Skip to main content

Flop-Sommer

Wir befinden uns mitten im Flop-Sommer 2025. Kein Brat-Sommer diesmal, auch kein Lorde-Summer (auch, wenn es sich manche gewünscht hätten). Einfach Flop-Sommer.

Ich fühls nicht. Nicht den Vibe, nicht die Outfits, nicht die Popkultur.

Ich bin nicht depressiv, eher ernüchtert. Gelangweilt. Es gibt kein einziges Buch, das mich diesen Sommer begeistert. Ich schlage eines auf, und lege es nach dreißig Seiten wieder weg. Namhafte Autorinnen, weniger namhafte. Berührt mich alles nicht.

Hören kann ich gerade nur Donny Hathaway († 13. Januar 1979, New York). A Song For You, bevorzugt.

Woran liegt das?

Habe ich den Zugang zu meinem Innersten verloren? Oder bin ich so stabil, dass mich der schlechtaufgearbeitete pain anderer nicht mehr so leicht catcht? Weil ich da schon durch bin, weil mich wenig intellektuell überrascht? So ist das, mit dem Älterwerden. Die Ansprüche steigen und steigen und steigen, und die Umgebung und die Kulturindustrie ziehen nicht mit.

Merkt man auch super an der 3. Staffel von And Just Like That, die wie ein sehr langer Autounfall an mir vorbeizieht, während ich in meiner Leo-Pants Naturwein auf der Couch schlürfe.

Herrgottnochmal, es sollte doch emanzipierend wirken, Frauen beim Altern zuzusehen? Stattdessen bekommen wir eine Carrie Bradshaw, die mich an meine Mutter erinnert. 

Neurotisch, vollkommen unsympathisch, und ja, stellenweise sogar toxisch. Wie sie Miranda behandelt! Miranda, ihre beste Freundin von drei Dekaden, die gerade eine Wohnung sucht – während die liebe Carrie Bradshaw mit dem Erbe aus ihrer toxischen Ehe in einem leeren 200 qm²-Haus mitten in Manhattan hockt. Statt sich darüber zu freuen, dass ihre beste Freundin für eine Weile einzieht, lässt sie den Cop raushängen.

„WIE DU HAST MEINE LETZTE COLA GETRUNKEN?“

„Und die Banane auch noch, ja?“

Es ist zum Schreien.  

Vielleicht ist Carrie Bradshaw aber gar nicht so schlecht geschrieben, wie wir denken – sondern spiegelt nur realistisch ein durchschnittlich-unreflektiertes, privilegiertes Exemplar einer Boomer-Frau wider?

Eine Frau, die echte Intimität zwischen Freundinnen nicht mehr aushält. Eine Frau, die zwar so tut, als sei sie großzügig – aber bei der kleinsten Verletzung ihres Spaces ausflippt, als hätte jemand ihr gesamtes Werk auf substack plagiiert (kleiner Skandal am Rande (Opens in a new window)).

Eine Frau, die nichts von ihren Privilegien und nichts von ihrem Reichtum abgeben möchte. Was Carrie Bradshaw wohl zum Boomer-Soli sagen würde (taz (Opens in a new window))?

Auf Social Media wünschen sich viele die „arme“ Carrie Bradshaw zurück (wir erinnern uns: mietpreisgebundene 1,5-Zimmer-Wohnung). Manche sagen, Carrie hätte nach Big Tods alles Geld verlieren müssen, um relatable zu bleiben. Denn mit dem vielen Geld hat Carrie … leider nicht so viel zu erzählen. Die Arbeit an ihrem historischen Buch wirkt auf mich als Autorin wie eine Beschäftigungstherapie, die maximal eine Stunde pro Tag einnimmt.

Carrie engagiert sich nicht sozial. Sie ist gemein zu ihren Freundinnen. Und sogar Aidan wirkt in Staffel 3 im Vergleich zu Carrie halbwegs bei Sinnen. Dass die Beziehung zwischen den beiden ziemlich kindisch und toxisch ist, muss ich nicht extra erwähnen.

I mean, welche emanzipierte Frau lässt sich mit knapp 60 auf einen 5-Jahres-Break ein?

