Wissen ist Macht, oder?
Ein gutes halbes Jahr gibt es nun den WORTSPIELFELD Newsletter, in dem ich bildungspolitische Aufklärungsarbeit leiste und meine Leserschaft entweder gut abhole oder tief in Wunden drücke. Bereits vor diesem Newsletter habe ich feministische Aufklärungsarbeit geleistet — öffentlich auf Bühnen oder social media, privat oder auf Nebenschauplätzen. Bei meinen engagierten Ausflügen in den Feminismus, steche ich, in Bezug auf den Bildungsstand der Zuhörenden und Lesenden, oft gänzlich unwissend in See und fische entsprechend unterschiedliches Feedback. In den letzten Monaten zum Beispiel sagten mir einige Leser:innen, wie dankbar sie über meine Texte seien und wie sehr sie sich immer über diese Post im Mailfach freuen. Eine sagte, ich sei meiner Zeit voraus, andere kommen darüber mit mir in regen Austausch und inspirieren mich zum Weiterdenken und füllen meine Wissenslücken (meistens Schüler:innen, die mindestens 10 Jahre jünger sind) und wieder andere sagen mir ins Gesicht, ich sei eine Männerhasserin. Alles kann ich nachempfinden, auch in jedes vermeintlich kritische Rohr habe ich auch selbst einmal geblasen, da fällt es überhaupt nicht schwer emphatisch zu sein. Mich zur Männerhasserin zu machen, ist deshalb vermeintlich kritisch, da es ein Abwehrmechanismus ist, eine kognitive Wahrnehmungsverzerrung, ein BIAS, eine reflexartige Strategie des Gehirns, die dabei behilflich sein soll, von den eigenen Themen, die ich mit meinen Anstößen anrege oder hinterfrage, abzulenken, indem dadurch der Diskurs verschoben wird und ein strukturelles Problem, welches ich anhand von durchaus persönlichen Beispielen zu veranschaulichen versuche, zu einem individuellen Problem gemacht wird. Dieser Schutzmechanismus mag helfen, sich nicht mit sich selbst und der eigenen Lebenssituation auseinanderzusetzen, es hilft aber in keiner Weise dabei, sich ein Bild von mir persönlich zu machen, ein Psychogram über mich zu erstellen oder mich zu beeinflussen. Ich habe meine Biografie gut studiert und kann milde mit meinen zurückliegenden Fehlern umgehen, zum Beispiel damit, für Gleichberechtigung kämpfende Frauen als unangenehm mannsweibisch (= Wort an dem man beispielhaft das ganze Patriarchat erklären könnte) einzuordnen. Schade finde ich es aber trotzdem, dass es seit ich feministische Aufklärungsarbeit betreibe, regelmäßig Leser:innen und Hörer:innen gibt, die meinen Feminismus mit Männerhass übersetzen. Es ist wirklich ein Trauerspiel, denn es verhindert Allianzen. Weibliche Connecke, die wir Frauen dringend bräuchten.
Was ich in dem Zuge des mir vorgeworfenen Männerhasses an zweiter Stelle gefragt werde, ist, ob ich nicht einen Partner/Mann hätte. Ob ich da mit meinem Männerhass nicht in Widerspruch käme. Ich weiß oft nicht, wo ich da anfangen soll, habe mich für heute aber entschieden, einfach mal ein bisschen transparenter zu sein, was mein Privatleben angeht. Vielleicht stillt das ein wenig den Hunger:
Ich bin manchmal verheiratet, mit einem Mann oder zweien, je nachdem, ob sie gerade offen damit umgehen wollen oder können. Dann bin ich auf pflanzliche Art noch mit einem weiteren Mann verheiratet. Das geht in Deutschland nur deshalb, weil ich aufgrund meiner feministischen Expertise und den wunderschönen Augen einen Sonderstatus genieße, ich telefoniere auch ab und zu mit Rainer Maria Rilke, dem Generalbundesanwalt, er ist der höchste Staatsanwalt in Deutschland, aber verdeckt, das wissen nur wenige, mit ihm hatte ich auch mal was, weil ich seinen zweiten Vornamen so schön fand, so hieß meine Oma. Außerdem habe ich noch eine Ehefrau und eine Affäre mit einer weiteren Frau und einer Transperson, die die heimliche Zweitpartnerin von Friedrich Merz ist. Ich habe ungefähr 9 Kinder, zwei davon mit einem wunderschönen bunten Vogel, der sprechen kann; alle anderen sehe ich nicht so oft, weil ich eine Karriere-Bitch bin und mir ihre Namen nicht merken kann. Es ist vielleicht auch zu anstrengend ihre Ohren zu putzen, denn die sind bei allen Kindern jeweils zwei Meter groß, sie hören dadurch sehr gut, deshalb kommen die jeweiligen Väter auch gut alleine mit der Erziehung klar. Diese meine Kommune lebt in einem Zimmer, ich besuche sie für fünf Minuten am Tag; sie dürfen da zu ihrem Schutz nicht raus, das heißt, wenn Friedrich zu seiner Transperson-Affäre will, muss er sie in meinem Kommunen-Zimmer besuchen. Manchmal erlaube ich es, meistens nicht, eigentlich nie. Es ist alles zu ihrem Besten.
