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Warum Paypal, Visa und co. gegen Games in den Krieg ziehen

Hi! Dennis von Indie Fresse hier.

Zwischen unseren Podcast-Folgen gibt’s kluge Gedanken zu schönen Spielen in eurem Postfach.

Wenn ihr uns dabei unterstützen wollt:

Ein kluger (?) Gedanke: Steam und itch.io entfernen Spiele für Erwachsene und das ist ein Problem

Ich hab da mal eine Frage:

Wie fändet ihr es, wenn ihr in ein Buchgeschäft geht, um dort Onyx Storm oder irgendeinen anderem spicy, sexy Romantasy-Roman zu kaufen, eines dieser Bücher, über die gerade alle sprechen — und dann sagt euch der Mensch an der Kasse:

“Ah, nee, sorry, dürfen wir dir nicht verkaufen, weil unsere Bank sagt, wenn wir so sexy Zeug verkaufen, sperren sie unser Bankkonto, die sind eben bisschen prüde…”

Wäre seltsam, oder? Ist natürlich auch Quatsch. Sowas würde nie passieren.

Es sei denn es geht um Videospiele.

Was ist passiert?

Am 16. Juli hat Steam begonnen, zahlreiche “adult games”, also nicht-jugendfreie Erotik-Spiele aus dem Sortiment zu nehmen (Opens in a new window).

Der Grund: Firmen wie Paypal, Mastercard, Visa haben Steam darauf hingewiesen, dass Spiele sich an die Regeln dieser Zahlungsdienstleister halten sollten, wenn Steam möchte, dass man weiterhin Spiele mit einer Kreditkarte oder per Paypal bezahlen kann.

Welche Regeln das genau sind? ¯\_(ツ)_/¯

Die Zahlungsdienstleister machen das wiederum, weil sie Ziel einer Kampagne geworden sind von Collective Shout. Einer erzkonservativen Aktivist*innen-Gruppe aus Australien, die sich einerseits gegen die sexuelle Ausbeutung von Frauen stellt, andererseits aber eben auch gegen Unterwäschewerbung (Opens in a new window), Rap (Opens in a new window), Erotik-Literatur (Opens in a new window) und unter anderem unterstützt wird von einer ultrarechten, religiösen Gruppe (Opens in a new window)aus den USA.

Um es mal zusammenzufassen: Leute in Australien, die Erotik-Games schlimm finden, haben es geschafft haben, den Verkauf dieser Spiele einzuschränken, weil sie Druck ausüben auf die Firmen, die für ein Großteil aller Käufe im Internet gebraucht werden.

Für diesen Vorgang gibt es inzwischen einen Begriff: Financial Censorship. Finanz-Zensur.

Wie schlimm ist das wirklich?

Diese Spiele müssen nicht Allen gefallen. Ich selber spiele sie nicht. Und in Deutschland werden sie auf Steam aus Jugendschutzgründen auch gar nicht erst verkauft. Es könnte uns also egal sein.

Doch es sollte uns nicht egal sein. Denn es wird noch viel, viel härter.

Am 24. Juli hat die alternative Indie-Games-Plattform itch.io (Opens in a new window) ALLE “erwachsenen” Spiele aus der Suchfunktion entfernt (Opens in a new window). Tausende Spiele. Darunter Spiele, die gar nicht mit Sex zu tun haben wie Consume Me (Opens in a new window), ein preisgekröntes Spiel über Essstörungen; aber auch Spiele, die sich auf sehr künstlerische und humorvolle Art mit Sexualität beschäftigen, etwa das gesamte Werk eines meiner liebsten Games-Entwickler, Robert Yang (Opens in a new window), der extrem witzige und tolle Spiele über queeren Sex entwickelt.

Über dieses Thema habe ich am Wochenende bei Breitband im Deutschlandfunk Kultur berichtet. Dafür habe ich unter anderem mit Gloria Manderfeld von Random Encounters/Insert Moin gesprochen. Ihr könnt die Sendung hier (Opens in a new window) gerne nachhören (Bonus: Marcus moderiert!)

Seitdem glaube ich: Das ist ein Thema, das in die Öffentlichkeit gehört. Die Finanz-Experten, mit denen ich gesprochen habe, haben mir erklärt, dass selbst Giganten wie Steam keine Chance bei einer Konfrontation mit großen Zahlungsdienstleistern haben. Denn Firmen wie VISA, Paypal oder Mastercard sind so wichtig für den Zahlungsverkehr, dass ohne sie (zumindest mittelfristig) einfach gar nichts geht.