Welche Frau denkt sich: „Jopp. Mit 66, da fängt das Leben an! Da kann ich ruhig noch fünf Jahre alleine in meinem Riesenhaus wohnen und meine High-Heels nach Farben sortieren.“

Es ist so traurig, dass sich Carrie nicht weiterentwickelt hat. Dass sie WIEDER auf einen Mann wartet. Dass sie keine Hilfe in der Nachbarschaft anbietet, dass sie sich nicht politisch engagiert, dass sie nie auf die Kinder ihrer Freundinnen aufpasst. Dass sie 25 Jahre später keine bessere – oder zumindest sozialere – Version ihrer selbst ist – sondern eine schlechtere. Eine unausstehliche, um ganz ehrlich zu sein.

Und nein, meine Kritik ist nicht misogyn – sie richtet sich nicht gegen Carrie als Frau, sondern gegen ihre soziale Bubble. Es ist nicht (bloß) das Frausein, das hier enttäuscht, sondern die Tatsache, dass sie sich nie über ihre privilegierte Klasse hinausentwickelt hat. Dabei könnte genau das ihr Leben – und ihren Charakter – so viel interessanter machen.

Carrie brings nothing to the table. Dass sie Miranda und Charlotte überhaupt noch in ihrem Leben hat, erinnert mich eher an verwandtschaftliche Pflichtbeziehungen, als an chosen family.

Wenn Miranda sie auf ihre seltsame Beziehung mit Aidan anspricht, wird sie passiv-aggressiv. Und Miranda? Miranda beschwichtigt, zieht sich vorsichtig zurück – was eigentlich überhaupt nicht ihre Art ist.

Truth be told, als SatC-Ultra hätte ich 2025 echt gerne etwas anderes gesehen als die schamlose Darstellung von Reichtum und transaktionalen Beziehungen. Community-Building ü60 ohne Männer, zum Beispiel. Groß genug wäre das Haus jedenfalls. Leider leben wir immer noch im Spätkapitalismus, wo Community-Building und Co-Living als kommunistische Dystopien abgestempelt werden.

Dann doch lieber alleine seine Cola trinken und dabei einsam verrecken! 

* * *

Ich hoffe sehr, dass ich mich in 25 Jahren noch wiedererkenne. Dass ich großzügiger werde, nicht kleinlicher. Dass ich in einem Riesenhaus irgendwo am Meer wohne, und alle meine Freunde samt ihren Kindern gerne regelmäßig eine Weile bei uns wohnen. Dass wir zusammen kochen, und jeder so viele Getränke aus dem Kühlschrank nimmt, wie er möchte – ohne sie auf einer Strichliste aufzuschreiben.

Art-Hack

Was ich sonst so diesen Sommer gemacht habe? Nicht viel, aber immerhin das: ich habe neue Kunst für meine Wände gebastelt. Und zwar habe ich mir dafür ein Fotobuch von David Shrigley im Abverkauf (25 €) gekauft, und Rahmen bestellt.

Danach habe ich meine liebsten Bilder rausgerissen und gerahmt. Et voila. Affordable art für 12 Euro das Stück. 

Außerdem habe ich einen ziemlich starken take über Gatekeeping in Freundschaften (Opens in a new window) auf substack publiziert.

Gatekeeping, especially emotional gatekeeping, creates tiers. You might be “the fun friend,” the “when-I-cheated-on-my-partner” confidante, or the “great in small doses” companion – but you’re not core. And you’re sure es hell not family. And they’ll remind you of that without saying a single fucking word.

Die nächste Mail erreicht euch übrigens schon in 3 Tagen, nicht wundern. Da kommt mein neues YouTube-Video (Opens in a new window) raus. Arbeits-Titel: „Wir brauchen Hobbys ohne Druck!“

Ja, der vielleicht größte mediale Change dieses Jahr ist, dass ich mich tatsächlich an YouTube rantraue. Es ist übrigens genauso viel Arbeit, wie ich immer dachte. Und sogar mehr. Ich hoffe, man merkt das am Output.

Also: Falls ihr noch kein steady-Abo (Opens in a new window) habt, das mein Konto über Wasser hält, könnt ihr mich auch via Ko-Fi (Opens in a new window) (PayPal) unterstützen und zwischendurch Danke sagen. Wie ihr wisst: Kulturförderung ist das Jahr sehr mau und ich freu mich über jeden Support wo möglich. <3

In dem Sinne: Frohes Nichtstun im Flop-Sommer!

Eure Bixe Jankovska

 

0 comments

Would you like to be the first to write a comment?
Become a member of Groschenphilosophin and start the conversation.
Become a member