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Faschismus, Apartheid, Rassismus, Propagandamittel

Netanjahu

In einem Kommentar wurde vorgeschlagen, ich solle mal einen „Workshop“ machen, was Faschismus bedeutet.
Einen Teufel werde ich tun.
Dann habe ich tagelang Spaß mit den Kommentarspalten. Ich zieh mir doch nicht den Hut mit dem Hammer auf.

Denn es gibt gar keine einheitliche Definition für Faschismus.

Im alten Rom und sogar schon bei den Etruskern gab es eine Art Leibwache für hochrangige Politiker, die Liktoren. Aus ihnen wurden später hohe Beamte. Und die trugen, als Zeichen ihrer Gewalt, Rutenbündel, in denen ein Beil steckte: die Liktorenbündel. Die wurden später auch dem Kaiser vorweggetragen. Sie heißen auf Italienisch „Fasces“.
Die italienischen Faschisten wählten diese Bündel als ihr Abzeichen, gleich dem Hakenkreuz der Nazis. Daraus entwickelte sich der Begriff „Faschisten“.

Abzeichen der italiensichen Faschisten

„Faschisten“ haben sich aber sehr selten selber so bezeichnet. Es war ein Begriff ihrer Gegner.
Deshalb gibt es Historiker, die den Begriff heute ausschließlich auf die italienischen Faschisten der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts anlegen. Andere wiederum auch auf die deutschen und japanischen.
Der Begriff wurde propagandistisch verwässert. Beispiel: „Linksfaschismus“ oder „Islamfaschismus“. Beides Widersprüche, Oxymora.

Im Kern hat er aber einige Komponenten, bei denen man sich recht einig ist: Führerkult, Nationalismus, Anti-Marxistisch, anti-liberal (auch wirtschaftlich), anti-demokratisch, Militarismus und Durchsetzung durch Gewalt.

Foto: Musollini und Hitler 1940 in Berlin

Man kann die Regierung Netanjahu von mir aus vieles finden. Aber die Begriffe passen nun einmal wenig bis gar nicht.

Es gibt in Israel keine Ausrichtung auf Netanjahu in einer faschistischen Form eines Führerkultes. Man schaue nur mal auf Putin.
Israel ist nicht mehr oder weniger militaristisch, als es das auch vor Netanjahu schon war. Da es dauerhaft existenziell bedroht ist, gibt es beispielsweise seit jeher eine dreijährige Wehrpflicht. Persönlich halte ich die IDF sogar für demokratischer, als eine „Profi-Armee“ wie beispielsweise in Deutschland oder den USA.
Auch wenn die Regierung versucht hatte, die Macht des obersten Gerichts zu beschneiden, kann man das noch nicht als anti-demokratisch im Sinne des Faschismus bezeichnen. Dazu gehört mehr und sie ist damit eh gescheitert, auch durch die riesigen Demonstrationen im Land. Die Zeichen einer wehrhaften und resilienten Demokratie sind.

Israel ist der liberalste Staat im Nahen Osten, multi-kulti, mit Religionsfreiheit und einer für seine Größe enorm starken, freien Wirtschaft. Anti-Liberalismus kann man wohl auch abhaken.
Es bleibt also nicht viel.

Deshalb habe ich Verständnisprobleme, wenn deutsche „Antifaschisten“ sich an Israel abarbeiten, während die AfD hier Parallelwelten aufbaut.
Zumal die Gesellschaft im Gazastreifen mehr der Kriterien erfüllt. Der gehen gerade nur die Führer aus.

Natürlich setzt Israel seine Ziele in der besetzten West Bank auch mit Gewalt durch. Aber das würde eben jede Besatzung. Das haben auch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland.
Man kann eine Definition nicht danach ausrichten, was einem gerade gefällt. Entweder beides wäre faschistisch, oder beides ist es nicht.
Faschismus ist also ein Begriff, der sich vor allem auf das eigene Land bezieht.

Apartheid

Genau so ein Propaganda-Begriff ist „Apartheid“ geworden. Israel sei ein „Apartheids-Staat“ und der IGH habe das festgestellt.
Die Vollversammlung der UN hatte ein Gutachten bei IGH angefordert, und das kam im Juli 2024 zu dem Schluss, dass Israel mit der Besetzung gegen internationales Recht verstößt. Sehr detailliert, durch bestimmte Dinge der Umsetzung.
Die UN zählt den Gazastreifen dazu, was juristisch aber nicht ausgefochten ist, da die beiden Teile eigentlich keine staatliche Zusammengehörigkeit mehr besitzen.

