LöwenPost 2025/19
Sino Kolumne: Hozon Auto ~ Weltzivilisationen ~ Saatgut in China

Nun laufen die Entwicklungen in der Autoindustrie in China schneller als ich schreiben kann. In der letzten LöwenPost habe ich über den CEO der Firma Great Wall Motor geschrieben und dazu habe ich nun noch zwei Ergänzungen. Da das Thema der verzögerten Lieferantenbezahlung in der Autoindustrie schon vorher im Fokus stand, hat sich die Branche insbesondere auf Initiative der Stahlindustrie für ein maximales Zahlungsziel von 60 Tagen verpflichtet. Außerdem ist Hozon Auto im Juni durch Beantragung eines Geschäftspartners (!) in das Insolvenzverfahren gerutscht. Mitarbeiter haben wegen ausstehender Löhne zuvor das Büro von Gründer und Firmenchef Fang Yunzhou in Shanghai belagert, so dass er nur unter Polizeischutz das Gebäude verlassen konnte. Seit fast 10 Monaten häufen sich die Meldungen über zusätzliche Kapitalspritzen, Entlassungen, Zahlungsrückständen bei Lieferanten und Reorganisation des Unternehmens. Trotzdem werden auf den Social Media Kanälen von Neta (der Automarke von Hozon Auto) fleißig die Expansionspläne in Thailand, Malaysia und Indonesien beworben. Dieses Jahr wurde angekündigt, dass man ein Werk in Brasilien bauen möchte. Chaotischer kann ein Unternehmen nicht geführt werden. Und so sind es nicht die Produktpalette bzw. Fahrzeuge (nebenbei bemerkt, mag ich persönlich die preiswerten Fahrzeugmodelle wegen ihrer Praktikabilität sehr), die das Unternehmen in finanzielle Schieflage gebracht haben, sondern das dilettantische Management unrealistischen Plänen und fehlender klarer Kommunikation. Bei QQ-News von Tencent ist der passende Kommentar zu lesen: "Ein weiteres ehemaliges Star-Automobilunternehmen ist über den Rand der Klippe gestürzt." ("又一家昔日的明星车企走到了悬崖边缘"). Denn Hozon war bei den Verkaufszahlen sehr erfolgreich, nur die Finanzzahlen sind miserabel. Ganz klar, dass hier das Management über lange Zeit versagt hat. In Thailand fassen die Social Media Kanäle des Unternehmens die Situation so zusammen, dass das Auslandsgeschäft nicht betroffen ist und eine Reorganisation die Situation wieder ins Lot bringt. Überall Zweckoptimismus. Ich weiß nicht, was am Ende des Insolvenzverfahren für das Unternehmen herauskommt, mit diesem Management ist ein positiver Ausgang aber nicht möglich.
Der von mir schon öfters erwähnte Wirtschaftsprofessor Yao Yang ist durch Italien gereist und hat darüber in den letzten Wochen in seinem Videopodcast berichtet. In Rom äußert er passend seine Gedanken zur Entwicklung der Zivilisationen und zieht Vergleiche zum Römischen Reich und dessen Untergang. Auch wenn der Niedergang Europas deutlich an den abnehmenden technologischen Fähigkeiten, der Verwahrlosung des Bildungswesens und der unkontrollierten Migration mit den immer mehr ausbrechenden sozialen Unruhen zu beobachten ist, so warnt er, dass die europäische Zivilisation noch lange nicht am Ende ist. Auch das Römische Reich hat frühzeitig Anzeichen des Verfalls gezeigt und existierte dann doch noch lange Zeit mit all den Verfallserscheinungen der römischen Zivilisation, die dann mit dem Einfall der germanischen Völker verschwand und in ein dunkles Mittelalter endete. Ich darf ergänzen, dass nach dem Ende der Blütezeit mit dem Tod von Kaiser Mark Aurel im Jahr 180 der Zerfall des Reiches und das Bröckeln der Zivilisation circa 300 Jahre lang andauerte und es sogar mit einigen Kaisern wie Pertinax, Aurelian, Diokletian, Julian und Majoran noch einmal zum Aufleben des (West)Römischen Reiches kam. Yao Yang führt zwar aus, dass das 21. Jahrhundert zum chinesischen Jahrhundert wird und die Entwicklungen in China sehr beeindruckend sind, aber er schätzt, dass bis zur Mitte des Jahrhunderts das preisbereinigte Pro-Kopf-BIP in China erst die Hälfte der USA erreichen und dass die Erneuerungen in China noch vier oder fünf Generationen andauern wird. Yao Yang plädiert für die Entwicklung einer Weltzivilisation, deren Integration verschiedener Zivilisationen in verschiedenen Regionen sind und ruft zu einer positiven Einstellung der chinesischen Zivilisation zu anderen Zivilisationen auf. Allerdings möchte ich für den derzeitigen zivilisatorischen Zustand der Welt ergänzen, dass es sich in einem aufstrebenden Staat mit steigendem Wohlstand angenehmer leben lässt, als in bröckelnden Sozialstrukturen, wo die Menschen den Zerfall zwar nicht immer wahrnehmen, doch zumindest spüren und sich somit Spannungen in der Bevölkerung aufbauen. Und wenn es nur die Wahrnehmung beim Zugfahren ist, wie auch Yao Yang ausführt, was in China pünktlicher, sauberer, komfortabler und schneller als in Italien geht.