An dritter Stelle werde ich gefragt, wo denn mein Männerhass herkommt; was denn so schlimmes in meiner Biografie geschehen ist, dass ich so denke. Es ist lustig — nicht — ich versuche immer anhand meiner persönlichen Sexismus-Erfahrungen und der aufklärenden meetoo-Bewegung zu erklären, wann und wie bei mir der Groschen fiel, aber am Ende lande ich irgendwie immer in der Situation der Täter-Opfer-Umkehr, was nur bestätigt, wie patriarchale Unterdrückung funktioniert. Zu diesem Thema will ich ein anderes Mal genauer ausführen; auch dazu, dass Feminismus nicht bedeutet Männer zu hassen oder zu entmenschlichen, wie mir auch schon vorgeworfen wurde, komme ich in einem anderen Newsletter nochmal romananmutend wortreich zurück — versprochen. Zurück zur Frage, wo das herkommt, mein Feminismus, der überhaupt nicht neu ist und schon gar keine Erfindung von mir: Bildung war der Schlüssel. Ich habe mich massiv und knietief in Bücher, Podcasts, Dokumentationen und Vorträge hineinbegeben und von wissenschaftlichem, journalistischem und rechtskundigem Wissen genährt. Was ich denke, schreibe und sage, habe ich mir nicht ausgedacht; ich reproduziere jahrzehnte-altes Wissen und Erkenntnisse aus der Forschung, kombiniere und ergänze mit eigenen Erfahrungen und meiner charakteristischen Note; oft bediene ich mich dabei von Inhalten reichweitenstarker Influencerinnen aus diesem Internet; es gibt sehr sehr sehr viele davon; der Markt ist groß. Man kann sich daran abarbeiten. Man kann aber auch anfangen, meine in die Texte eingefügten Links nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern ihnen auch zu folgen und mein Angebot als das zu begreifen, was es ist: als ein Bildungsangebot, mit Unterhaltungsnote. Statt sich also für mich persönlich zu interessieren (ich fühle mich geschmeichelt, aber es gibt wirklich spannenderes), lade ich dazu ein, meinen Inspirationsquellen zu folgen, oder mindestens meine Texte mit einer reflektierten Brille zu lesen, einer Brille, die nach INNEN reflektiert. Alles andere ist Ablenkung.

Wie wird man eigentlich zum Opfer? Wie wird man zum Opfer von Machtmissbrauch, sexualisierter Gewalt oder eines Gewaltverbrechens?
Die allerschlimmste und zugleich sich selbst entlarvendste Antwort darauf, die von vielen reflexartig, mit unwissenden Lippen geformt wird, geht in diese Richtung: weil man nicht stark genug war sich zu wehren. Nur werden für diese Antwort andere Worte benutzt. Worte wie: hä? Du bist doch so eine starke, selbstbewusste Frau, hast du denn nichts dagegen gesagt? und Warum hast du ihn denn nicht verlassen? und Warum hast du deinen Eltern nichts davon erzählt, dass der Klavierlehrer dich angefasst hat? und Warum warst du um diese Uhrzeit denn noch draußen unterwegs? und Warum trägst du in der Kleinstadt auch einen Minirock mit Stiefeln? und Warum hast du nicht aufgepasst? und Selbst schuld, wenn du besoffen warst. und Mir könnte das niemals passieren, weil ich immer stark, stolz und ein bisschen arrogant wirke, da trauen sie sich nicht. Du musst einfach anders auftreten. und Du hast ein starkes Aufmerksamkeitsbedürfnis, ne? Du wolltest das doch, sonst hättest du dich gewehrt. und Dann bist du halt einfach zu dumm. Statt solchen Narrativen auf dem Leim zu gehen, könnte man doch ganz effektiv einfach nur den Täter fragen: warum tust du sowas? Bist du scheiße? Willst du ins Gefängnis? Musst du kollektiv mal ordentlich ausgegrenzt werden? Wenn man sich darüber wundert, warum Menschen auf solche Erklärungen kommen, die hingegen das Opfer von Gewalt zur Verantwortung ziehen, kann man sich auch mal diese Doku anschauen Brainwashed — Sexismus im Kino (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Man versteht über das Vehikel Kino und wie wir darin kultiviert sind, welchen Blick auf Frauen wir gelernt haben einzunehmen, wie wir sie objektifizieren und wie wir ihren Wert allein über ihr Aussehen messen. Diese Formen von Herabsetzung sind ein Türöffner für Gewalt. Denn hat man einen Menschen erst einmal entmenschlicht, kann man ihn behandeln wie ein Objekt.
