Zwischen Krimi und Petrischale: Mein Doppelleben zwischen Forschung und Fiktion und die Mikrobe 2025
Aus dem Mikrobenzirkus - Kolumne im Januar 2025

Ihr Lieben,
ich hoffe, ihr seid alle wohlbehalten ins neue Jahr gestartet. Und, wie steht es Ende Januar um eure guten VorsÀtze? LÀuft noch alles nach Plan, oder habt ihr sie schon sorgfÀltig zusammengefaltet und in die Tonne befördert?
Ich habe mir vorgenommen, in diesem Jahr wieder mehr zu lesen und in meiner Autorinnen-Kolumne hier ein StĂŒck persönlicher zu schreiben â aus meinem Doppelleben als Pressesprecherin in der Infektionsforschung bei Tag und Buchautorin bei Nacht. Kurz: zwischen Krimi und Petrischale - Fiktion und harten Fakten.
Auf den ersten Blick klingt diese Kombination vielleicht ein wenig schrĂ€g, doch bei genauerem Hinsehen passt sie perfekt zusammen. In der Pressestelle wie auch beim Schreiben von SachbĂŒchern, Krimis und Science-Thrillern dreht sich alles um gute Storys, RĂ€tsel und manchmal um den Umgang mit verdĂ€chtigen Subjekten â seien es Erreger oder menschliche AbgrĂŒnde.
Hier ein paar augenzwinkernde Einblicke in mein Doppelleben:
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1. Fakten vs. Fiktion
Im Pressealltag stehen fĂŒr mich PrĂ€zision und wissenschaftliche Evidenz natĂŒrlich an erster Stelle. Jede Zahl in meinen Texten wird doppelt ĂŒberprĂŒft, jede Aussage zu Bakterien oder Viren muss absolut stimmen. Aber Forschungsergebnisse sind oft auch meine erste Inspiration fĂŒr neue BĂŒcher: Werden die Erreger zur nĂ€chsten groĂen Bedrohung? Oder sind sie unverzichtbare Teamplayer in unserem Mikrobiom, in der Umwelt â und unsere neue Zukunftsperspektive?
Im Autorinnenleben darf die Fantasie mitspielen. NatĂŒrlich bevorzuge ich realistische AnsĂ€tze, aber manchmal spinne ich wahre Fakten in die Zukunft weiter. Near-Future-Science-Fiction. âWas wĂ€re, wenn âŠ?â â Diese Frage ist meine Inspirationsquelle. Und so kann es schon vorkommen, dass ich Kolleg*innen mit lauter Fragen zu Anthrax (wie in TOXIN) oder Bakteriophagen löchere â nur um einer fiktiven Mörderin die passende mikrobiologische Waffe in die Hand zu geben. Oder um einen Ort zu finden, an dem in eine kostbare Bakterienstammsammlung eingebrochen wird â wie in PROBE 12.
2. Verhör im Labor vs. im Krimi
Als Wissenschaftsjournalistin fĂŒhre ich regelmĂ€Ăig Interviews mit unseren Forscher*innen. Dabei geht es zwar nicht so dramatisch zu wie in einem Verhörzimmer, aber manchmal fĂŒhlt es sich fast genauso an: âWie sind Sie auf diese Studie gekommen? Wann wurden die Experimente abgeschlossen? Was ist das Ergebnis? Wer hat das finanziert? Und wo ist der Beweis?â
Daraus wird im Krimi gerne eine klassisch dĂŒstere Szene: ein hitziger VerdĂ€chtiger, eine kalte Lampe, ein Ermittler, der auf Antworten drĂ€ngt. In der RealitĂ€t fehlen meistens nur die dramatische Musik und der Moment, in dem jemand sagt: âIch gestehe alles!â

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3. Mordmotiv: Der Laboralltag
Mein Job ist eine unerschöpfliche Quelle fĂŒr Krimiplots: Ein Reagenzröhrchen mit hochgefĂ€hrlichen Bakterien verschwindet spurlos, ein Laborant erkrankt. War es wirklich ein Unfall â oder doch Sabotage? Und was ist mit den merkwĂŒrdigen GerĂ€uschen im KĂŒhlraum, die alle gekonnt ignorieren?
