Geboren im Blut
Bifflerim ist, als könnte er sie sehen. Die Angst, die wie ein unsichtbarer Feind, ein unersättlicher Schlund über das feuchte Gras kriecht, sich in die Ritzen ihrer Rüstungen legt und sich durch ihr Fleisch bis zu ihren Knochen frisst. Die Dämmerung hat bereits eingesetzt. Nervös blickt er auf seine Hände und spielt nacheinander ungeduldig an seinen Fingern herum.
„Es ist still. Zu still. Wenn nicht gleich einer hier einen Mucks macht, drehe ich noch durch. Mach dir nichts vor, du befindest dich doch längst am Rande des Wahnsinns. VERDAMMT! Diese Luft ist unerträglich. Sie klebt auf der Haut, zieht in die Kleidung und macht selbst meinen Atem träge…
Seit Stunden stehen wir schon hier. Reglos. Lauschend. Wartend. Ich halte das nicht mehr aus!
Ich trage die Verantwortung. Auch wenn ich es hasse. Ich bin derjenige, der sie dorthin geschickt hat. Ich habe sie quasi angefleht und bin mir nicht mal sicher, ob sie dieser Aufgabe überhaupt gewachsen sind. Vielleicht war das alles ein riesengroßer Fehler. Wenn ihnen etwas zustößt, dann ist es meine Schuld. Aber sie sind nunmal unsere letzte Hoffnung. Diese ganzen Männer und Frauen hier, die sich auf meinen Befehl in Gefahr begeben…
Sie müssen es schaffen! Sie werden es schaffen!
Sie sind schließlich begabt, ja! Das haben sie mir und dem ganzen Klan bewiesen. Sie haben Fähigkeiten, von denen andere nur träumen können. Mutig, verbissen und irre genug, einen solchen Auftrag anzunehmen, ohne Informationen über den Feind zu haben. Ohne auch nur den leisesten Schimmer, worauf sie sich einlassen. Ich bewundere sie. Das sind wahrhaftige Helden! Denn ich weiß, dass sie das nur tun, um uns zu helfen. Trotzdem…
Sie sind keine Einheit, das habe ich gemerkt. Noch nicht. Und gegen einen solchen Feind reicht Begabung allein nicht aus. Ich hoffe, sie sind sich dessen bewusst.
Denn wenn die Geschichten stimmen…
Es sind alles nur Märchen und ich habe keinen Beweis, aber wenn auch nur ein Fünkchen Wahrheit in diesen Geschichten über unseren Feind steckt…
Zertritt Männer wie Insekten, seine Haut wie Fels, sein Blick wie ein Abgrund, der dich verschlingt, blutdürsti…JETZT MACH DICH NICHT VERRÜCKT, VERDAMMT NOCHMAL!
Du hast sie nicht in ihr Verderben geschickt! Sie werden nicht sterben! Du musst ihnen vertrauen! Denn wenn diese Mission scheitert, dann scheitern wir alle. Wir werden also kämpfen! Nicht, um zu siegen, sondern um ihnen so viel Zeit wie möglich zu verschaffen. Für sie! Die sich bereitwillig diesem Ungetüm entgegenstellen.
Und doch ganz tief in mir, wo der Glaube nicht ganz hinkommt, regt sich immer wieder dieser eine Gedanke…
Vielleicht war alles schon verloren, bevor es überhaupt angefangen hat“
Und gerade als Bifflerim versucht, diesen Gedanken erneut in den Tiefen seines Verstandes vor sich selbst zu verstecken, sieht er plötzlich wie ein schleichender Geist übers Wurzelwerk auf ihn zu schwebt. Lautlos, die schimmernden Flügel wie zerbrochenes Glas. Eine Libelle setzt sich auf seine Nase und ein Schauer durchzuckt seinen ganzen Körper. Durch die Eingebung, die ihn gerade überwältigt hat, weiß er instinktiv, was zu tun ist. Sein Befehl schneidet die Stille wie eine scharfe Klinge und augenblicklich lässt der ohrenbetäubende Lärm eines falschen Allwellers die Vögel um sie herum aufschrecken und flutet die Tiefen des Waldes mit einer unheilvollen Welle.
„Es beginnt also. Für Zweifel ist es ohnehin zu spät.“
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