Es ist abwechselnd erschreckend und belustigend, wie viele Menschen von sich selbst glauben, niemals Opfer von Missbrauch oder Gewalt werden zu können. Allein aus der Überzeugung nährend, dass man solche Schicksale selbst in der Hand hat. Erst auf die verbildlichte und konkrete Nachfrage, ob Kinder, die nachts im Bett von einem Familienmitglied heimgesucht werden, es wirklich selbst in der Hand haben, ob ihnen das jetzt geschieht oder nicht, kommen die Argumente ins Stocken naja, das ist ja natürlich was anderes. Aber ist es das? Die meisten Übergriffe und Gewalttaten, auch gegenüber Erwachsenen, geschehen im vertrauten Nahumfeld. In einem Umfeld, indem es auch unter Erwachsenen, genauso wie bei Kindern, emotionale, wirtschaftliche und soziale Abhängigkeiten gibt, die sehr effektiv daran hindern, dass man sich wehren kann. Dafür kommen verschiedene Waffen zum Einsatz. Scham ist so eine wirkungsvolle Waffe. Wenn man jemanden beschämt, wie mit den beispielhaften Sätzen im oberen Absatz, muss man sich nicht mehr vor ihm/ihr fürchten. Wenn Täter das Instrument der Schuldumkehr benutzen und ihren Opfern einreden, sie seien selbst schuld an diesem Übergriff, weil sie dazu verführt oder provoziert haben, in Kombination mit emotionalen, wirtschaftlichen oder sozialen Abhängigkeiten, dann ist die Gefahr, dass sich ein Opfer vertrauensvoll an Dritte wendet, gebannt. Das ist das älteste und wirksamste Prinzip von Machtmissbrauch.
Wenn man den Gedanken weiterspinnt, oder sich an ganz reellen Biografien entlanghangelt, erkennt man auch, dass jede kleinste Form von Missbrauch, zum Beispiel emotionalem Missbrauch wie Abwertung des Äußeren durch abfällige Blicke oder Kommentare oder abwesende Väter, den Nährboden für weiteren strukturellen und individuellen Missbrauch in Erwachsenen-Beziehungen bereiten. Man weiß schon lange, dass Frauen, deren Väter und Brüder schon in der Kindheit (verbal/emotional) missbräuchliches Verhalten an den Tag legten, sich als Erwachsene immer wieder romantische Beziehungen zu Arschlöchern suchen, in dem Versuch ihr Trauma, durch das wiederholende Muster, zu verarbeiten. Ein klassisches Beispiel für Missbrauch, der seine Ursache in patriarchaler, transgenerationaler Prägung hat, die in der Kindheit beginnt, sich im Erwachsenenalter aufgrund der Partnerwahl fortführt und wieder auf die daraus entstehenden Kinder überträgt. Missbrauch beginnt eben schon weit vor dem körperlichen Übergriff und verändert auf sehr komplexe Weise unser Denken und Handeln; das ist im Nervensystem und im Gehirn messbar, sodass wir manchmal Entscheidungen treffen, von denen wir wissen, sie sind nicht gut für uns, aber dennoch nicht dagegen ankommen (siehe Menschen, die in Gewaltbeziehungen stecken und sich nicht trennen oder jemanden kennenlernen, red flags erkennen und sich trotzdem hoffnungslos verlieben). Es ist wie immer alles viel komplizierter, als manch Marktschreier denkt, der mit dem Finger auf ein Opfer zeigt.