Keine Sorge, all das ist selbstverstÀndlich pure Fiktion. Aber die Vorstellung lÀsst meine Autorinnen-Federn sofort knistern.
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4. Wenn die RealitĂ€t die Fiktion ĂŒbertrifft
Einmal, wĂ€hrend einer Podiumsdiskussion ĂŒber multiresistente Keime, die ich moderierte, fragte eine Zuschauerin ganz direkt: âKann man daraus eigentlich eine Biowaffe bauen?â
Die sachliche Antwort unserer Expertin: âDas ist erstens illegal, extrem gefĂ€hrlich und ein hochkomplexes Unterfangen. Es erfordert spezielles Wissen, kontrollierte Bedingungen, LaborgerĂ€te und Zugang zu biologischen Ressourcen, die in der Regel streng reguliert sind â ganz abgesehen davon, dass es gegen grundlegende ethische Prinzipien verstöĂt.â
Mein Krimi-Hirn setzt in dem Moment aber sofort ein: Wie sÀhe wohl ein skrupelloser Bösewicht aus, der genau dieses Fachwissen besitzt?

5. Die lieben Kolleg*innen als Inspiration
Sind die Figuren in meinen Geschichten reine Erfindung? Nun ja, vielleicht lassen sich gewisse CharakterzĂŒge doch auf Kolleg*innen zurĂŒckfĂŒhren, die mir im Laufe der Jahre begegnet sind. Wie der leicht zerstreute, aber geniale Mikrobiologe, der sich aus Versehen in Ă€uĂerst brenzlige Situationen manövriert. Oder die ehrgeizige Laborleiterin mit dem unterkĂŒhlten LĂ€cheln, die vielleicht ein dunkles Geheimnis hĂŒtet.
(An meine Mitstreiter*innen: Nein, ich meine natĂŒrlich niemanden von euch ⊠wirklich nicht. đ)
6. Presse vs. Plotholes
Als Pressesprecherin kann ich mir kaum Fehler erlauben. Eine kleine Ungenauigkeit in einer offiziellen Mitteilung â und schon haben wir ein Kommunikationsdesaster.
Bei einem Krimi hingegen lieĂe sich jeder Schnitzer noch als raffinierter Hinweis tarnen: âDas hast du nur falsch verstanden â es war ein Clou!â In der Pressearbeit kommt so etwas eher weniger gut an. GlĂŒcklicherweise setzen wir stets auf einen doppelten Faktencheck.
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Am Ende hat dieses Doppelleben fĂŒr mich etwas ungemein Entspannendes: Wenn der reale Forschungsalltag zu viel wird, kann ich in eine fiktionale Welt eintauchen und sie ganz nach meinen Vorstellungen gestalten. Genau das geschah, als ich wĂ€hrend der Corona-Pandemie tĂ€glich im Pressestress war â das Schreiben von Probe 12 wurde morgens und abends zu meiner kreativen Auszeit.
Und wenn ich beim Planen und Schreiben doch einmal feststecke, liefert mir die echte Forschung tÀglich neue, spannende Inspirationen, die die Geschichte weiter vorantreiben.
In diesem Sinne: ein gutes Jahr und viel SpaĂ beim Verfolgen all eurer (noch) lebendigen VorsĂ€tze â und beim Lesen meiner AusflĂŒge in die Welt zwischen Mikroben und Mordmotiven.
Ich verspreche, es bleibt spannend!
News aus dem Mikrobenzirkus-Blog:
Habemus microbium! Corynebacterium ist die Mikrobe 2025
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(Corynebacterium glutamicum, Quelle: CC BY 4.0, Urska Repnik, UniversitÀt Kiel)
Die neue Mikrobe des Jahres 2025 heiĂt Corynebacterium glutamicum und wurde von der VAAM gekĂŒrt. Ich habe ganz aktuell in meinem Wissensblog Mikrobenzirkus schon ausfĂŒhrlich darĂŒber geschrieben. Hier geht es fĂŒr die Interessierten zum ganzen Artikel (Opens in a new window).
