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25 Titel in 7 Tagen üben

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Übezeit #26/50

Lesezeit: 11 Minuten

Wie ich ein Musical eingeübt habe…

Kürzlich war ich im Tonstudio und durfte ein Musical einspielen. Innerhalb von vier Tagen haben wir mit sechs Musikerinnen und Musikern die insgesamt 25 Titel von Saturday Night Fever aufgezeichnet. Von September bis November tourt das Musical dann mit diesen Aufnahmen durch ganz Deutschland. Die Noten gab es eine gute Woche vor Recording. Ich dachte mir: was eine hervorragende Gelegenheit, dich in meinen Übe-Prozess zu mitzunehmen.

Schritt 1: Der Überblick

Meine Trompeten-Stimme hatte rund 70 Seiten. Natürlich nicht alle gleich herausfordernd - dennoch hatte ich mir selbst das Ziel gesetzt, jedes Stück mindestens einmal spielen zu wollen.

Meine erste Aufgabe bestand also zunächst darin, mir einen Überblick zu verschaffen, welche Stücke besonders viel Übezeit benötigen würden und welche, mit einmal Durchspielen zu meistern sein sollten. So gehe ich eigentlich immer vor, wenn ich neues Material erarbeite.

Diesen Überblick verschaffe ich mir mithilfe von mentalem Üben (Opens in a new window). Ich scanne Stück für Stück alle Songs und versuche innerlich mir meine Stimme vorzustellen. Meistens greife ich die Noten gleich mit - zumindest bei Songs, bei denen es sofort klappt.

Wir hatten das große Glück, dass es von allen Liedern MIDI-Exporte der Notensoftware gab. Mir hilft das ungemein, um den Kontext meiner Stimme zu verstehen. Ganz davon abgesehen: Am Laptop seine Stimme mental vorbereiten macht zu Musik auch einfach mehr Spaß. Stellen oder Stücke, die ich für besonders übenswert halte, markiere ich anschließend mit einem kleinen Kreuz.

Schritt 2: Ta-Ka-Di-Mi

Sind einmal alle Stücke auf diese Art gescannt, geht’s mir im Überaum darum, möglichst effizient vorzugehen. Das heißt: Von schwer nach leicht.

Gerade als Blechbläser hat man nicht unbegrenzt Kraft und kann schwierige Passagen nicht unendlich oft wiederholen. Deshalb nutze ich auch hier, so oft wie möglich, mentale Übetechniken.

Das können zum Beispiel Visualisierungen von Klang und Griffen sein. Besonders bei rhythmisch komplexen Strukturen, erschließe ich mir die Noten mithilfe von Rhythmussprache.

Im Studium haben wir den indischen Konnakol benutzt. Details würden den Umfang dieses Newsletters sprengen, daher hier meine Kurzform (so, wie ich sie auch beim Üben nutze):

  • 3er Gruppen (z.B. Triolen) lassen sich im Konnakol mit Ta-Ki-Ta rhythmisch sprechen.

  • 4er Gruppen (z.B. 16tel-Noten) können mit Ta-Ka-Di-Mi rhythmisch gesprochen werden.

  • 5er Gruppen (z.B. Quintolen) werden Ta-Di-Gi-Na-Tom ausgesprochen.

Damit sind die meisten rhythmischen Figuren abgedeckt.

Eine Stelle aus dem Musical ergänzt um Konnakol.

Gerade für das präzise Treffen von Off-Beats nach Pausen - besonders bei einer 16tel Unterteilung - hilft mir das Sprechen der Rhythmen. Die Stolperfalle hier liegt auf der Zählzeit 3 im zweiten Takt. Im Vergleich zum Schlag davor kommt die zweite Note (F#) auf Schlag 3+ und nicht nochmal auf die vierte 16tel.

Wann immer möglich, nutze ich auch in Spielsituationen gedanklich dieses Raster, um präzise auf den korrekten Zählzeiten zu landen.

Schritt 3: Temposprünge

Die ersten beiden Schritte haben mir geholfen herauszufinden, welche Stellen besonders übenswert sind und wie sie musikalisch (rhythmisch) funktionieren. Aber: Verstehen ist nicht gleich Spielen. Darum geht es im letzten Schritt darum, alle Stücke auch im Zieltempo spielen zu können.