Weitere Möglichmacher für Machtmissbrauch sind zum Beispiel
große Altersunterschiede zwischen Täter und Opfer,
Angst vor sozialer Ächtung, weil der Täter große Anerkennung im Umfeld, Respekt und Wertschätzung genießt, oder weil er auf das Umfeld ebenfalls eine Form der repressiven Unterdrückung ausübt (durch eine hohe Stellung)
internalisierte Misogynie bei Frauen, die dafür sorgt, dass Frauen sich nicht nur gegenseitig nicht das Haar in der Suppe gönnen, sondern selbst so sehr in Abhängigkeit der männlichen Bestätigung stehen, dass sie sich gegenseitig unterdrücken und gaslighten. Dieses Phänomen wird oft als Hierarchisierung von Unterdrückung bezeichnet, ein Prozess, bei dem unterdrückte Menschen selbst andere, noch schwächere Gruppen unterdrücken, um eine eigene Aufwertung in einer sozialen Hierarchie zu erreichen. Im Grunde ist es ein Teufelskreis der Unterdrückung, bei dem die Machtlosigkeit einer Gruppe zur Ausübung von Dominanz über eine andere Gruppe wird, was soziale Koalitionen verhindert.
die Vorstellung von Macht; die Ansicht von selbstverständlichen Verfügbarkeiten über andere Menschen; zum Beispiel haben Männer oft ein Anspruchsdenken an weibliche Verfügbarkeit, in Bezug auf emotionale oder sexuelle Versorgung und sehen in der Partnerschaft mit einer Frau oder auch bei der weiblichen unterstellten Angestellten gewisse Eigentums- und Nutzungsrechte
Hierarchische Systeme oder asymmetrische Konstellationen
wo keine oder wenig Kontrolle ausgeübt wird; in Berufsbranchen wie dem Kunst- und Kultursektor, in Familien, Vereinen, die oft ehrenamtlich organisiert sind, in der Kirche, im Sport
Anonymität; als zeitgemäßestes Beispiel dient hier das Internet und Social Media (frage dich: hat dein Kind einen öffentlichen Whatsapp-Kanal, den jede und jeder jeden Alters anonym und spurenlos besuchen kann? Nutzt dein Teenager Insta, TikTok oder Youtube? Weißt du, dass die meisten Social-Anbieter zwar ein Mindestalter von 13 haben, allerdings laut DSGVO eine Einwilligung der betreffenden Eltern erforderlich ist und die Angaben nicht überprüft werden? Lies mal hier (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Weißt du, mit wem dein Kind im Internet in Kontakt steht? Kannst du das überhaupt kontrollieren? Redet dein Teenager mit dir über sowas? Redet ihr über einen verantwortungsvollen Umgang mit Äußerungen in den Kommentarspalten? Kennst du HateAid (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)? Weißt du, wie man Bildschirmbeschränkungen organisiert und einstellt?)
die inkonsequente staatliche Verfolgung und fehlende Unterstützung der Opfer
Tabuisierung von vermeintlich unangemessenen Themen wie Sexualität, Menstruation, sexuelle Identität, sexuelle Orientierung bzw. die Abweichung von der Norm
ein auf Rollenklischees reduziertes Gesellschaftsbild von Mann und Frau begünstigt den Gedanken einer vermeintlichen Vormachtstellung des Mannes
Verquickungen mit weiteren Diskriminierungsformen wie beispielsweise Rassismus: wenn am Unwohlsein der Frauen im öffentlichen Raum in aller Munde plötzlich vor allem die Männergruppen mit Migrationshintergrund schuld sind. Einer der größten Möglichmacher für Machtmissbrauch ist nicht die Ethnie, es ist das Patriarchat.
Die effektivste Waffe im Kampf gegen Missbrauch, ist Aufklärung!