China hat im Verhältnis zur Einwohnerzahl relativ wenig landwirtschaftliche Nutzfläche. Umso wichtiger sind deshalb die Anstrengungen, die Erträge pro genutzter Fläche zu erhöhen. In den letzten Jahrzehnten sind bedeutende Ertragssteigerungen pro Fläche bei Reis, Weizen und Mais erzielt worden, liegt aber oft noch hinter den jeweiligen führenden Produktionsländern zurück. Ein besonderer Faktor spielt dabei die Forschungsarbeit bei der Saatgutentwicklung. Weltweit gibt es große Saatgutkonzerne, die durch Fusionen und Firmenzukäufe zu regelrechten Giganten geworden sind und somit eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. Um von solchen ausländischen Konzernen unabhängig zu bleiben, plädieren regierungsnahe Experte für Importbeschränkungen und weitere staatliche Investitionen in die heimische Saatgutforschung. Dagegen hat sich nun das Huagu Zhiyuan Biotech & Industry Institute (华谷致远生物科技与产业研究院) positioniert, welches gerade in der Dominanz von staatlichen Forschungsunternehmen und Instituten und der fehlenden Konkurrenzsituation durch Importbeschränkungen das Problem der Innovationsfähigkeit sieht. Hat das Huagu Institut damit recht? Ich persönlich habe dazu eine differenzierte Meinung. Grundsätzlich sind marktgetriebene Innovationsprozesse oft zielführender und effizienter als staatlich gelenkte Verfahren, da die besten Ergebnisse sich durchsetzen. Nur wird dieses Ergebnis immer noch erreicht, wenn die großen ausländischen Konzerne mit ihren gewaltigen Finanzbudgets eine Dominanz erreicht haben, wo sie den Bauern und landwirtschaftlichen Betrieben regelrecht die Preise diktieren können? Erst wurden durch ertragsstarke Sorten kleinere Marktteilnehmer verdrängt und danach die dominante Position mit Preiserhöhungen ausgenutzt, wobei sich die Preise in manchen Regionen in den letzten zwanzig Jahren verdreifacht haben. Daneben entwickeln diese Konzerne Saatgut, was mit bestimmten Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden muss, welches natürlich von den gleichen Konzernen "praktischerweise" auch an die Bauern verkauft wird. Es ist eine ungesunde Branche mit hohen Profiten für die Konzerne und hohen Kosten über die landwirtschaftlichen Betriebe für die Verbraucher, die eben oft an Kapitaleigner und nicht hauptsächlich wieder in die Forschung fließen. Dazu muss man wissen, dass das Huagu Institut eine Einrichtung der privaten chinesischen Biotechnologiefirmen ist, die sich wahrscheinlich von einer Liberalisierung bei der Saatgutforschung mehr Geschäftsanteile versprechen. Ich kann eine Forderung nach mehr Marktkräften verstehen, um den Einfluss eines bürokratischen und langsamen Regierungsapparates zu verringern. Allerdings dürfen nicht solche marktbeherrschenden Konzernmonster entstehen, von denen dann weite Teile der chinesischen Landwirtschaft abhängig wären. Die vielen regionalen Zulassungsbehörden und die rückständige Transformatenbehandlung bei der Forschung sind wirkliche Hemmschuhe für ein modernes Forschungsumfeld bei Saatgut in China, welche eine kritische Betrachtung verdienen. Starke Qualitätskontrollen, Reformen bei den Strukturen und transparente geförderte Forschung kann hier deshalb ein Mittelweg bedeuten.