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Konflikt um die RM16 in Dresden: Autoritäre Antiautoritäre

Linke, die ein linkes Hausprojekt besetzen? Und den Auszug von drei Menschen fordern? Spätestens die mit Pyrotechnik und Bannern inszenierte Besetzung der RM16 in Dresden-Pieschen hat dazu geführt, dass dieser seit längerem schwelende Konflikt in aller Munde ist. Zumindest bei jenen, die sich der antiautoritären Szene verbunden fühlen. [andi (Opens in a new window)]

Sticker Gegen jeden Antisemitismus vor RM16 in Dresden Pieschen

Die Statements der Konfliktparteien sind bei Indymedia und Instagram nachzulesen. Die Einzelheiten nachzuzeichnen ist nicht der Sinn dieses Beitrags, sondern eine Darstellung und Bewertung des politischen Kerns. Und dieser Konflikt bedarf dringend einer politischen Bewertung – jenseits des schlichten, unhinterfragten und zugleich wirkmächtigen Narrativs, eine Immobilie müsse zurück in die Bewegung und dies sei erst erreicht, wenn zwei Erwachsene und eine Minderjährige der autoritär formulierten Auszugsforderung nachkommen.

Die Formierung einer selbst ernannten Bewegung: RM16 als Szeneprojekt

Zurück in die Bewegung: Unter diesem Slogan agiert eine Gruppe größtenteils 2024 in die RM16 Eingezogener. Sie argumentiert mit mehreren Konflikten, die dieses Projekt begleitet haben. Und mit der ihrer Meinung nach zu geringen Strahlkraft. „Doch viele von euch kennen die RM16 bestimmt gar nicht mehr“1, stellte die Gruppe in einem Redebeitrag für die Queer Pride Dresden rührselig fest. Spannend wäre gewesen, wie viele andere Hausprojekte und anderweitig linke Locations die angesprochenen Teilnehmer*innen hätten aufzählen können.

Der Slogan verfängt. Zurück in die Bewegung: Das hört sich gut an. In einer Zeit, in der in großstädtischen Innenstadtvierteln viele Teil einer großen Bewegung sein wollen und nur noch wenige dissident.

Zurück in die Bewegung: Das schmettern sie zwei Antifas entgegen, die über viele Jahre dieses antideutsch geprägte Hausprojekt erkämpft und verteidigt haben. Als Besetzungen noch mit Polizeiknüppeln verbunden waren und nicht als aktivistisch inszenierter Räumungsbescheid gegen drei Bewohner*innen in einem längst existierenden Hausprojekt verstanden wurden.

Zurück in die Bewegung: Dem sollen sich ausgerechnet israelsolidarische Antifas durch Auszug fügen, welche die Wiedereingliederung in die Bewegung (Singular) zwangsweise als Kampfansage werten müssen. Der Kontrast zwischen dem formulierten Anspruch und der politischen Grundhaltung der langjährigen Bewohner*innen sowie ihrer Unterstützer*innen neigt ins Absurde.

Welche Bewegung? Das wird nicht etwa in einer Diskussion verhandelt, es gibt sie einfach.2 In einem Insta-Statement, in dem sich die ZidB-Gruppe als Hausbewohner*innen sowie externe „Menschen aus unterschiedlichen politischen Zusammenhängen“3 definiert, stellt sie das fest, was die nun Ausgeschlossenen allmählich geahnt haben müssen: Sie haben 2024 nicht nur dem Einzug von Menschen zugestimmt, sie haben sich damit eine komplette Bewegung inklusive Leute von außerhalb ins Haus geholt. Eine selbsternannte Bewegung, welche die Verfügungsgewalt über ein Hausprojekt beansprucht und die Wiedereingliederung der RM16 in ihre – nicht: die – Bewegung offenbar als szeneinternes Großprojekt begreift.

Wenn die ZidB-Gruppe kurz nach der inszenierten Hausbesetzung ihre einseitige Sicht bei der Queer Pride Dresden und diesen Mittwoch um 18.30 Uhr im AZ Conni vorstellen kann, lässt sich das nur als überraschend schnelle Parteinahme werten.

