Putins Giftmischer

Hier kommt alles, was du wissen solltest, kompakt erklärt. Heute ist wieder tag eins!
Hallo!
Noch im April hatte die regierende SPÖ im Wiener Wahlkampf versprochen, die Preise für Bus, Bim und U-Bahn nicht anzutasten. Nun kommt die Kehrtwende: Die Jahreskarte der Wiener Linien verteuert sich um fast 28 Prozent auf 467 Euro. Einzelfahrscheine kosten künftig 3 Euro digital und 3,20 Euro auf Papier, ermäßigte Tickets 1,50 bzw. 1,60 Euro.
Für Senioren, Studierende und Menschen mit Behinderung gibt es eine günstigere Jahreskarte (294 Euro digital, 300 Euro physisch). Mobilpass-Besitzer zahlen für die Monatskarte künftig 21,90 Euro statt bisher 18. Auch Autofahrer trifft es: Das Parkpickerl wird um 30 Prozent teurer und kostet nun 13 Euro im Monat.
Damit schlägt die jährliche Autonutzung mit 156 Euro zu Buche – die Öffi-Jahreskarte mit 467 Euro. Umgekehrt wäre es mir lieber.


Inflation bei 4,1 Prozent, Stocker fordert Zurückhaltung bei Pensionen
Die Inflation ist im August laut Schnellschätzung der Statistik Austria auf 4,1 Prozent gestiegen. „Das ist der höchste Wert seit März 2024. Fast alle Ausgabengruppen trugen zu diesem Anstieg bei“, erklärte die fachstatistische Generaldirektorin der Statistik Austria, Manuela Lenk (Opens in a new window), laut Aussendung heute.
Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) will die Pensionen 2026 nur moderat anheben – im Schnitt um höchstens zwei Prozent. Das liegt klar unter der inflationsgerechten Anpassung von mindestens 2,7 Prozent, hält der Kurier (Opens in a new window) fest. Auch bei der Sozialhilfe plant er strengere Regeln und Wartefristen, in der Migrationspolitik pocht er auf härtere Abschiebungen und eine Neuinterpretation der Menschenrechtskonvention.
Zur Stärkung der Wirtschaft kündigte Stocker ein 1-Milliarden-Euro-Paket an: Der Investitionsfreibetrag soll verdoppelt, energieintensive Betriebe gefördert und der Breitbandausbau vorangetrieben werden. Gegenfinanziert werden soll das durch Kürzungen bei bestehenden Förderungen.
Zudem will der Kanzler die hohen Energiepreise durch eine Reduktion der über hundert Netzgesellschaften dämpfen und auf EU-Ebene den sogenannten „Österreich-Aufschlag“ bei Lebensmitteln bekämpfen.

Cyberangriff auf Innenministerium – EU-Richtlinie verschleppt
Nach einem Hackerangriff auf das Innenministerium laufen die Ermittlungen. Die Absicherung der Systeme sei im Gange, heißt es am Montag.
Die EU-Richtlinie zur Netz- und Informationssicherheit (NIS-2) wurde in Österreich noch nicht umgesetzt – obwohl sie seit Oktober 2024 gelten müsste. Die Richtlinie verpflichtet Behörden und private Unternehmen zu einem verstärkten Schutz vor Cyberangriffen.
Rechtswissenschaftler Nikolaus Forgo spricht im ORF (Opens in a new window) von mangelndem Sicherheitsbewusstsein in Europas Verwaltungen. Ob NIS-2 den Angriff verhindert hätte, sei offen – doch fehlende Regeln könnten zu Nachlässigkeit führen. Viele EU-Staaten hinken bei der Umsetzung hinterher. Das Innenministerium, geführt von der ÖVP, betont, der Angriff wäre ohnehin nicht vermeidbar gewesen. Ein neuer Entwurf zur Richtlinie werde derzeit mit SPÖ und NEOS abgestimmt.