„Wenn man einem Kind nicht erzählt, dass es nicht normal ist, dass ein Erwachsener mit ihm Sex haben möchte, dann kann dieses Kind das nicht wissen.“ — meine Freundin
Ein Kind ist auch noch ein Kind, wenn es 15 Jahre alt ist und mit einem 30 jährigen (oder jünger oder älter) eine intime/sexuelle/amouröse Beziehung pflegt. Die Aufklärung der eigenen Kinder — dazu gehört in einer Gesellschaft, die durchdrungen ist von Sexismus, auch die feministische Aufklärung — ist die beste und einzige Prävention, für die man aktiv sorgen kann. Täter:innen machen sich die Sprachlosigkeit der Gesellschaft zu nutze, daher ist es wichtig, Kindern altersangemessenes Wissen über Sexualität zu vermitteln. Nur so können sie Worte finden, wenn ihnen etwas unangenehm ist, oder sie Grenzen setzen möchten; nur so können sie benennen, was sie stört und dieses Benennen auch entsprechend im sicheren Umfeld üben, um dann etwas mehr in der Lage zu sein, in einer bedrohlichen oder verletzenden Situation um Hilfe zu bitten, Dritte einzubeziehen und letztlich ein Bewusstsein für Unrecht zu entwickeln. Leider heißt das aber nicht, dass wir unsere Kinder nur aufklären müssen, dann passiert ihnen nichts. Wer nun dieser Logik folgt, verfällt wieder dem Narrativ der Schuldumkehr. Schuldig sind immer nur Täter:innen — Täter:innen, die nicht nur gesellschaftliche Sprachlosigkeit auszunutzen wissen, sondern auch internalisierte Misogynie, die sich durch alle Köpfe zieht, aber auch durch alle Strukturen, wie zum Beispiel das Rechts- oder Gesundheitssystem. Diese strukturelle Gemengelage macht es auch aufgeklärten, selbstbewussten und starken Opfern von sexualisierter Gewalt sehr schwer sich Hilfe zu holen. Jedoch sind die Chancen sich gegen Missbrauch und Gewalt auflehnen zu können und entsprechende Konsequenzen einzuleiten, sehr viel größer, wenn das Opfer aufgeklärt und wachsam gegenüber Diskriminierungen ist (nennt man woke). Die Wahrscheinlichkeit sich wehren zu können, wenn auch im Nachhinein, durch Rechtssprechung, Gleichstellungsbeauftragte oder Awarenessteams, wächst mit jedem feministischen Buch, welches man liest. Meine heutige Buchempfehlung ist „Pick me girls“ (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) von Sophie Passmann, welches ich letzte Nacht, ja, gerade eben, in einem Rutsch und unerwartet tief bewegt gelesen habe. Ich mochte ihre gewählte und abwechslungsreiche Sprache und ihre scharfsinnige Beobachtungs- und Kombinationsgabe.
Wissen ist Macht — stimmt leider nicht in Gänze, denn Geld (vor allem auch in Kombination mit Vitamin B, was sich gegenseitig bedingt) ist immer sehr viel mächtiger; wenn du aufgrund deines aufgeklärten Bewusstseins und deines hohen Bildungsniveaus zum Thema Diskriminierung von Marginalisierten den überreichen CEO (als automatisches Mitglied eines mächtigen Männerbundes) wegen sexualisierter Gewalt am Arbeitsplatz anzeigst, wird er Wege und Ritzen finden, in die er sein Geld oder seinen Einfluss spülen muss, um einer Konsequenz für sein Handeln zu entkommen. Wenn aber viele, sehr viele Menschen ein aufgeklärtes Bewusstsein zum Thema Diskriminierung haben und ein Unrechtsbewusstsein, sowie den transgenerational weitergegebenen Frauenhass durch Aufarbeitung hinter sich gelassen haben und gemeinsam verbündet den Raum dominieren, dann ist Wissen tatsächlich Macht. Und Macht macht bedrohlich. In diesem Fall würde sich diese Bedrohung gegen das Patriarchat richten und auch ziemlich schnell zum Ende dessen führen — in Form von zeitnahen Konsequenzen für diejenigen, die ihre Macht missbrauchen.
Habe ich schon „Und alle so still“ von Mareike Fallwickl (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)empfohlen? Ein feministischer Gesellschaftsroman über Widerspruchsgeist und Solidarität, ein Gedankenexperiment, welches durchspielt was geschieht, wenn alle Frauen dieser Welt aus Protest mit einem Mal alles stehen und liegen lassen würden, wofür sie arbeiten, aber nicht bezahlt werden oder aufgrund ihres Geschlechts beruflich ausgebeutet werden.
Aufklärung zu Sexualität ist mehr als Biologie, Verhütung und Gefahren.
Zur schulischen und elterlichen Aufklärungsverantwortung gehören Themen zu Pubertät, Menstruation(-sbeschwerden und ihre Ursachen), Beziehungen eingehen und pflegen, Kommunikation und Konsens, sexuelle Orientierungen und Identitäten, Geschlechter- und Machtdynamiken, Sex- und Körperdarstellungen in Medien, Umgang mit Gefühlen und Lust, Familienplanung und Schwangerschaftskonflikte, sexuelle Rechte und kulturelle Besonderheiten. All diese Inhalte sollten altersgerecht auf die sexuellen Entwicklungsschritte vorbereiten und ermächtigen für sich und die eigenen Bedürfnisse einzustehen. Zum elterlichen Engagement kann auch gehören, dass man sich um Vorträge und Workshops für Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern bemüht, an Schulen, durch Leute von außen. Die PornoAufklärungsinitiativeDeutschland e.V. PAID (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)sensibilisiert Lernende zwischen 13 und 17 Jahren in Workshops für den Zusammenhang von Pornografie mit der eigenen Sexualentwicklung. Eine weitere wunderbare Bildungsempfehlung ist das Institut für kritische Männerforschung (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), rund um Marie Louise und Christoph May. Letzterer hält Vorträge und gibt Workshops zu Toxischer Männlichkeit, sowie Seminare über Männerbünde, Männerbilder und Kritische Männlichkeit.
