Tetis rückt ein Stückchen näher
HINTERGRUND / SCHIENENVERKEHR IN DER OBERLAUSITZ
Februar 2024
Der 20-Kilometer-Schienentestring ist für Sachsens Wirtschaftsminister noch immer eine „großartige Projektidee“. Das klang schon mal vollmundiger. Jetzt soll wieder geprüft werden, was daraus werden kann.
Seit seiner Verkündung vor vier Jahren gab es über Tetis selten Neues zu berichten. Auch jetzt nicht wirklich. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) hat den Schienentestring kürzlich in einer Mitteilung seines Hauses ein weiteres Mal als „großartige Projektidee“ bezeichnet. Und er hat dafür Forschungsergebnisse der TU Chemnitz herangezogen, die dieser Idee ein großes Potenzial beschieden haben.
Auffällig ist, dass der vor vier Jahren als Millionenprojekt angekündigte Testring im Sprech des Ministeriums zu einer Projektidee geschrumpft ist. Dulig hat angekündigt, sein Haus werde ein neues Ausschreibungsverfahren für eine Studie zur vertieften Standortprüfung für den Testring starten. Ein solches Verfahren ist im vergangenen Jahr gescheitert. Es fehlten geeignete Angebote.
Eine solche Studie ist sozusagen die Vor-Vor-Stufe für etwas Konkretes. Die Ankündigung ist nur deshalb von Bedeutung, weil der vor vier Jahren vollmundig als Millionenprojekt angekündigte Testring schon als stillschweigend begraben galt. Lange hat sich niemand mehr mit Ankündigungen zu Tetis nach vorn gewagt. Auch jetzt ist das groß angelegte Schienenoval von 20 Kilometern Länge noch immer weit davon entfernt, Realität zu werden. An die Wirtschaftlichkeit eines solchen Bauwerks hat noch kein Investor geglaubt.
Brandenburg trat großzügig zurück
Von einem „echten Achtungszeichen“ für die Schienenfahrzeug-Industrie der Oberlausitz sprach Dulig im Juni 2020. Eine Ansiedlung der besonderen Art sollte es sein, ein Nürburgring für Züge, die dann von der Oberlausitz in die ganze Welt geliefert werden sollten. Große Zahlen kursierten: 270 Millionen Euro Investition standen im Raum, ebenso Tausende von Jobs. Der charmante Name „Tetis“, so sollte der Schienenfahrzeug-Testring abgekürzt heißen, erwies der griechischen Göttin des Meeres die Ehre.
Tetis ist ein Relikt aus Zeiten, als Sachsen und Brandenburg beim Strukturwandel noch Hand in Hand gingen. Zwar kursierten auch andere mögliche Standorte, etwa Mühlberg, Doberlug-Kirchhain, Lauchhammer und Guben. Aber Brandenburg ließ den Sachsen großzügig den Vortritt. In der Folge wurde der Standort Niesky als gesetzt präsentiert. Was die 9000-Einwohner-Stadt im Herzen des Kreises Görlitz qualifiziert, ist die Anbindung an zwei Bahnstrecken.
Trotz Lärmschutzbedenken und nötiger Waldrodung war die Euphorie in den umliegenden Gemeinden spürbar. Die Strukturwandel-Managerin Kathrin Uhlemann wurde als bekennende Freundin von Tetis zur Oberbürgermeisterin von Niesky gewählt. Noch als Referentin der Zukunftswerkstatt Niesky hatte sie die Potenzialstudie erstellt.
Viel Hype um eine Potenzialstudie
Diese Studie war die einzige Quelle, die die sprudelnde Euphorie um Tetis speiste. Darin kommt die ausführende „Zukunftswerkstatt Lausitz“ - auch so ein Relikt - auf 200 Seiten zu dem Schluss, dass der Schienenfahrzeug-Testring im Sinne des Strukturwandels wünschenswert sei. Mit 269 Millionen Euro werden die Kosten darin veranschlagt. 150 Menschen würden am Testring Arbeit finden - darüber hinaus wird eine Beschäftigungswirkung auf knapp 100.000 Menschen in der Lausitz angenommen. Die Studie nennt 41 Unternehmen der Schienenfahrzeugbranche, die von der Investition profitieren könnten, die weit und breit einmalig sei. In Deutschland fehle es an Möglichkeiten für umfangreiche Testkampagnen.
Offenbar hatte Minister Dulig damals wenig mehr in der Hand als diese Studie, als er sich mit der frohen Botschaft nach vorn wagte. Bei all den hohen Zahlen ging unter, dass erst noch ein Investor gefunden werden muss, der baut, betreibt und bezahlt. Weil der aber nicht kommt, werden immer wieder Rufe laut, dass die Staatsregierung eine tragende Rolle bei der Finanzierung übernehmen müsse.
Frank Großmann von der Dresdner Industrie- und Handelskammer hält Tetis nach wie vor für eine wirtschaftlich sinnvolle Sache. „Wenn jemand käme, der sagt, ich baue das, dann gäbe es sicher Interessenten, die es nutzen würden“, ist der Standortleiter in Görlitz überzeugt. „Von Seiten des Wirtschaftsministeriums hätte man das etwas stärker vorantreiben können.“ Aber dafür gibt es aus Dresden weiterhin keine Signale.