Russland in Verdacht – Ursula von der Leyens Jet hat GPS-Störung
Klar ist, dass Russland militärisch-kriegerisch gegen andere Länder vorgeht. Als sicher gilt auch, dass das Land versucht, westliche Wahlen zu stören und Misinformation zu streuen. Einen weiteren gefährlichen Aspekt russischer Kriegsführung zeigt jetzt ein Vorfall an Bord des Flugzeugs von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Vorgestern wurde das GPS-System des Jets blockiert, so dass der Pilot mit Hilfe von Papierlandkarten im bulgarischen Plowdiw notlanden musste.
Die EU teilte dann mit, auf Basis von bulgarischen Behörden zu glauben, dass Moskau hinter der Störung stecke. „GPS-Jamming“ sei gerade an den Ost-Außengrenzen der EU kein Einzelfall, schreibt die Tagesschau (Opens in a new window). Gestern reiste von der Leyen weiter nach Litauen, berichtet die Süddeutsche Zeitung (Opens in a new window)in ihrer Zusammenfassung des Falls.
Generell sei das GPS an Bord von Flugzeugen ähnlich leicht zu blockieren wie bei Alltagshandys, erklärt die Zeit (Opens in a new window). Verwandt mit diesem „Jamming“ ist das sogenannte „GPS-Spoofing“, bei dem Störsender echt wirkende falsche Signale erzeugen. Das aber wiederum ist technisch schwieriger und deshalb seltener.

Hier empfehlen wir dir jeden Tag ein Recherchestück eines unabhängigen, kleinen Mediums aus Österreich, den aktuellen Krautreporter-Text und unser Fundstück des Tages. Viel Spaß!

Zeitalter der Informationsfreiheit
Mit der Abschaffung der Amtsverschwiegenheit beginnt in Österreich das Zeitalter der Informationsfreiheit. Ob es eine goldene Ära der Transparenz wird, liegt nicht zuletzt an den Bürger·innen, erinnert Dossier. (Opens in a new window) Die Kolleg*innen haben ein ganzes Heft zum Informationsfreiheitsgesetz produziert.
https://www.dossier.at/dossiers/informationsfreiheit/ich-weiss-ich-weiss-was-du-nicht-weisst/ (Opens in a new window)
Palantir ist gefürchtet – aber nicht mal besser als die Konkurrenz
Die deutsche Polizei könnte Palantir-Software bald bundesweit nutzen. Dabei überschätzen viele diese Firma.
https://krautreporter.de/politik-und-macht/6029-palantir-ist-gefurchtet-aber-nicht-mal-besser-als-die-konkurrenz (Opens in a new window)
Gift, Verrat, Hoffnung – ein Dokumentarfilm über Putins Gegner
Ein Whistleblower auf der Flucht, ein Aktivist vergiftet und verurteilt, ein Journalist unter Morddrohung: In Putins Russland kann Wahrheit tödlich sein. Eine neue ARTE-Doku begleitet einen Insider des russischen Giftprogramms – und erzählt von der Hoffnung auf Gerechtigkeit durch einen spektakulären Gefangenenaustausch. Es ist eine der spannendsten Dokus der vergangenen Jahre.
Im Zentrum steht der bulgarische Journalist Christo Grozev, der mittlerweile in Wien lebt. Mit dem Recherchekollektiv Bellingcat enttarnte er mehrfach mutmaßliche Agenten des russischen Geheimdienstes, darunter jene Einheit, die für Giftanschläge auf Kremlkritiker verantwortlich gemacht wird. 2020 spielte er eine Schlüsselrolle bei den Recherchen zur Vergiftung Alexej Nawalnys – später Teil des Oscar-prämierten Films „Navalny“. Seither lebt Grozev unter ständiger Bedrohung, auf einer russischen Fahndungsliste.
Die Kamera begleitet ihn, als er einem Insider des Giftprogramms zur Flucht in den Westen verhilft – und später versucht, auch dessen Familie in Sicherheit zu bringen. Doch Grozev selbst gerät ins Visier: US-Behörden warnen ihn vor einer Rückkehr nach Wien, Hinweise auf ein Mordkomplott liegen vor.
Trotzdem arbeitet er hinter den Kulissen an einem Gefangenenaustausch. Auf russischer Seite im Gespräch: Wadim Krasikow, der „Tiergartenmörder“. Im Westen hofft man auf die Freilassung politischer Häftlinge – unter ihnen Alexej Nawalny und Wladimir Kara-Mursa. Doch kurz vor einer möglichen Einigung stirbt Nawalny im Februar 2024 in einem Straflager – offiziell ungeklärt, politisch ein Fanal.
https://www.arte.tv/de/videos/122226-000-A/putins-giftmischer/ (Opens in a new window)Schaut sich die Doku heute nochmals an:
Markus
