„Wo ist denn der Krieg?“ – Echt jetzt?!
Die Rückkehr der Neid-Debatte powered by Empathielosigkeit

Während in der Ukraine Krieg herrscht, echauffieren sich Social-Media-Kommentator:innen über … ?
… Menschen am Strand.
Ja, richtig gelesen. Menschen, die es wagen, in Odessa Anfang Juni bei rund 30 Grad im Meer zu baden. Das ist für einige anscheinend ein größerer Skandal als der eigentliche Krieg.
Denken wir kurz zurück an 2015. Man nannte es „Flüchtlingskrise“. In Wahrheit war es eher eine Empathie-Krise der Aufnahmegesellschaft. Menschen flohen vor Bomben, Hunger, Tod, und was blieb hängen? Erinnert ihr euch noch?
„Die nehmen uns die Jobs weg!“
„Die kriegen Handys geschenkt und leben auf unsere Kosten. Danke, Merkel!“
„Da kommen nur junge Männer!“
Damals wie heute ist das Lieblingshobby vieler: Neid nach unten. Die Kriegsflüchtlinge sind die Bösen, weil sie nicht genug leiden, zumindest nicht sichtbar genug für die Couch-Generäle im Kommentarbereich.
Jetzt 2025, und alles auf Repeat
Die Ukraine wird in der Nacht vom 9. auf den 10. Juni angegriffen: In Odessa sterben zwei Menschen, Dutzende wurden verletzt. Das Verwaltungsgebäude der Notfallstation wurde zerstört. Eine Entbindungsklinik wurde beschädigt. Doch was geht viral? Ein Video vom Otrada-Strand in Odessa.
Fast eine Million Aufrufe. Ein harmloses Video, aufgenommen laut Angabe im Clip Anfang Juni 2025. Menschen liegen auf Strandliegen, Kinder spielen im Sand, Wellen plätschern – scheinbar Idylle pur. Doch unter der Oberfläche dieses viralen Clips brodelt der blanke Zynismus. Nicht wegen des Videos. Sondern wegen der Kommentare.
Der Abort unter den Kommentarspalten: Hier regieren Hass und Neid
Was sich unter dem Video abspielt, ist ein einziges Trauerspiel menschlicher Kälte. Einige Highlights aus dem Empathie-Kerker gefällig? (sic!)
„Die bekommen immer noch Geld – warum und wieso?“
„Wenn sie kein Geld bekommen von Deutschland, dann können sie nicht so feiern.“
„Die machen Urlaub auf unsere Kosten!“„in der Ukraine sind nicht Millionäre es sind Milliardäre. Sie wollen Deutschland arm machen deswegen kommen sie alle zu uns. Dank unsere Politiker.“
„Die leben besser wie vorher – siehe BMW, Ford Mustang.“
„Warum sehe ich da so viele junge Männer? Sollten die nicht ihr Land verteidigen? Könnte allerdings schwer werden, denn irgendwo muss ja das ganze Geld hin verschwinden!“
Und der absolute Tiefpunkt:
„Du siehst doch, da ist doch ein schlimmer Krieg 😂“
„Wo ist denn der Krieg??“
Wie abgestumpft muss man sein, um lachend zu fragen, „wo denn der Krieg“ sei, während Russland in der Nacht darauf einen Luftangriff startet? Auch Odessa traf es. Mitten in der Stadt, nicht weit vom Strand entfernt.
Ein Strand, der zur Todesfalle werden kann
Wer sich darüber aufregt, dass Menschen am Strand liegen, sollte sich mal fragen, wie „luxuriös“ ein Strand ist, der regelmäßig auf Minen abgesucht wird, damit man sich überhaupt hinlegen kann. Ja, Minen. In der Ukraine ist das Alltag, kein „Urlaub auf unsere Kosten“. Das ist der tägliche Tanz mit dem Tod. Oder wie soll man es sonst nennen? Überleben mit Pausen?
Aber wen interessiert das schon, wenn es sich auf Facebook so schön in die Kommentarspalte kotzen lässt?
Neid nach unten: Der Klassiker der Ignoranten
Diese Kommentare sind keine Einzelfälle. Sie sind symptomatisch für eine Gesellschaft, die lieber nach unten tritt als nach oben zu denken. „Die nehmen uns was weg!“ ist der Klassiker, wenn man keine Lust hat, sich mit komplexen Zusammenhängen wie Krieg, Flucht oder internationalem Asylrecht auseinanderzusetzen. Denn das würde ja bedeuten, sich in andere hineinzuversetzen. Und das ist wohl zu viel verlangt in einer Welt, in der ein Video vom Strand als „Beweis“ herhalten muss, dass alles nur ein riesiger Schwindel ist.
Wenn das Mitgefühl an der Strandliege endet und der Verstand bei einem teuren Auto, dann ist nicht der Krieg das Problem, sondern fehlende Menschlichkeit.

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