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TOTE EMMA LADEN

FILM-KRITIK

Lernfaktor Film: In Australien heißt der Abschlussball nicht etwa „Prom“ sondern „Formal“. Dank der queeren romantischen Komödie ELLIE & ABBIE weiß ich das nun. Dazu einiges mehr, denn der Film von Monica Zanetti hat vieles im Kopf, einiges in der Hinterhand und dabei immer ein gutes, aufrichtiges Herz.

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Mag ein wenig pathetisch klingen, ist aber wahr. Besser noch: Der engagierte Film um die Jugendliche Ellie (Sophie Hawkshaw), die sich nicht traut, ihre Mitschülerin Abbie (Zoe Terakes) zum Formal-Date einzuladen, ist bittersüß doch nie melodramatisch, lustig doch nie lächerlich, aufschlussreich doch nie salbadern. Schon vor dem bunten, sehr highschool-ischen Vorspann bekommen wir einige der lustigsten wie definierendsten Momente zu sehen.

Wenn Ellie ihr Coming-out vor der ihrer Meinung nach nun „bornierten“ Mama Erica (Marta Dusseldorp) etwa leichter fällt, als ihren Schwarm Abbie nach dem Date zu fragen. Andererseits ist sie sich auch nicht sicher, ob diese denn a) überhaupt lesbisch oder bisexuell und b) an ihr interessiert ist. Gut, dass ihre mit nur 28 Jahren verstorbene Tante da flugs im Bad auftaucht. Ellie allerdings derart erschreckt, dass diese sich zunächst mit einem Fön zur Wehr setzen und in der Duschwanne in Sicherheit zu bringen versucht.

Oh Schreck, the tote Aunt is back // Foto: Salzgeber

Nach dem ersten Erschrecken – Tante Tara (Julia Billington) starb Jahre vor Ellies Geburt – wendet sich die Teenagerin der toten Tante zu. Diese ist gekommen, um der Nichte nun beim Klarmachen des erwünschten Dates behilflich zu sein. Dies zwar mit Methoden der 1990er-Jahre, also quasi mit gefühlt Tausende Jahre alten Ideen, doch dafür mit viel Charme und besten Absichten. Es ist teils unglaublich komisch, wie die sonst resolute, wenn hier und da auch recht pubertär agierende Ellie es kaum schafft, bei Abbie mal ein klares Wort zu fassen, das nicht irgendwie leicht cringe ist.

Nun tritt Abbie, die wir im Laufe des kompakten und durchweg unterhaltsamen Films besser und besser kennenlernen dürfen, durchaus ebenfalls selbstbewusst bis kaltschnäuzig auf. Das Geplänkel der beiden darf zum Besten aus diesem Genre seit (heteronormativen) Erfinden desselben gezählt werden. Ebenso ist das gegenseitige, manches Mal zufällige Ergründen der eigenen emotionalen Grenzen und womöglich Traumata derart leichtfüßig und fließend, dass es eine*n schlicht vom Sofa haut.

ELLIE & ABBIE im zauberhaften Austausch // Foto: Salzgeber
ELLIE & ABBIE im zauberhaften Austausch // Foto: Salzgeber

Neben der romantisch-humorvollen Geschichte mit Charakter und Tiefe erzählt Zanetti in ihrem Film noch von den Sorgen und Findungsproblemen von Teenagern wie Erwachsenen. Von den kleinen Heimlichkeiten, Lügen und Auslassungen, die wir erzählen (oder eben nicht), um uns und andere zu schützen. Von Freundschaft und (Un-)Sagbarem. Und von queerer Geschichte Australiens. Respektive der homo- und trans*-feindlichen Geschichte.

So am Beispiel des (evangelikalen) „Cleansing March of Witness for Jesus“, ausgerichtet vom LSBTQI*-hassenden 'Prediger' Fred Nile im Jahr 1989 in Sydney. Der Widerstand gegen diesen wird in ELLIE & ABBIE durch eine fiktionale, queere Demonstration geäußert, die, handlungsbezogen, einige Jahre später stattgefunden haben muss. Und deren Ausgang in diesem wirklich, wirklich wunderbaren Film alle verschiedenen Handlungsstränge zusammenführt.

Queerer Protest // Foto: Salzgeber
Queerer Protest // Foto: Salzgeber

Was den von Autorin und Regisseurin Monica Zanetti gut gewebten, auf einem ihrer Theaterstücke basierenden Film darüber hinaus zusammenhält, ist das perfekte, recht queere Ensemble. Neben den erwähnten Darsteller*innen ist vor allem noch die lesbische Patty (Rachel House) hervorzuheben, die als (zweit)beste Freundin sowohl Ellies als auch Ericas beinahe wie eine Mentorin wirkt, wenn wir auch schnell begreifen, dass ihre selbstgewählte Frührente, die sie sich als Uber-Fahrerin aufbessert, wohl nicht von ungefähr kommt.

https://www.youtube.com/watch?v=Yf_21uxIN04 (Opens in a new window)

Zurecht wurde die herzerwärmende, tiefgreifende und kurzweilige Komödie mit Mikro-Budget 2021 mit dem Australian Academy of Cinema and Television Arts (AACTA) Award als Bester Indie Film ausgezeichnet. ELLIE & ABBIE umschiffen nahezu jedes altgewordene Klischee oder nehmen es im Galopp mit, nehmen lieber einander als die Zuschauer*innen auf den Arm und zeigen uns, dass ein großer Film vergleichsweise klein sein kann. Absolute Empfehlung!

JW

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ELLIE & ABBIE ist im Rahmen von BR QUEER am 3. Juli 2025 um 23:15 Uhr im Bayerischen Rundfunk zu sehen und anschließend für 30 Tage in der ARD-Mediathek verfügbar (Opens in a new window). Darüber hinaus ist er als DVD und im Salzgeber Club zu beziehen (Opens in a new window).

Topic Film & Serie

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