In KĂŒrze fĂŒr die Eiligen: Trotz ihres Namens â abgeleitet von âKeuleâ â ist Corynebacterium alles andere als ein gefĂ€hrliches Urzeitwesen. Im Gegenteil: JĂ€hrlich produziert sie tonnenweise Natriumglutamat und wĂŒrzt damit ganz nebenbei unsere Speisen mit dem begehrten âUmamiâ-Geschmack. Ganze GĂŒterzĂŒge könnte man damit fĂŒllen! DarĂŒber hinaus ist das robuste Bakterium auch ein wichtiger Forschungspartner: So hat sich dieser unscheinbare âHidden Championâ still und leise vom sympathischen Laborassistenten zum globalen MarktfĂŒhrer in Sachen AminosĂ€uren entwickelt â und sich den Mikrobe-des-Jahres-Titel mehr als verdient.
Sonntagsfrage aus dem Mikrobenzirkus:
Wenn ihr mir auf Instagram folgt, gibt es jeden Sonntag eine (mikro)biologische Mitmach-Frage zum Abstimmen. RĂŒckmeldung meiner Follower dazu: Macht SpaĂ und man lernt was dabei đ!
Hier geht es zu meinem Instagram-Account (Opens in a new window)
Mehr mikrobielle FundstĂŒcke fĂŒr euch:
Sehenswert:
BĂ€rtierchen: Superhelden der Mikrowelt â ARTE DOKU
đ„ Hier gehtâs zur Doku in der ARTE-Mediathek: BĂ€rtierchen â Superhelden der Mikrowelt (Opens in a new window) (VerfĂŒgbar bis 04.03.2025)
https://youtu.be/pjVumvMzaxA?si=TDnpxXRlrQ1YBkdx (Opens in a new window)BĂ€rtierchen sind die unbestrittenen Superhelden der Mikrowelt â und sehen dabei aus wie die knuffigen Cousins der GummibĂ€rchen! Mit tapsigen Beinchen und einem Körper wie ein Miniatur-Kartoffelsack meistern sie Herausforderungen, bei denen selbst Actionhelden passen mĂŒssten: Vakuum des Alls, radioaktive Strahlung, extreme Temperaturen? FĂŒr sie alles ein Klacks! Kein Wunder, dass die NASA sie 2021 als Astronautenersatz ins All schickte â vielleicht weil niemand sonst so sĂŒĂ und gleichzeitig so robust aussieht. Ob als Star einer wissenschaftlichen Doku oder heimliche Helden einer âLovestoryâ, worin sie Experten sind: Die ĂberlebenskĂŒnstler begeistern Fans und Forscher gleichermaĂen. Und wer weiĂ? Vielleicht helfen uns diese tapferen Winzlinge bald, den Mars zu erobern â natĂŒrlich mit einem tapsigen Schritt fĂŒr die Menschheit!
Hörenswert:
Podcast: Die Macht der Mikroben in unserem Körper
Billionen Mikroorganismen leben in und auf uns â und haben entscheidenden Einfluss auf unser Wohlbefinden. Das Mikrobiom steuert nicht nur Verdauung und Immunsystem, sondern kann auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die Psyche beeinflussen.
Forschungsquartett | Mikrobiom â Die Macht der Mikroben in unserem Körper (Opens in a new window)
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In diesem Sinne: Bleibt gesund und inspiriert!
Schreibt mir sehr gern, ich freue mich ĂŒber ein Like oder ĂŒber euer Feedback
Viele GrĂŒĂe
Eure Susanne Thiele
Aktueller Nachtrag am 31.1.2025:
Eine neue Initiative Autor*innen gegen Rechts gestartet von meiner Schreibkollegin Kathrin Lange hat am 31.1. 2025 im Vorfeld der Bundestagswahl in einem offenen Brief zur Verantwortung aufgerufen.
Ich bin auch unter den Erstunterzeichnerinnen. Das Logo ist freiverwendbar.

Hier geht es zum offenen Brief (Opens in a new window) - aktuell noch auf den Seiten von VS in VER.DI. Die Strukturen fĂŒr weitere Unterzeichnende sind gerade in Arbeit.
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