Die Entscheidungen, die sie treffen, die Regeln, die sie aufstellen, haben darum das Potential wirklich zu beeinflussen, wofür wir online Geld ausgeben und darum also auch, was produziert wird. Diese Entscheidungen können Paypal und co. einfach so treffen. Denn es sind privatwirtschaftliche Unternehmen, die darin frei sind, ihre Dienste anzubieten oder eben auch nicht.

Und jetzt?

Mir macht das Sorgen. Und ich glaube, es sollte uns allen Sorgen machen. Was gesellschaftlich akzeptiert oder verpönt ist, kann sich ändern. Die Spiele, um die jetzt geht, werden häufig gemacht von queeren Menschen, die damit queere Themen, queeren Sex thematisieren.

Queeres Leben wird bedroht. Jetzt schon.

Und ich frage mich auch: Welches Signal sendet das an große Studios? Ich denke da an Larian und CD Projekt Red, die gefeiert wurden für ihren Umgang mit Sexualität in ihren Spielen, Baldur’s Gate 3 und Cyberpunk 2077. Werden solche Studios in Zukunft weniger freizügige Spiele entwickeln, um bloß nicht Visa und co. zu verärgern?

Ich jedenfalls möchte das nicht. Aktuell ist es aber unklar, wie man aus dieser Situation wieder rauskommt. Regulierung wird oft in den Raum geworfen. Doch diese Debatte befindet sich wirklich komplett am Anfang.

Vielleicht ist eine Antwort zumindest: Gegendruck auf Zahlungsdienstleistern. Ein Zeichen, dass das, was da gerade läuft, keine gute Idee ist. Einen Anfang macht gerade diese Petition (Opens in a new window), unter anderem ins Leben gerufen von unserer Freundin Nina Kiel. Ich finde: Sollte man unterstützen.

Ein schönes (!) Spiel: Wheel World

Und wenn ich mich diese Woche nicht mit Zahlungsdienstleistern beschäftigt habe, dann war ich Fahrrad Fahren und zwar in Wheel World. Ein Open-World-Rennspiel von Indie-Ikone Messhoff (Nidhogg), in dem ich Rennrad-Gangs herausfordere, um ein immer mächtigeres Super-Bike zu bauen. Eine gute Idee.

Weil:

  • Die Vibes: Vielleicht ist es ein Zeichen von Älterwerden, aber ich bin jetzt an diesem Punkt im Leben, wo ich es liebe, mit meinem Rad stundenlang durch Brandenburg zu rollen und mir irgendwelche Seen anzuschauen. Genau dieses Gefühl gibt mir Wheel World. Es gibt mein Rad, eine Landschaft aus Feldern, Hügeln, Wäldern und den Wind, der whoosh macht, wenn ich Strecke mache. Jede Minute fühlt sich hier an wie ein kleines Stück Freiheit. Und hübscher als Brandenburg ist es auch (sorry).

  • Die Räder: Um die Rennrad-Gangs zu besiegen, muss ich aus meinem rostigen Schrott-Rad ein Superrad machen. Dazu sammele ich im Spiel nach und nach Teile ein, um Räder, Lenkrad, Gangschaltung upzugraden. Am Anfang wollte ich vor allem mein Rad nachbauen, später hat mich das System aber vor allem motiviert, immer absurdere Gefährte zu bauen, etwa ein Hotdog-Bike oder ein Wikinger-Bike.

Wheel World (Opens in a new window) gibt es ab jetzt für Steam, PS5, Xbox und im Xbox GamePass ist es auch drin.

Schamlose Selbstpromo und anderes Zeug

  • Läuft bei meinem ehemaligen Arbeitgeber VICE: Nachdem Kolleg*innen über Collective Shout und die Finanz-Zensur von Erotik-Games geschrieben haben, wurde die Artikel zum Thema kurzerhand vom Unternehmen gelöscht. Daraufhin haben mehrere Redakteur*innen ihre Jobs aus Protest aufgegeben. Aftermath (Opens in a new window) hat die Story aufgedröselt.

  • Mal was anderes: ich spiele mich ja gerade durch die Pillars of Eternity Reihe und habe mich sehr gefreut über diese beiden Artikel, über einen tollen Dialog (Opens in a new window) und einen tollen Charakter (Opens in a new window) in diesem unterschätzten Rollenspiel.

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