Noctivagus Charakter-Hörbücher (Morgana)

Ein Teaser von neuen Charakteren aus Vytra für unseren Noctivagus-Nebenstrang, der auf der Gamescom 2025 startet und unter anderem auf Conventions weitererzählt wird, geschrieben und eingelesen als Hörbuch von unseren Synchronschauspielenden, damit ihr direkt ein Gefühl für diese Persönlichkeiten bekommt.
Triggerwarnung (TW):
psychische und physische Gewalt, traumatische Erinnerungen/Ereignisse, Blut
Kapitel 3 - Gestählte Bande
Sie treten aus den Schatten. Nachts, wenn Nox das Firmament erstickt. Wiedergänger auf der Jagd nach Mächten, jenseits der Vernunft. Meidet sie und betet, dass ihr für sie nicht von Interesse seid. Sie hinterlassen Tod und Trauer auf ihren Wegen. Sie sind Noctivagus.
Aus dem Leben von Morgana…
Das Blut bahnt sich seinen Weg. Heiß brodelnd, auf der Suche nach einer neuen Form. Denn zu klein ist der Körper für diese rohe Gewalt. Sollte sie es schaffen ihr zu entfliehen, das Fleisch nicht unter dem Versuch zerbersten, so wird sie doch weiter an ihr haften. Zu stark sind die geschaffenen Bande, der Preis für dafür längst gezahlt. Unwiederbringlich. Sie sind nun eins, die Kraft und sie. Wie brodelnder Lirvá-Stahl legt sie sich um die Gliedmaßen des erstarrten Kindes.
Morgana schreckt aus ihrem Schlaf auf. Sie hatte nicht erwartet, dass sie an irgendeinen Baum angelehnt in so tiefen Schlummer sinken – oder gar träumen würde. Doch die Erschöpfung hatte sie, wie des Öfteren, mal wieder übermannt. Und im Zuge ihrer Wehrlosigkeit, hatten vergangene Tage sich wieder bildhaft in ihr Bewusstsein gedrängt. Als würde sie nicht ohnehin täglich daran erinnert, durch das Blut, das sich fortan wie geschmolzener Stahl durch ihre Adern zieht.
„Es tut mir so leid, Evaria…“ , hauchte Morganas Stimme mit Reue benetzt in die Abenddämmerung. Ihr Blut vibrierte förmlich, als der Name ihre Lippen verließ. Alles was ihr blieb, war mit ihrem restlichen erbärmlichen Leben Buße zu tun, für das Tabu, dass sie damals gebrochen hatte. Die Person, die ihr nur einen Teil der Wahrheit offenbarte zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen.
Jahre hatte sie damit zugebracht, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, warum sie damals so gehandelt hatte. Warum sie zu naiv gewesen war, um zu erkennen, dass dieser Weg zu einfach war um wie erwartet zu funktionieren.
Ihr Lehrmeister hatte ihr Handeln stets in Gier begründet. Eine unersättliche, welche unter allen Umständen im Zaum gehalten werden musste. „Ein effektiver Geist ist ein zielgerichteter“ , hatte er ihr stets gepredigt. „Dir muss jederzeit bewusst sein, wie du dein Ziel erreichst und welche Konsequenzen dein Handeln mit sich ziehen könnte.“ Sie durfte nie wieder derart leichtsinnig handeln…
Doch wenn sie diese Kraft schon besaß, konnte sie auch Gebrauch von ihr machen. Sie pervertierte diesen Fluch zu etwas vermeintlich Gutem. Oder wie sie zu sagen pflegte: „Sie machte aus Scheiße Gold“ , um das Andenken an das Unwiederbringliche zu ehren.
