Leuten von hier geschickt, wo es heißt: Der und der bekannte Fascho, der hat wieder ein HSB-T-Shirt an. Das kommt leider oft vor und deswegen haben wir schon vor vielen Jahren klargestellt: Wer HSB-Merch kauft, der muss wissen, dass das Geld in linke Strukturen fließt. Wenn man das als Fascho unterstützen will, bitte sehr. Da ist doch eine kognitive Dissonanz bei diesen Leuten: „... ich finde die Musik geil und die Texte sind eigentlich genau das, was ich fühle, aber die meinen nicht das, was ich höre.“ Dann kommen sie einem natürlich mit der Hufeisentheorie: Wir sind doch alle gegen das System. Ihr seid so links, ihr kommt fast rechts raus. Diese Hufeisentheorie ist absolut inakzeptabel, die ist ja mal entwickelt worden, um auch die linken Kreise in die rechte Bewegung zu integrieren, irgendwann nach der Weimarer Republik. Ich kriege wirklich Pickel, wenn ich das höre. Frei nach Forrest Gump: „Dumm ist, wer Dummes tut.“ Aber es sollten noch viel mehr Faschos Zeckenmusik hören. Daran kann ich eigentlich nichts Schlechtes finden. Insofern habe ich keine Bedenken, dass da irgendwie was gecapturet wird oder so, sondern das ist eher so ein trojanisches Pferd. Und es freut mich, dass unsere Qualität, unser Verständnis und das Angebot, das wir machen, offenbar so krass sind, dass selbst Faschos nicht widerstehen können. Aber natürlich, gute Laune bereitet mir das nicht.
Ich würde gerne über den ersten Track sprechen, „War is the father of it all“. Beim Hören dachte ich zuerst, ich hätte jetzt DIMMU BORGIR aufgelegt. Dann biegt das relativ schnell ab und klingt stark nach MACHINE HEAD. Irgendwann wird es zu einem typischen HEAVEN SHALL BURN-Lied, ohne aber die genannten Elemente zu verlieren. In seiner Opulenz ist das der herausstechende Track aus meiner Sicht. Kannst du mir etwas zur Entstehung dieses Lieds was erzählen?
Wie dieses Lied entstanden ist, ist eigentlich völlig anachronistisch und komplett irre. Allein schon diese diese Chor-Arrangements, die da drin sind. .. Also heute würden irgendwelche 16-Jährigen eher in ihrem Zimmer am Schreibtisch sitzen und mit der KI diese Chöre generieren. Wir sind dafür wirklich nach Wien in ein renommiertes Studio, gegangen, in dem schon der „Interstellar“-Soundtrack entstanden ist. Da haben wir das mit Wilhelm Keitel und einem ukrainischen Chor aufgenommen, was dem Ganzen, bei der Thematik des Songs, auch noch einen speziellen Vibe verleiht. Als sie das erste Mal die Lyrics bekommen und das gesungen haben, das war schon wirklich krass. Auch sich mit einigen über das Schicksal ihrer Familien im Krieg zu unterhalten, das war total intensiv. Aber durch so was bekommt eine Platte auch für einen selbst eine Geschichte. Mehr als wenn ich das in der Software zusammenbastle. Wir haben wirklich irre viel Geld ausgegeben nur für diesen einen Track. Ich glaube, bei „A silent guard“ kommt der Chor noch mal ganz kurz vor. Wir wollten uns eben nicht limitieren, sondern es einfach so machen wie in der guten alten Zeit und alles, was wir geil finden, hier zusammenzubringen. Und was MACHINE HEAD betrifft, solche Riffs höre ich bei ihnen in letzter Zeit leider nicht mehr so oft. Inzwischen ist ja Rob Flynn, ihr Frontmann, eher davon beseelt, den nächsten Radio-Hit zu schreiben. Das ist auch gut, aber es ist ein bisschen was anderes. Und deswegen haben wir das mit einem Augenzwinkern natürlich so gemacht, dass man das auch erkennt. Das ist jetzt nicht irgendwie versteckt geklaut, sondern war bewusst als Hommage gedacht, weil besser kann man In-die-Fresse-Riffs nicht spielen, als das Rob Flynn damals gemacht hat. Gerade dieses Gefiepse und Geziepse. Da gibt es noch andere Bands, die uns sehr beeinflusst haben, wie etwa früher DISEMBODIED. Wer genau hinhört, der erkennt vielleicht auch den einen oder anderen SNAPCASE-Lauf in dem Song. Da haben wir wirklich alles eingebaut, was wir cool fanden. Und es freut mich, dass du das als unseren opulentesten Track wahrnimmst, weil dann hast du den Vibe auch echt aufgenommen. „The father of it all“ sticht schon sehr raus, von der Machart, von der Geschichte des Tracks her. Dass das am Ende auch rüberkommt, das freut mich.