Aber auf den 83 Seiten kommt genau drei Mal der Begriff „Apartheid“ vor. Wenn es um Vorwürfe geht bzw. dem internationalen Recht. Der IGH hat keine Apartheid festgestellt!
Zudem bezieht sich auch die Apartheid immer auf das eigene Land. Und in einem Land, in dem Muslime bei der Polizei, im Parlament und im Obersten Gericht sitzen, kann es schwerlich eine Rassentrennung geben.

Rassismus

Und das führt zum Begriff Rassismus. Nicht nur, weil er mir ja mehrfach vorgeworfen wurde. Sondern weil vor allem Linksextremisten immer wieder anderen Rassismus vorwerfen. Und gar nicht verstehen, dass man auch gegenüber Weißen rassistisch sein kann. Scheint gerade Mode zu sein.

Rassismus wird zumeist als Diskriminierung definiert. Was aber schon ungenau ist, denn die Diskriminierung kann nur ein Ergebnis von Rassismus sein.
Rassismus bedeutet, Gruppe von Menschen oder einem Angehörigen einer Gruppe negative Eigenschaften zuzuschreiben. Also beispielsweise einer Ethnie, einem Volk, einer „Rasse“ oder einer Religion.

Ein guter Anhalt ist immer, ob diese Menschen etwas dagegen tun könnten. Ob die Zuweisung negativer Eigenschaften überhaupt durch sie selber beeinfluss werden könnte.
Aber ein jüdischer Deutscher ist nun einmal ein Deutscher. Er ist deutsch sozialisiert, spricht deutsch, ist deutscher Staatsbürger. Rassismus gegen Juden wird ihn adressieren, völlig egal, was er tut, wie er sich verhält oder wie er sich selber definiert.

Ist nun jemand beispielsweise dafür, die Zahl von Flüchtlingen zu begrenzen, kann das ein rassistisches Motiv haben. Kann. Aber es kann auch sein, dass derjenige schlicht an Wirtschaftsfaktoren denkt.

Das Vorgehen der IDF für gut begründet zu halten – und ich denke dabei nicht an mich, sondern an eine Politikwissenschaftlerin – kann natürlich einen rassistischen Hintergrund haben. Kann aber auch völlig andere Gründe haben. Die Verknüpfung ist schlicht unstatthaft.

Mir wurde beispielsweise Rassismus vorgeworfen, weil ich als Kern des Nahostkonfliktes den Judenhass der Araber genannt habe. Das sei eine „gruppenspezifische Zuschreibung“.
Das ist aber schlicht aus dem Kontext gelöst, da ich explizit von der Zeit vor der Gründung Israels geschrieben habe. Und die Massaker an Juden und die Ablehnung Israels sprechen eine deutliche Sprache. Das wäre so, als würde jemand den „Judenhass der Deutschen“ etwa 33 bis 45 für Rassismus halten.
Es ist für mich völlig selbstverständlich, dass ich damit nicht den muslimischen Zahnarzt aus Hamburg oder München meine. Und ich traue es meinen Lserinnen und Lesern auch zu, das so zu erkennen.

Legt man es so aus, sind fast alle sozialwissenschaftlichen Studien rassistisch. Denn es gibt ja beispielsweise eine nicht zu leugnende erhöhte Kriminalität bei jungen, männlichen Immigranten. Das gilt aber eben nicht nur für Deutschland, wo derzeit nun einmal viele Immigranten Muslime sind, sondern ebenso für Frankreich, Belgien, UK und die Immigranten New Yorks zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts.

Propagandamittel

Sprache ist immer auch Propagandamittel. Nicht nur im rechten Lager, sondern auch im linken.
Es gehört nun einmal ein gerüttelt Maß an politischer Bildung dazu, solche Codes zu erkennen und zu hinterfragen.

Sobald jemand mit solchen Superlativen um sich schmeißt, ist das immer ein gutes Zeichen, skeptisch zu werden und es zu hinterfragen.

Und nur, um wenigstens etwas Unfug in den Kommentarspalten einzudämmen:
Die Regierung Netanjahu ist rechtsaußen und nationalistisch. Es ist eine Koalition von sieben (jetzt sechs) Parteien, von denen einige sicher als rechtsradikal bezeichnet werden können. Einzelne Politiker, die gerne immer mal wieder angeführt werden (Ben Gvir, Smotrich) sind definitiv rechtsradikal.
Ich kritisiere immer wieder nicht nur das, sondern auch, dass Netanjahu zum Machterhalt an diesen Parteien festhält.

Ich beurteile aber das Vorgehen der IDF. Und das sehe ich als losgelöst vom Willen dieser Politiker, die eigentlich keinerlei Einfluss darauf haben.

Topic Leserfragen

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