Vorwürfe des Mobbings und der Drohungen: Konsequent ignoriert

Diese kaum zu übersehende Parteinahme verwundert umso mehr, weil die langjährigen Bewohner*innen in ihrem Statement „Wenn Solidarität zur Maske wird - ein Aufruf aus der RM16” (Opens in a new window) schwerwiegende und präzise geschilderte Vorwürfe erhoben haben:

Screenshot Blogbeitrag Wenn Solidarität zur Maske wird – ein Aufruf aus der RM16Screenshot Rm16 Blogbeitrag Wenn Solidarität zur Maske wird – ein Aufruf aus der RM16

Diese Vorwürfe sind so gravierend, dass sich die ZidB-Gruppe dazu verhalten muss. Stattdessen erdreistet sie sich zu der Feststellung: „Hier geht es nicht um Israel, autoritären Kommunismus oder Täter*innenschutz.“4 Konsequent die Deutungshoheit an sich reißend, einseitig bestimmend, um was es geht und um was es nicht geht. Und wer Fragen hat, so die stringent durchgeführte Linie, solle sie bei den selbst organisierten Veranstaltungen stellen.

https://bsky.app/profile/schwarzekatze.bsky.social/post/3lsehgn5his2i (Opens in a new window)

Ein haarsträubendes Ignorieren dieser Vorwürfe, das von einem Kaninchenzüchterverein erwartbar, für eine selbst ernannte linke Bewegung dagegen eine Bankrotterklärung darstellt.

Das kann nur gelingen, weil einseitiges Framing gefruchtet hat. Die beiden langjährigen Bewohner*innen scheinen vielen als ‚Krawallschachteln‘ zu gelten, der gewöhnliche Umgang mit solchen Vorwürfen damit außer Kraft gesetzt.

Auf ein solches schriftliches Statement ist schriftlich zu antworten. Verweise auf selbst organisierte Infoveranstaltungen, in denen die Gruppe auf den Vorteil geübter aktivistischer Rhetorik setzt, sind in unfassbarer Weise unangemessen.

Diskurs in selbst gesteckten Grenzen: Ob Israel Thema ist, bestimmen wir

In identischer Weise verfährt die ZidB-Gruppe beim Thema Israel. Eine ehemalige Bewohnerin und zwei langjährig mit dem Projekt Verbundene erheben in ihrem Statement “Die Gefahr eines autoritären Umbaus der RM16” (Opens in a new window) einen konkreten Vorwurf:

Von Personen, die neu in das Haus eingezogen sind werden politische Veranstaltungen beworben und durchgeführt, die den Staat Israel delegitimieren und dämonisieren […]

Mit diesem Statement ist das Thema gesetzt.

Theoretisch hätte die ZidB-Gruppe diesen Vorwurf zurückweisen können. Oder mit einem Bekenntnis zum Existenzrecht Israels und mit einer Kritik an islamistischen Terrororganisationen Sorgen zerstreuen können.

Stattdessen die bloße Reaktion, Israel sei kein Thema. Dieses bewusste Beiseiteschieben ist Antwort genug.

Auch wenn sicher interessant wäre, welche Verbindung Mitglieder dieser Gruppe zum Internationalistischen Zentrum haben und welche Verantwortung sie für gemeinsame Veranstaltungen mit der Gruppe Rumman tragen. Einer Gruppe, die Hamas und Hisbollah konsequent ausblendet und den einzigen jüdischen Staat der Welt dämonisiert.

Und zudem interessieren würde, welche Rolle das nach Pieschen expandierende Umfeld des Malobeo spielt – einer Location, in der die Gruppe Rumman eine Libanon-Doku des bekanntlich neutralen Senders Al Jazeera zeigen durfte, bei der die Hisbollh erstaunlich gut wegkommt5.

Ebenfalls spannend wäre eine kleine Zeitreise ins Jahr 2024 zu den Datenspuren/A-Tagen, veranstaltet vom C3D2 und den A-Tagen. Plakate gegen Antisemitismus sorgten für erhebliche Tumulte, wie Anwesende berichten. Immer wieder wurden sie abgerissen, vor den Plakaten entwickelten sich hitzige Konfrontationen.

Könnte es gegebenenfalls sein, dass eine darin involvierte Person nun in einem Hausprojekt in Pieschen wohnt? Und trifft es eventuell zu, dass nicht etwa der grassierende Antisemitismus, sondern Plakate gegen Antisemitismus diese Person in rasende Wut versetzen?

„Hier geht es nicht um Israel“, schreibt die Gruppe. Es geht um Israel, wenn Unterstützende dieses Thema in einem Statement ansprechen. Und um die Frage, ob Ausweichen und Verschleierung die Basis für ein solidarisches Hausprojekt sind.

Sticker Solidarity. Gegen jeden Antisemitismus. Unter Straßenschild Robert Matzke Straße.

Vonovia zündet bei Räumungsforderungen wenigstens keine Pyrotechnik

Das gesamte Vorgehen kritisieren Unterstützende in ihrem vielfach gelesenen, häufig missverstandenen Statement „Die Gefahr eines autoritären Umbaus der RM16“ scharf. Sie sprechen von einem „Vorstoß eines links-autoritären Milieus“, dessen Programm sie als „Antiimperialismus und Libertarismus“ beschreiben. Selbstverständlich meinen sie damit nicht das Konglomerat des Grauens, das sich momentan als K-Gruppen formiert.6 Der Begriff „Libertarismus“ weist daraufhin. Die Unterstellung, dass sie dies meinen, dient ausschließlich dazu, das Statement ins Lächerliche zu ziehen. Sie adressieren stattdessen Antiautoritäre, die mit autoritären Methoden ihre Interessen durchsetzen.

