“Es fehlt in Institutionen die Aufklärung und der Blick für Neurodivergenz und psych. Erkrankungen.” - Recovery Interview Nr.24 mit Olesja
Hallo ihr lieben, in dieser Beitragsreihe stelle ich Betroffenen und Angehörigen von psychischen Erkrankungen ein paar Interview-Fragen, wie sie mit den Erkrankungen umgehen, was ihnen hilft und gebe ihnen eine Stimme. Ich bin anna, Selbstbetroffene und freiberufliche Autorin und beschäftige mich mit mentalen Themen. Besonders Recovery, der Weg zur Genesung, Entstigmatisierung und das Meistern des Alltags mit psychischen oder chronischen Erkrankungen, finde ich wichtig. Und zu erkennen: Du bist nicht allein! Diese Reihe ist for free und als Ergänzung zu meinen üblichen Content zu sehen. Ich denke wir können alle viel auch von anderen lernen und mitnehmen.
Wer möchte, kann sich die Interview-Vorlage am Ende des Interviews hier ausfüllen. (Opens in a new window)
Heute habe ich Olesja im Interview.
Wer bist Du, wo kommst Du her und wie alt bist Du? Wenn Du magst, gebe deine Pronomen an. Und wenn ihr mehrere seid (bezieht sich auf multiple Persönlichkeiten), dann das natürlich auch.
Ich bin 37 Jahre alt und komme aus der Region Hannover. Ich lebe in einer Doppelhaushälfte in einem kleinen Dorf mit Hund und Familie. Ganz idyllisch, könnte man meinen... :)
Was ist deine Behinderung/Erkrankung?
Ich habe seit 2023 meine Diagnosen ADHS, PTBS, wiederkehrende Depressionen mit Angststörung und Verdacht auf Autismus. Die Diagnostik zu letzterem habe ich im August 2025.
Würdest Du Deine Erkrankung gerne sichtbar oder unsichtbar machen?
Ich habe mir darüber viele Gedanken gemacht, die letzten Monate. Ich bin der Meinung, dass meine Behinderungen nicht unsichtbar sind. Ich habe Probleme, die zu einem Leidensdruck und zu Auffälligkeiten in meinem alltäglichen Leben führen. Erst dieser Leidensdruck macht es mir schwer und er entsteht dadurch, dass ich durch Ignoranz und Unglaube im Alltag behindert werde.
Was machst Du beruflich oder wie gestaltest Du deinen Alltag?
Ich bin seit 2024 Alltagsbetreuung & Pflegeberatung nach §45a SGB XI. Ich habe mich aus der Arbeitslosigkeit gekämpft und durfte einen Beruf wählen für den ich brenne und der zu 100% auch ICH sein darf - ohne Maske. Ich darf als Peerberaterin Menschen begleiten, die vor ähnlichen Problemen stehen, wie ich.
Wie geht es Dir zur Zeit und was beschäftigt Dich?
Seit dem 15.5.25 zerbreche ich täglich ganz langsam innerlich. Denn nach einem psych. Gutachten zu meiner Erziehungsfähigkeit habe ich das Sorgerecht für meine 3 Kinder verloren. Die letzten Monate waren geprägt von Gewalt und Übergriffigkeit von Seiten des Jugendamts. Es geht nun weiter und ich versuche viel Hoffnung in den neuen Anwalt zu legen und den Glauben an ein gutes Ende im Sinne meiner Kinder nicht zu verlieren. Mehr Infos und Unterstützung unter: https://www.openpetition.de/petition/online/gegen-machtmissbrauch-im-deutschen-jugendamt-fuer-gerechtigkeit-die-unserer-kinder (Opens in a new window)
Was machst Du gerne in deiner Freizeit, hast Du spezielle Interessen?
Mein Spezialinteresse sind das Sozialverhalten und Psychologie. Ich habe mir viel autodidaktisch erlernt. Außerdem liebe ich es, mit meinen Händen zu arbeiten, um meine Gedanken zu sortieren. Ich verarbeite Holz, sticke gerne und male. Meine Liebe zum nordischen Glauben hat mein Mann entfacht und ich liebe es gewandet mit ihm auf Festivals oder Mittelaltermärkten zu schlendern.
Was bedeutet für Dich Recovery? Und wo würdest Du sagen, stehst Du zur Zeit?