Ebenso ist es wichtig Kindern altersangemessene Medienkompetenz zu vermitteln, anstatt aus Überforderung (die absolut verständlich ist) rigorose Mediennutzungsverbote auszusprechen oder ihnen eigene digitale Geräte vorzuenthalten. Medienkompetenz oder Medienmündigkeit ist die Fähigkeit, sowohl Medieninhalte, als auch digitale Endgeräte kritisch, kreativ und sozial verantwortlich zu nutzen und zu gestalten. Es geht dabei nicht nur um technisches Wissen, sondern auch um die Fähigkeit, Medieninhalte zu verstehen, zu bewerten und im Alltag verantwortungsbewusst einzusetzen. Das können Kinder und Jugendliche nur mit nimmermüder Begleitung kompetenter Erwachsener schaffen, die nicht mit einer einmaligen Belehrung getan ist. Dafür braucht es eine tiefe und vertrauensvolle Verbindung zum Kind, stete Kommunikation und einen unaufhörlichen lebendigen Dialog, oder wenn wir ehrlich sind: Diskurs, Auseinandersetzung und Konflikt. Was es mitunter mehr als herausfordernd macht, denn man hat ja auch noch andere Dinge zu tun, aber es nimmt einem nunmal niemand ab. Im Zentrum für sexuelle Bildung & Beratung (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) findet man in Leipzig geeignete Ansprechpartner. Sich bei Überforderung Hilfe zu holen, ist auch eine Form der Verantwortungsübernahme.
Zum Abschluss habe ich noch eine persönliche Erzählung, um die Wichtigkeit und die Schönheit, die in Aufklärung und Wissensvermittlung liegt, zu unterstreichen. Eins meiner 9 Kinder, was ich mit dem bunten Vogel, der sprechen kann, bekommen habe, ne, hat in einem unserer Urlaube die erste Menstruation bekommen und das lief wie folgt:
Mama! Papa!
Ja, was ist passiert? (wussten wir natürlich schon, haben wir am Tonfall des Rufens erkannt)
Ich glaube, ich habe meine Menstruation bekommen!
Was?! Echt?!
Ja?!
Oh, meine Süße, wie wundervoll! Herzlichen Glückwunsch!! (Sandwich-Umarmung mit Vogel und mir, Kind in der Mitte)
Mein Gedanke, den ich noch nicht ausgesprochen hatte: oh, Mist, jetzt haben wir gar nichts mitgenommen (Hygieneartikel). Mein Kind, ebenfalls unausgesprochen, holt zwei Menstruationsschlüppis aus ihrem Koffer und ihr Bruder prüft, wie heiß diese gewaschen werden können, da er bei uns immer die Wäsche macht.
Durch jahrelange und altersgerechte Vorbereitung und Aufklärung solcher Momente haben der wunderschöne bunte Vogel, der sprechen kann, und ich es geschafft, der einen beizubringen für sich selbst gut zu sorgen und sich für ihre Menstruation nicht zu schämen, weil Körperscham ein patriarchales Instrument der Unterdrückung ist. Dem anderen haben wir beigebracht ihr dabei ohne Berührungsängste oder Ekel, neugierig behilflich zu sein und Care für die Familie zu betreiben.
Klappt unter Garantie nicht immer, aber diese neue Generation, die gerade heranwächst, die muss sich für das Patriarchat und diejenigen, die unaufgeklärt mitspielen verdammt bedrohlich anfühlen. Denn sie wissen sehr viel.
Ich freue mich nicht nur über Feedback und einen Mitgliedsbeitrag um diese Arbeit zu einer bezahlten Arbeit zu machen, sondern auch über eine Weiterempfehlung dieses Newsletters. Ich würde sehr gerne viel mehr Menschen erreichen und meine Arbeit ausweiten. Herzlichen Dank.
Es grüßt, Christin
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