Wenn du schon länger diesem Newsletter folgst, dann kennst du sicher schon die beiden Ausgaben rund um das Thema Langsam Üben (falls nicht, scrollt mal ein wenig nach unten).

Mein Fokus beim Üben neuer Stücke liegt auf fehlerfreien Durchläufen. Damit das gleich von Beginn klappt, reduziere ich die Komplexität der Phrasen. Das kann zum Beispiel durch

  • langsameres Tempo

  • alles auf dem gleichen Ton

  • noch kleinerer Chunk (=musikalische Phrase)

passieren. Klappt die Phrase ein paar Mal im langsamen Tempo, springe ich sofort ins Zieltempo. Warum? Die lange Antwort findest du hier (Opens in a new window) - die Kurzfassung ist: Schnelles Spielen ist ein anderes motorisches Pattern in unserem Gehirn als langsam Spielen. Daher ist es ratsam bereits möglichst früh im Übe-Prozess ein motorisches Verständnis für das Zieltempo zu haben.

Klappt die Stelle noch nicht im Zieltempo, geht es wieder zurück zum langsamen Tempo. Meistens kombiniere ich dann an diesem Punkt auch weitere Methoden, wie das rhythmische Variieren der Phrase. Das entscheide ich meist abhängig davon, was die größte Herausforderung der Passage ist: Tempo, Töne oder Rhythmus. Alle drei Dimensionen verlangen unterschiedliche Übe-Methoden.

So gehe ich nach und nach alle Stücke durch. Stellen, die auch am nächsten Tag nochmal meine Aufmerksamkeit benötigen, markiere ich mir direkt gelb in den Noten. So reduzieren sich nach und nach die schwierigen Stellen.

👉 Mehr zum Langsamen Üben findest du hier:

Machen das andere auch so?

Das Konzept der Performance Cues

Zur Vorbereitung auf meinen nächsten Interview-Gast bin ich auf eine Studie von Roger Chaffin und Gabriela Imreh aus dem Jahr 2002 gestoßen. Imreh ist Pianistin, die Bachs Italienisches Konzert, wissenschaftlich begleitet vorbereiten sollte. Dort bin ich zum ersten Mal auf das Konzept der Performance Cues gestoßen.

Insgesamt gibt es drei Dimensionen dieser Cues - für unsere Zwecke reichen jedoch schon die ersten beiden aus.

  • Basic Performance Cues - Fingersätze, technische Schwierigkeiten

  • Interpretive Performance Cues - Phrasierung, Dynamik, Tempo

  • (Expressive Performance Cues)

Imreh nutzte dieses Cues, um das Stück vom ersten Lesen an zu strukturieren. So schaffte sie sich nicht nur einen Überblick über den gesamten Notentext, sondern schuf sich gleichzeitig auch eine wichtige Grundlage für das spätere Auswendiglernen des Konzerts.

PS: In der Folge mit Prof. Clemens Wöllner werden wir auch über diese Studie sprechen. Sie erscheint Mitte August.

Wie gehst du vor?

Und wie erarbeitest du dir neue Musikstücke? Wie immer bin ich neugierig. Schreib mir deine Tipps per Email (patrick@what-is-practice.de (Opens in a new window)) oder kommentiere Sie direkt unter dem Artikel (dazu musst du diese Email im Browser öffnen). Ich freue mich von dir zu hören!

Zum schluss 🚀

🎧 Sommer, Sonne, Sonnenschein

Neue Podcast-Folge am Montag!

Heute ist in Rheinland-Pfalz der letzte Schultag vor den Sommerferien. Das haben Marvin Frey und ich zum Anlass genommen über unsere Übe-Routine in den Ferien zu sprechen. Die neue Folge MusicLab powered by Yamaha erscheint am Montag, 7. Juli!

📫 Kennst du jemanden, der diesen Tipp gebrauchen könnte?

Üben macht mehr Spaß zu zweit und Musik wächst durch Austausch.  Wenn du beim Lesen an jemanden gedacht hast, der diese Studie und die Tipps zum langsamen Üben interessant finde könnte, dann:

📩 Kopiere diesen Link und schick ihn weiter:

https://what-is-practice.de/steady

💬 Du hast’s geteilt? Schreib mir, an wen – ich bin neugierig! :)

Topic Kreativ Üben

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