Ihre Arbeit war meist alles andere als rühmlich, doch das Ziel heiligte die Mittel. In einer hässlichen Welt mussten eben hässliche Dinge getan werden, um sie am Laufen zu halten. Sie hatte kein Problem damit, sich die Hände schmutzig zu machen, wenn das bedeutete, dass alles seinen gewohnten Gang gehen konnte. Es gefiel ihr bei diesem Job meist im Hintergrund bleiben zu können, hatte sich Rampenlicht für sie doch stets als fatal erwiesen.
In der nächsten Stadt wartete ein Auftrag. Auf den ersten Blick nichts aufregendes, nur einen gewissen Herren, dessen Berichte verdächtig lange ausgeblieben waren, zurück zu seinem Boss zu schleifen. Doch es war selten, dass man sie für diese Art von Aufgabe einsetzte. Für gewöhnlich bemühte man sie nur, wenn mit besonderem Widerstand gerechnet wurde.
Ein kleines Häuschen am Dorfrand war Morganas Ziel, es wirkte fast schon auffällig unauffällig. Das Gebäude war verkommen, doch gerade genug intakt gehalten, dass man gut darin leben konnte. Persönliche Dekorationen oder dergleichen waren nirgendwo erkennbar. Ein Hauch von nichts. Niemand würde bemerken, wenn das Haus von Erwin Rivera ab heute leer stehen würde.
Sie klopfte an die erstaunlich massive, hölzerne Tür. Es sah aus, als wäre sie vor kurzem ausgetauscht worden. Nach einigen Momenten hörte sie Schritte und ein angespanntes „Was zur heiligen Vytra denn nun!? Immer, wenn man keine Zeit hat!“
Die Tür schwang auf.
„Hey, alter Kollege. Wie geht’s, wie stehts?“, fragte Morgana mit verschränkten Armen, als sie sich vor der Tür des Mannes aufbaute.
Er war etwas kleiner als sie, beinahe von hagerer Statur und war durchaus überrascht sie zu sehen. Doch etwas anderes hatte sie nicht erwartet, von einem Magier, der hauptsächlich zur Beobachtung eventueller Ziele eingesetzt wurde. Es war wirklich merkwürdig, dass man sie für diesen Auftrag bestellt hatte.
„Du bist ja wohl kaum hier, um das zu fragen“, grummelte er zur Begrüßung leise, während er nervös seine Hände rieb.
„Erwischt“, kam es wie aus der Pistole geschossen zurück „Willst du mich nicht hineinbitten? Bei Arbeit wie der unseren, sollten wir nicht auf offener Straße sprechen.“
„Eigentlich nicht“, gab Erwin kleinlaut zurück und wandte den Blick von ihr ab.
Ein Zögern. Das Abwägen von Optionen.
„…kannst du morgen wiederkommen? Bis dahin hab ich den Bericht fertig“, stammelte er nach einer kurzen Pause weiter.
„Dafür ist es nach dem, was du dir erlaubt hast ein bisschen zu spät würd ich sagen. Woher soll ich wissen, dass du morgen nicht mit Sack und Pack abgehauen bist, jetzt wo ich hier war? Sieht so aus, als wärst du schon am packen.“
Der Mann zuckte ertappt zusammen. Bevor er etwas antworten konnte, fügte Morgana hinzu: „Komm, ich nehm dich lieber mit. Das ist eh wofür ich eigentlich hergekommen bin.“
Erwin riss die Augen auf, bevor er plötzlich an seine Tasche griff, womöglich um sich auf einen Angriff vorzubereiten. Die Gefahr witternd, schubste Morgana ihn ins Haus hinein.
„Nah, nah, nah. Wir wollen doch keinen Stress mit den Zivilisten…“
Ein schiefes Grinsen legte sich auf ihr Gesicht und ihre Augen blitzten kurz auf, bevor sie sich in ihren rechten Handballen biss.
Eine lodernde, eiserne Flüssigkeit quoll hervor.
Ihr größter Feind und Verbündeter. Diese Kraft, ihr Blut, ihre eigene, begierige Natur.
Aus dem Leben von Morgana…