Die Unterstützenden konnten damals noch nicht wissen, dass die ZidB-Gruppe diesen Vorwurf mit einer inszenierten Hausbesetzung in einem existierenden Hausprojekt, für das sie den Haustürschlüssel besitzen, spektakulär bestätigt. An erster Stelle die Hauptforderung: „der Auszug der beiden langjährigen Bewohnenden“ (die Minderjährige damit bewusst übergehend)7. Die Ansage mit Anarcho-Banner und Bengalos unterstreichend.

Screenshot Instagram Die RM16 wurde besetzt!

Vonovia mag ein kapitalistischer Konzern und in vielerlei Hinsicht zu kritisieren sein. Im Vergleich zu dieser martialischen Inszenierung von Aktivist*innen ist ihm dennoch zugutezuhalten, dass er Auszugsforderungen nicht mit Pyrotechnik untermalt.

Die Minderjährige wird sich mit einigen Jahren Abstand hoffentlich freuen, dass sie diese Anekdote auf Partys und anderweitig erzählen kann. Eine einzigartige Anekdote. Wer kann später schon von sich behaupten, als Betroffene Teil dieser Absurdität jüngerer linker Geschichte gewesen zu sein?

Inszeniert von Aktivist*innen, die, sich im Kampf für die gute Sache wähnend, jedes Maß verloren haben. Und jede Menschlichkeit. Von Aktivist*innen, die den Begriff „Selbstreflexion“ lieben, aber vornehmlich als Aufforderung an andere formuliert.

Die nun aus der Hausgemeinschaft ausgeschlossenen und anderweitig untergekommenen Bewohner*innen mögen in der langen Geschichte des Hauses nicht alles richtig gemacht haben, in einige Auseinandersetzungen involviert gewesen sein, manche Verletzungen herbeigeführt, entstandene Machtstrukturen nicht ausreichend hinterfragt haben. All das kann sein. Das bedürfte einer professionellen Mediation.

Aber eines ist offensichtlich: Der jetzige Umgang mit Menschen, die dieses Projekt gegen Staat, Kapital und Faschos durchgesetzt sowie verteidigt und über einen langen Zeitraum so viel Arbeit hineingesteckt haben, ist schlicht und ergreifend zutiefst schäbig.

Sie haben in der momentan herausfordernden Situation konkrete Unterstützung sowie Solidarität verdient.

Menschlich. Und politisch.

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Diejenigen Teile der Szene, die den Konflikt von außen einseitig entscheiden wollen, sollten derweil schnellstmöglich demobilisieren. Dieses Projekt war eine Schnapsidee, die den Konflikt weit über die Robert-Matzke-Straße hinaus getragen hat. Viel besser wäre es, diesen Konflikt als Konflikt in einem Hausprojekt zu begreifen, der sich am besten durch eine unparteiische Mediation ohne Dresdner Beteiligung klären lässt. Und die gewonnene Zeit eventuell dafür zu nutzen, um sich zu fragen, ob eine bestimmte Person in emanzipatorischen Räumen tragbar ist.

Zu den Antisemitismus-kritischen Aufklebern auf den beiden Fotos: Es darf angenommen werden, dass diese nicht von den jetzigen Bewohner*innen und Besetzer*innen verklebt wurden.

Weitere Artikel auf “Hoffnung, doch. Einblicke in den anderen Osten” (Opens in a new window)

  1. rm16.zurueckindiebewegung: Instagram-Posting “Redebeitrag zur Queer Pride 2025” (Opens in a new window)

  2. Die langjährigen Bewohner*innen konstatieren in ihrem Instagram-Posting “Keine Nazis mehr in Sachsen? Linke “besetzen” linkes Hausprojekt in Dresden” (Opens in a new window): “Es wird eine Bewegung konstruiert und als Identität angeboten.”

  3. rm16.zurueckindiebewegung: Instagram-Posting “Die RM16 - Konfliktkontinuitäten” (Opens in a new window)

  4. siehe 3.

  5. Zu IZ, Malobeo und der Gruppe Rumman siehe u.a.:

    - Tom Thümmler: Bomber Harris ist angeschlagen, 29.05.2025, Jungle World (Opens in a new window)

    - Statement der Kosmotique: Kritik an den KRETA 2025 (Opens in a new window)

  6. Tobias Prüwer: Neue K-Gruppen: Die Avantgarde von vorgestern, 12.02.2024, Neues Deutschland (Opens in a new window)

  7. rm16.zurueckindiebewegung: Instagram-Posting “Die RM16 wurde besetzt” (Opens in a new window)

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