Foto: Karo Schäfer / @cateyephotography
Da ist noch ein weiterer Song, über den ich mit dir sprechen möchte, „Those left behind“. Der hat für mich ein sehr oldschooliges HEAVEN SHALL BURN-Feeling, vielleicht auch durch den gesprochenen Part im zweiten Drittel. Der hätte auch auf „Antigone“ oder „Deaf To Our Prayers“ gepasst.
Das war mir gar nicht so bewusst, aber da würde ich dir recht geben. Das liegt vielleicht an der Attitude, mit der ich an den rangegangen bin. Mittlerweile ist es so, man merkt es jetzt auch in dem Interview, dass ich zu vielen Themen wahnsinnig elaboriertes Zeug labere und politische komplexe Überlegungen dahinter stehen, um das zu beschreiben, was wir irgendwie versuchen rüberzubringen. Aber der Song behandelt eine Thematik, die bei mir wirklich eine reine, einfache und ehrliche Wut erzeugt, wie ich sie früher hatte. Als ich als 18, 19-Jähriger gedacht habe, ich verstehe, wie die Welt funktioniert, und alles doch ganz einfach sei. Wieso sieht es das niemand? Solche einfachen Wutgefühle, die total reinigend und inspirierend sind, als Erwachsener noch zu spüren, das ist eine wahnsinnige Gabe. Das habe ich versucht, in dem Song zu vermitteln. In „Those left behind“ geht es um diese zurückgelassenen Ortskräfte in Afghanistan. Also Menschen, denen man Hilfe und eine bessere Zukunft für ihr Land versprochen hat. Wenn sie nur Hand in Hand mit der Bundeswehr zusammenarbeiten und ihr Leben dabei riskieren. Die Menschen haben ehrlich daran geglaubt, haben sich den Arsch aufgerissen und wurden dann einfach wegen einer politischen Sesselfurzer-Entscheidung im Stich gelassen. Einige der Ortskräfte und ihre Familien haben dafür schon mit dem Leben bezahlt. Das macht mich total wütend, diese westliche Nation-Building-Arroganz, die da durchschimmert. Immer nur das Endprodukt solcher Entwicklungen, nämlich die Geflüchteten als Problem zu bearbeiten und gar nicht an den Ursachen anzusetzen. Menschen, die da ehrlich was dran verändern und den richtigen Weg gehen wollen, um Fluchtursachen zu bekämpfen, werden einfach verraten. Also anders kann man das gar nicht ausdrücken. Das ist einfach eine komplette Schande für unsere westliche Welt. Das war so eine Wut, wie ich sie auch damals gespürt habe, als ich das erste Mal über Tierrechte nachgedacht habe oder darüber, was man gegen Faschos machen kan. Das ist so eine ehrliche Wut, die überhaupt nicht abwägt, sondern ganz klar ein Ergebnis hat. Weil es so ein deutliches Unrecht ist, dass es gar keine Relativierung geben kann.
Ist das für dich dann auch der Song, der dir in Sachen Text und Geschichte dahinter auf dem neuen Album am meisten bedeutet?
Es gibt ein paar Texte, die liegen mir rein von der Story her noch mehr am Herzen. „Ten days in may“ zum Beispiel. Da geht es um einen Volksaufstand in Korea, in den 1980er Jahren. Eine Ecke der Welt und politische Entwicklungen, die man sonst gar nicht so auf dem Schirm hat. Es lohnt sich wirklich, sich mal damit zu beschäftigen, dass Südkorea bis weit in die 1980er rein noch eine finstere Militärdiktatur war. Oder auch „A whisper from above“, ein Song über eine wahnsinnig beeindruckende polnische Frau, die viele Juden versteckt und gerettet hat. Es ist mir ein Rätsel, warum es darüber noch keinen Hollywoodfilm gibt. Das sind so Sachen, die mich bei der Recherche für die Lyrics noch extrem beeindruckt haben. Bei denen ich auch denke, dass mir damit rein textlich ein kleines Kunstwerk gelungen ist. „Those left behind“ hingegen kommt straight auf den Punkt, mit wenig Metaphern, eher so im Hardcore-Stil. Bei den anderen versuche ich, eher so ein bisschen den Schmalspur-Heinrich Heine zu geben.
Manuel Stein