Das erste Mal bewusst gespürt, was Leben bedeutet, habe ich 2022. Nach meiner Trennung von meinem Exmann und als ich dann meinen zweiten Mann kennenlernte. Die Zeit bis zum 10/24 war geprägt von schönen Momenten und Genuss - Lebensfreude. Marmeladenglasmomente von denen ich nun zehren kann. Eine Zeit in der ich aktiv gelernt habe, die schönen Dinge zu sehen, auch an dunklen Tagen. Eine Zeit in der ich mir ein "Dorf" aufbauen durfte, eine Community, die mich heute in der dunklen Zeit mit trägt. Darum geht es meiner Meinung nach - sich ein Umfeld zu schaffen, dass für mich "artgerecht" ist und wo ich sein darf wie ich bin. Dann fühlen sich auch schwere Zeiten nicht ganz so düster an bzw. Lichten sich wieder schneller.
Was ist für dich ein gutes Helfernetzwerk? Welcher Mensch unterstützt dich zurzeit am meisten und wem würdest du gerne mal „danke“ sagen?
Ich danke allen Menschen, die mich supporten. In erster Linie mein Mann, von dem ich bedingungslose Liebe lernen durfte. Meinen Kindern, die mir immer gerne ein Spiegel sind. Auch all meinen Klienten und den starken Frauen, mit denen ich mich die letzten Monate unterhalten durfte, sie begleiten durfte. Und meinem Netzwerk auch Fachkräften, die mich nie fehl am Platze fühlen lassen, sondern - im Gegenteil - meine Meinung und Sichtweise wertschätzen. Danke dafür!
Zu welchem mentalen Thema fehlt Aufklärungsarbeit in der Gesellschaft?
Es fehlt in Institutionen die Aufklärung und der Blick für Neurodivergenz und psych. Erkrankungen. Jeder Recovery Prozess ist wenig hilfreich, wenn er im Außen als Gefahr wahrgenommen wird.
Wenn Du Skills nutzt: Was sind deine Lieblinge?
Ein Dankbarkeitstagebuch oder ein Marmeladenglasmomente-Glas. Die schönen Dinge im Leben sichtbar und sich bewusst machen!
Notfalltasche: Was muss bei Dir immer mit?
Center Schocks, Eisbonbons und immer ein Stimmingtoy, dass meine Kinder noch nicht kennen. :)
Dein Lebenstraum oder größere Ziele, gibt es da etwas, das Du erzählen möchtest?
Ich wünsche mir ein Teil sein zu dürfen, der unsere Gesellschaft ein Stück offener und verständnisvoller macht. Im Kleinen oder im Großen. Jeden Tag trete ich ein Stück mehr heraus aus meiner Komfortzone, weil ich fest daran glaube, dass meine Werte und meine Haltung als Vorbild für viele Menschen großes bewirken kann.
An welchen Orten fühlst Du Dich sicher?
Bei meiner Familie und Menschen, die mich lieben so wie ich bin. Bei denen ich mich nie erklären muss.
Was würdest Du Betroffenen (von psychischen Erkrankungen) gerne sagen?
Gebt niemals auf!
"Sie unterschätzen, wie resilient wir sind!" - Zitat von Jason von den Wochenendrebellen beim Autismusfachtag in Halle am 10.5.25
Was würdest Du Nicht-Betroffenen gerne sagen?
Empathie ist keine Einbahnstraße! Verständnis kann man nicht immer nur einseitig erwarten. Das Leben besteht immer aus Nehmen und Geben. Alles andere ist eine toxische Beziehung.
Was ist dein Mantra oder Spruch, der Dir Kraft gibt?
Es gibt viele... Einen lest ihr oben und einer hallt ebenfalls seit einigen Wochen in mir nach: "Ich habe mich aktiv dagegen entschieden Täter zu sein!" Das tun kaum Menschen, denn für viele bedeutet das, dass man Opfer wird/ist. Aber man kann sich nicht entscheiden Opfer zu sein. Opfer wird man ohne gefragt zu werden, das kann niemand beeinflussen. Ob man Täter ist oder wird jedoch schon! Jeden Tag kann man diese Entscheidung neu treffen.
Wo kann man Dich finden?
www.astliebe.net (Opens in a new window)
Insta: @_ast.liebe_
Anmerkung Foto: von Kim Hoss
Vielen Dank für deine Zeit und alles Gute für deinen weiteren Weg!
Wer möchte, kann sich die Interview-Vorlage am Ende des Interviews hier ausfüllen. (Opens in a new window)Vielleicht erscheint dein Interview dann auch bald hier.