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Xatar – der Baba aller Babas

Der kurdische Rapper Xatar war eine streitbare Figur. Für Missy-Autorin Hêlîn Dirik bleibt er aber auch nach seinem Tod unhatebar. Ein Nachruf.

Um als Feminist*in zu Gangsta-Rap viben zu können, muss man oft über so manche sexistische Lyrics hinwegsehen und einige mindestens fragwürdige Storys aus der Vergangenheit der Rapper*innen ausblenden. Wenn ich Xatar gehört habe, ging es mir nicht anders. Aber wenn ich ganz ehrlich bin: Bis zu seinem Tod und darüber hinaus bleibt er für mich unhatebar.

„Es hat wohl kaum ein Rapper den Sprachgebrauch von Kanaks in Deutschland so sehr geprägt wie Xatar.“
– Missy-Autorin Hêlîn Dirik

Giwar Hajabi, wie er bürgerlich hieß, kam 1981 im kurdischen Sine in Iran auf die Welt. Nach der Flucht seiner Familie wegen politischer Verfolgung landete er im Alter von fünf Jahren in Bonn. Sein Vater war Komponist, Xatar lernte früh Klavierspielen und studierte später Music Business in London. Gleichzeitig begann er schon als Jugendlicher mit kriminellen Geschäften, deren Höhepunkt der Raubüberfall auf einen Goldtransporter war, für den er einige Jahre im Gefängnis saß. Der Verbleib von Xatars „Rheingold“, wie später die Verfilmung seines Lebens unter der Regie von Fatih Akin hieß, ist bis heute ein Rätsel und wurde zur urbanen Legende.

Aus seiner Familiengeschichte, seinen Wurzeln, seinen Erlebnissen als Straßen-Kanak sowie Einflüssen des US-amerikanischen West-Coast-HipHop schuf Xatar einen in der Deutschrap-Landschaft einzigartigen Stil. Von den unverwechselbaren Beats seines Labels Alles oder Nix über die Ästhetik seiner Clips (wer nicht weiß, wovon ich spreche, sollte sich das Video „Holland Job“ mit Haftbefehl reinziehen) bis hin zu Themen wie Armut, Gewalt, Knast und Drogenhandel – seine Kunst war authentisch. Mit seinem Auftreten, seiner Sprache, seinem Werk und seiner filmreifen Lebensgeschichte hat er einen Legendenstatus in der Popkultur und Rap-Branche Deutschlands, aber v. a. auch unter kurdischen Jugendlichen.

Als 2015 sein Album „Baba aller Babas“ erschien, waren viele meiner Genoss*innen und ich auf dem Höhepunkt unserer Politisierung – in Rojava/Nordsyrien kämpften die Volks- und Frauenverteidigungseinheiten (YPG und YPJ) gegen den sogenannten Islamischen Staat. In seinem Song „Iz da“ rappte Xatar damals die Line „Support YPG unsere Passion“. Damit sprang er nicht einfach auf den Zug auf. Mit Lyrics wie „Was Kurde aus Irak, Türkei, Iran? / Ich bin Kurde aus Kurdistan“ oder „Ich bin Kurde, bei uns ist Kämpfen Tradition“ hatte er getan, was für viele Kurd*innen auch in Deutschland mit Angst verbunden war – zu sagen, dass er Kurde ist. Und nicht zuletzt hat wohl kaum ein Rapper den Sprachgebrauch von Kanaks in Deutschland so sehr geprägt wie Xatar – ich jedenfalls werde mich mein Leben lang an ihn erinnern, wenn ich „Köftespieß“ („Heval gib mir einfach nur ein Köftespieß“) und „Mantel“ („Der Bira trägt Mantel“) höre.

Xatar verstarb am 7. Mai 2025 in Köln. Er wurde 43 Jahre alt.

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