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„WELL, TELL...“

FILM-KRITIK

Die Geschichte von Wilhelm Tell ist vielen doch bekannt. Friedrich Schillers Stück wird nur zu gern im Schulunterricht gelesen. Auch ich entkam dem nicht – und bin meinem alten Deutschlehrer mittlerweile durchaus dankbar für dieses Stück humanistischer Bildung. Denn der Gründungsmythos der heutigen Schweiz mit dem Rütlischwur, dem Kampf gegen die Habsburger und natürlich die bekannte Szene mit dem Apfel von des Sohnes Kopf bieten sehr viel Spannung.

Wilhelm Tell (Claes Bang, Mitte) mit seinen Eidgenossen - jetzt im Kino
Wilhelm Tell (Claes Bang, Mitte) mit seinen Eidgenossen // © SquareOne Entertainment

Umso überraschender eigentlich, dass sich die namhaften Filmemacher*innen dieser Welt der Geschichte in den letzten Jahren und Jahrzehnten der Geschichte nicht angenommen hatten. Das ändert sich nun mit der Verfilmung des Stoffs durch Nick Hamm (Regie und Drehbuch).

Auch wenn die Geschichte den meisten bekannt sein dürfte, noch einmal im Schnelldurchlauf: Die Habsburger halten Teile der heutigen Schweiz besetzt und reiten durch die Flure, ähnlich friedfertig wie Putins Schergen vor drei Jahren in Butscha. Dagegen lehnt sich Widerstand in den bis dato nicht vereinigten schweizerischen Dörfern.

Landvogt Gessler (Connor Swindells, Sex Education) soll das Land befrieden und die heutige Schweiz vollends für die Habsburger kontrollieren – er wird dafür ähnlich feige wie die Hamas auch menschliche Schutzschilde nutzen. Die Schweizer*innen jedoch versammeln sich nach dem bekannten Apfelschuss hinter dem titelgebenden Wilhelm Tell (Claes Bang), der sie in den Kampf um ihre Freiheit führen soll, noch bevor das Konzept der „Nation“ überhaupt erdacht ist.

Gessler (Connor Swindells) hat Wilhelm Tells Sohn Walter (Tobias Jowett) gefangen genommen in Wilhelm Tell - jetzt im Kino
Gessler (Connor Swindells) hat Wilhelm Tells Sohn Walter (Tobias Jowett) gefangen genommen // © SquareOne Entertainment

In etwas mehr als zwei Stunden sehen wir ein modernes und doch altertümliches Heldenepos. Neben Dialogen, die zumindest in den deutschsprachigen Untertiteln das Schillersche Original mit manch moderneren Formulierungen komibiniert, schaffen Hamm und sein Team eine doch fesselnde Erzählung.

Beeindruckender sind jedoch die technischen Details, etwa die sehr eindringliche Musik von Steven Price, die Kameraführung von Jamie D. Ramsay oder auch manche Schnitte von Tariq Anwar und Yan Miles. Das Team holt sehr, sehr viel aus den Schweizer Berglandschaften, ruhigen Flussläufen oder stürmischen Seen heraus.

Stüssi (Jake Dunn) in Wilhelm Tell - jetzt im Kino
Stüssi (Jake Dunn) // © SquareOne Entertainment

So beeindruckend das auch ist, Hamm und sein Team wollten an manchen Stellen vielleicht zu viel. Manche Einstellungen wirken arg animiert und teils inszeniert, auch wenn gerade die Drohnenaufnahmen unglaublich sehenswert sind. Aber auch die Musik – so eindringlich sie ist – wirkt an einigen Punkten fast aufdringlich.

Hier wollte jemand ein fast monumentales Heldenepos schaffen und das merkt mensch dem Film auch an. Auch wenn es immer wieder Momente der Ruhe gibt, der Reflexion, in denen Kräfte gesammelt werden, ein richtiges Innehalten ist hier doch nicht wirklich möglich.

Rudenz von Attinghausen (Jonah Hauer-King) mit seiner geliebten Bertha (Ellie Bamber) in Wilhelm Tell - jetzt im Kino
Rudenz von Attinghausen (Jonah Hauer-King) mit seiner geliebten Bertha (Ellie Bamber) // © SquareOne Entertainment

Dennoch ist Wilhelm Tell ein Film, der unter die Haut geht, der starke Kampfszenen bietet, sich manch eine Freiheit nimmt und – auch das darf nicht zu kurz kommen – gerade mit der habsburgischen Thronfolgerin Bertha (Ellie Bamber) und Tells Frau Suna (Golshifteh Farahani) und noch einigen weiteren herausragende Frauenfiguren hat.

HMS

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WILHELM TELL startet am 19. Juni 2025 im Kino.

Topic Film

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