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Widerstand gegen das Lausitz Festival

HINTERGRUND / KULTUR IN SACHSEN UND BRANDENBURG
  1. Oktober 2023

Die Kulturszene fremdelt mit dem Leuchtturmprojekt. Das Lausitz Festival und sein Intendant stehen in der Kritik - inhaltlich und persönlich.

von Christine Keilholz

Lausitz-Festival 2023: William Engelens "Falten für Perkussion" im Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst in Cottbus. Foto: Nikolai Schmidt 

Gerade vier Wochen ist es her, dass das vierte Lausitz Festival (Opens in a new window) seinen Abschluss fand. Erfolgreich, wie die Macher betonten. Die Veranstaltungen seien zu teilweise 80 Prozent ausgelastet gewesen. Ein Erfolg, der von einem wachsenden Publikum auch aus dem Ausland wahrgenommen wird. 

Michael Apel ist da skeptisch: „Es werden große Mengen Geld verbrannt ohne einen konkreten Bezug zur Lausitz herzustellen.“ Der Leiter des Spremberger Kinos ist Mitglied des Verbands Kreative Lausitz (Opens in a new window). Und er ist Teil einer Initiative von Kulturschaffenden aus der Lausitz, die einen Reset des Festivals fordern. Die Initiative will mehr Transparenz und konkrete Informationen, was und wie viel das Festival der Lausitz bringt. Einige der Initiatoren sind seit Jahrzehnten in der Region kulturell aktiv und schaffend. „So, wie das Festival aktuell läuft, schadet es der breiten Fläche und bringt keinen Nutzen für die Region“, sagt Michael Apel. Diese Überzeugung eint die Initiative. 

Enttäuschte Hoffnungen

Das Lausitz Festival ist ein Prestigeprojekt des Strukturwandels. Es soll einmal im Jahr für mehrere Wochen Hochkultur in die Fläche bringen und damit die Lausitz in der europäischen Kulturwelt bekannt machen. 2019 wurde es vom Bund beschlossen als identitätsstiftendes regionales Format.

Nun ist Ernüchterung eingetreten. Das Festival sei inhaltlich und ökonomisch nicht nachhaltig und helfe der Lausitzer Kultur- und Kreativszene nicht weiter. "Die gewünschte Transformationskraft, die Kunst in der Region entfalten soll, wurde nicht in den Lausitzer Strukturen verankert, obwohl die Idee des Lausitz Festivals das Potentioal hätte", heißt es in einem Positionspapier, das der Neuen Lausitz vorliegt. Somit erzeuge man mit viel Geld viel Frust und die kulturelle Nachhaltigkeit bleibe auf der Strecke. 

Unumstritten war das Festival nie. Aber nun spitzt sich der Unmut zu. Der Grundvorwurf lautet, es gehe mehr ums Geld als um Teilhabe - dem Festival fehle es an Empathie und Kenntnis der Region. Die Initiative will erreichen, dass mit dem Festival-Budget auch das gefördert wird, was da ist.

Martha Argerich in der Lausitz

Für das Festival macht der Bund vier Millionen Euro locker, bezahlt aus Strukturmitteln. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien hat bereits 2019 umfangreiche Mittel beigesteuert. Das gab der Lausitzer Kulturszene die Hoffnung, es würde viel Geld in kleinere Projekte investiert werden. Zumal die Szene in der Pandemie mit Schließungen und Verdienstausfall (Opens in a new window) konfrontiert war. Den Kinos, Schauspielhäusern und Kulturvereinen wie auch einigen Kulturschaffenden kamen die zugesagten Millionen als ein Segen in schwerer Zeit.

Doch entgegen der Erwartungen hat das Festival kein Geld ausgeschüttet, sondern bekannte Künstlerinnen und Künstler eingekauft - allen voran die Star-Pianistin Martha Argerich (Opens in a new window). Den Anspruch des Festivals, quasi als Katalysator für die Lausitzer Kulturszene zu fungieren und als Leuchtturm Sichtbarkeit für alle zu schaffen, hält die Initiative für nicht wirksam. 

Festival-Intendant Daniel Kühnel (Opens in a new window) hält das für ein grundsätzliche Missverständnis. „Wir haben nicht den Auftrag, Geld vom Bund an die Kulturbetriebe zu verteilen“, sagte Kühnel im September der Neuen Lausitz. „Wir verwalten nicht einen Etat, aus dem die Kulturbetriebe Mittel beantragen können. Wir erhalten diese Mittel, um ein international sichtbares Festival aufzuziehen. Das ist etwas ganz anderes.“ 

Intendant im Visier

Es ist auch die Personalie Daniel Kühnel, an der sich der Unmut der Kulturschaffenden hochzieht. Der 50-jährige Theaterintendant war in Hamburg beschäftigt, bevor er 2019 in die Intendanz des Festivals kam. Die Besetzung wurde gleich mit dem Festival verkündet, das weckte wenig Vertrauen in der heimischen Szene. Eine Anfrage der Linken (Opens in a new window) an den Landtag Brandenburg beschäftigt sich in weiten Teilen mit Kühnel. Die Abgeordnete Anke Schwarzenberg will darin wissen, wie und nach welchen Kriterien die Intendanz des Festivals besetzt wurde - und wie viele lokale Honorarkräfte am Festival mitwirken. 

Die Geschäftsführerin der Festivals, Maria Schulz, spricht von auf vielen funktionierenden Kooperationen. Mehr 50 regionale Dienstleister - von Logistik bis Veranstaltungstechnik - habe man beschäftigt. Dazu kämen 160 Kontakte zu möglichen Spielorten, von denen fast 100 bereits genutzt worden seien. "Wir können seit diesem Jahr erst längerfristig planen, damit werden mehrjährige Kooperationen überhaupt erst möglich", sagte Schulz der Neuen Lausitz. "Ich finde es schade, dass das Thema regionale Kooperationen gerade jetzt aufploppt, wo wir endlich Strukturen haben." Den Erfolg des Festivals messe man anhand von besucherumfragen, Homepage- und Social-Media-Analysen.

Nicht im Geiste des Kulturplans 

Das aber genügt der Initiative nicht. Sie will wissen, wie viele Tickets für das Festival bezahlt wurden und wie viel Geld über das Festival in lokale Spielstätten investiert wurde. Sie verweisen auf den Kulturplan Lausitz (Opens in a new window), mit dem sich Sachsen und Brandenburg verpflichtet haben, die kulturellen Institutionen der Lausitz in ihrem Bestand zu sichern.

Michael Apel glaubt nicht, dass dieser Auftrag mit dem Lausitz Festival erfüllt wird. Aufgabe des Kulturplans wäre es gewesen, auch mit den Menschen vor Ort in der Region zu sprechen. „Momentan profitiert das Lausitz Festival davon, dass es keiner mitbekommt“, sagt der Kino-Manager. „Wenn man die Leute in den ländlichen Räumen fragt oder auch in der Stadt, ob sie schon mal was vom Lausitz Festival gehört haben, sagen sie „hab ich nie gehört!“. Wenn die Prozesse dazu transparent gemacht würden, wäre der Frust noch größer, ist Apel überzeugt. 

Konkrete Zahlen erwartet er aus der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Schwarzenberg. Die soll bis Mitte November beantwortet sein. Bereits am 3. November lädt Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD) zum Kulturforum nach Doberlug-Kirchhain. Dort wird das Lauistz Festival eine angemessen große Rolle spielen. Christine Keilholz

Topic Gesellschaft und Kultur