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Wütende Frauen und traurige Männer

Als Kinder lernen Mädchen, dass sie lieb sein sollen. Wütende Mädchen werden nicht so gern gesehen. Spätestens als Jugendliche ist dann auch schon verinnerlicht, dass Wut nicht besonders weiblich ist.  Jungen lernen, tapfer zu sein. Weinen sei doch für Mädchen. Und „wie ein Mädchen zu sein“ ist ja leider immer noch die schlimmste Beleidigung für einen Jungen.

Stimmt nicht? Leider zeigt die Forschung, dass das immer noch so ist. Sicherlich: Eltern und andere Bezugspersonen sind unterschiedlich sensibel für solche Stereotype und versuchen z.T. sehr bewusst, darauf aufpassen, eben genau diese Prägung nicht weiterzugeben. Aber zum einen sind wir trotzdem alle von diesen intergenerationalen Bildern davon, wie Frauen oder Männer zu sein haben, geprägt und geben Dinge oft unbewusst weiter – und sei es dadurch, dass wir eben selbst von diesen Bildern geprägt sind und dadurch ungünstige Vorbilder sind. Frauen sind immer noch viel zu oft nett in Situationen, in denen sie eigentlich wütend sein sollten. Und der Zugang zu Trauer, Verletzlichkeit und Tränen fällt Männern in unserer Gesellschaft durchschnittlich immer noch schwerer als Frauen. Und zum anderen wirken auf Mädchen und Jungen auch die weitere Gesellschaft/Kultur/Bilder in Medien etc…

Was ist das Problem daran? Und warum schreibe ich darüber, in einem Newsletter für gute Zusammenarbeit?

Ärger und Wut sind wichtig, um Grenzen setzen zu können und uns sicher und stark in der Welt zu fühlen. Diese Emotionen hängen zusammen mit Abgrenzungsfähigkeit, Selbstwirksamkeitserleben, Selbstbehauptung, dem Mut, Führungsrollen zu übernehmen, und vielem mehr. Wenn wir als Frauen unser ganzes Potential in dieser (Arbeits-)Welt ausdrücken wollen (und genau das braucht diese Welt!!), tun wir gut daran, mit unserer berechtigten Wut in Kontakt zu kommen und unsere Kraft zu spüren. Uns groß machen, statt wegzuducken. In Kontakt kommen mit der Wut über Grenzüberschreitungen und Ungerechtigkeiten im Jetzt. Und mit der jahrelang verbuddelten Wut aus all den Situationen, in denen wir gelächelt haben, obwohl wir uns hätten abgrenzen sollen. Liebe Frauen, setzt Grenzen und behaupten euch, statt die Dinge wegzulächeln. Ja, das kann erstmal Angst machen, weil unser Nervensystem alles Mögliche Schlechte damit verknüpft hat. Aber es gibt auch Kraft. Und Übung hilft. 😊

Auf der anderen Seite bei Männern: Wer seine Tränen nicht spürt, spürt auch seine verletzlichsten Emotionen nicht. Das schnürt einen ab, seine ganze Lebendigkeit zu spüren und tief empathisch mit sich selbst zu sein. Das verringert das Potential an Lebensfreude. Und wer sich nicht gut spürt, spürt auch andere nicht gut. Und das ist mehr als ungünstig: es schränkt ein, wie tief und zufriedenstellend Beziehungen mit anderen sein können, führt eher dazu, dass man die Grenzen anderer überschreitet, sowie zu ungünstigem Verhalten in Konfliktsituationen usw. … All das ist gerade für partizipative Formen der Zusammenarbeit nicht gut. Wenn man sich nicht spürt, überschreitet man außerdem (z. B. bei der Arbeit) eher seine eigenen Grenzen. Das ist ungesund! Und man verfolgt möglicherweise Ziele, die einem selbst (und möglicherweise auch der Welt) gar nicht guttun, weil man nicht gut spürt, welche versteckten eigenen Motive dahinterstecken.  

Was ich euch nicht versprechen kann: Dass das soziale Umfeld es auf jeden Fall feiert, wenn ihr neue Wege in eurem Selbstausdruck geht. Die gesellschaftlichen Normen sind immer noch stark. Je mehr ich zum Beispiel mit meiner Wutkraft in Kontakt komme, desto mehr sind Menschen auch von mir getriggert. Und ich weiß von männlichen Freunden, dass sie durchaus auch schon von Frauen gehört haben, dass sie „unmännlich“ sind, wenn sie verletzliche Gefühle zeigen. Ja, sowas kann passieren. Und trotzdem würden weder ich noch meine Freunde deshalb damit aufhören, mit unserem ganzen Spektrum von Emotionen in Kontakt zu sein. Weil es uns wirklich, wirklich guttut! Und es gibt genug Menschen, die uns genauso auch wertschätzen. Vor allem die Menschen, die diese Emotionen auch nicht in sich unterdrücken.

Allerdings gibt es aus meiner Sicht auf beiden Seiten Dinge zu beachten: Manchmal, wenn man seine Wutkraft neu entdeckt, kann es sein, dass man dann seine Wut erstmal ungefiltert an Menschen auslässt, die gar keine Grenzen überschritten haben. Und dass man übersieht, welchen Anteil man an bestimmten Situationen selbst hat. Das gilt es zu navigieren (auch wenn es nicht immer einfach ist).

Und was emotionale Verletzlichkeit angeht: Oft heißt es ja, dass Frauen das gar nicht sehen wollen bei Männern. Aus meiner Sicht gilt es hier zu differenzieren. Was nicht funktioniert, ist, wenn Männer von Frauen erwarten, in diesen Emotionen dann aufgefangen zu werden und nicht selbst Verantwortung übernehmen, damit umzugehen. Wichtig ist es, die eigene emotionale Kompetenz zu stärken. Dazu gehört es nicht nur, die ganze Bandbreite seiner Emotionen spüren zu lernen, sondern auch, damit selbst-fürsorglich umzugehen, zu lernen, Unterstützung gerade auch bei männlichen Freunden oder auch ggf. Therapeut:innen zu finden und Wege zu lernen, sich selbst zu regulieren. Die weiblichen Personen im eigenen Leben können dann, wenn sie Kapazität dafür haben, eine Unterstützung zum Prozessieren von Emotionen sein, aber nicht die einzige und nicht die, von der man es erwarten kann.

Und schließlich: Das Ganze ist nicht binär. Zum einen kann es auch Männer geben, die Schwierigkeiten mit ihrer Wut haben, und Frauen mit Traurigkeit. Und für nichtbinäre und trans*Menschen dürfte das Ganze sowieso nochmal differenzierter zu betrachten sein.

Zwei spannende Bücher zum Vertiefen:

Was ist dir beim Lesen dieses Artikels durch den Kopf gegangen? Schreib mir gerne an mail@lynvonderladen.de (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Ich freue mich über Rückmeldungen 😊

Herzliche Grüße

Lyn

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Über Lyn von der Laden

Als freiberufliche Wirtschaftspsychologin begleite ich Teams und Organisationen, ihre Zusammenarbeit wirksam, anpassungsfähig und freudvoll zu gestalten. Mehr zu mir und meiner Arbeit findest du auf www.lynvonderladen.de (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

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