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Mit Fördergeld eine coole Kleinstadt werden

HINTERGRUND / KOMMUNALPOLITIK IN DER NIEDERLAUSITZ
  1. Juli 2023

Ohne Förderung kommt kaum eine Kommune dauerhaft voran. Herzberg im Kreis Elbe-Elster macht vor, wie man lässig in vielen Geldtöpfen rührt - und die passenden Leute auf seine Seite zieht.

von Sarah Schaefer

Wie die meisten anderen Städte in der Lausitz ist Herzberg offen für Industrie – vorzugsweise im Bereich der nachhaltigen Technologien. Doch die Flächen sind begrenzt und die Anbindung an die Autobahn ist nicht ideal. Bürgermeister Karsten Eule-Prütz (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) ist realistisch: "Große Industrieansiedlungen wie Tesla kommen wohl eher nicht nach Herzberg", sagt er. Deshalb dreht die Stadtverwaltung die Sache um. Statt wie bei der klassischen Wirtschaftsförderung den Schwerpunkt auf Industrie und Arbeitsplätze zu legen, konzentriert sich Herzbergs Stadtentwicklung auf das Potenzial von Menschen in kreativen und digitalen Berufen. Herzberg wirbt gezielt um Großstädter, die sich langfristig einbringen ins Stadtleben. Eine lebenswerte Stadt mit vielen Angeboten, besonders für Familien, könnte wiederum später Unternehmen überzeugen, sich niederzulassen – so die Idee.

Herzberg liegt weit im Westen der Lausitz und ist mit seinen rund 8.700 Einwohnern viertgrößte Stadt im Landkreis Elbe-Elster. Um Kohleausstieg (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) und Strukturförderung wird hier nicht annähernd so heftig gerungen wie im Dreieck Cottbus-Guben-Spremberg. Dennoch ist der Wandel ein zentrales Thema für die Stadtverwaltung. 

Wir wollen wieder wachsen, wir wollen innovativ und kreativ sein“, sagt Vize-Bürgermeisterin Stephanie Kuntze.„Wir wollen eine coole Kleinstadt sein.“ Kuntze ist 36 und studierte Verwaltungsökonomin. Was es braucht: Ideen für die Stadtentwicklung, Fördergeld und engagierte Menschen, die sich in der Förderlandschaft auskennen und wissen, wie man an das Fördergeld kommt.

„Summer of Pioneers“ als Startschuss

Das ist auf kommunaler Ebene nicht selbstverständlich. Es erfordert ein hohes Maß an Kompetenz in vielen Bereichen, um neue Perspektiven für eine Stadt zu schaffen Dazu gehören Wirtschaftsentwicklung, Bildungsförderung und das Wissen darum, welche Arbeitsplätze wirklich gebraucht werden. Kleine Kommunen können da schnell überfordert sein, nicht zuletzt, weil es oft an Personal fehlt.

Wir möchten zeigen, was hier möglich ist", sagt Stephanie Kuntze. Die Verwaltung stößt Projekte an, die darauf abzielen, die Stadt lebenswerter zu machen. Herzberg will das Ehrenamt stärken und die Bürgerbeteiligung ausbauen. Es will leerstehende Gebäude beleben und mehr Angebote zum Radfahren schaffen. Und es möchte Menschen aus anderen Teilen Deutschlands dafür gewinnen, in die Stadt zu ziehen.

Einige hat die Stadt schon gewonnen. 2022 nahm Herzberg am „Summer of Pioneers (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)" teil – ein Projekt, bei dem Landlustige einen Sommer lang auf Probe in Herzberg lebten. Zu günstigen Konditionen durften sie Wohnungen und Büroplätze nutzen, im Gegenzug haben sie Ideen für die Zukunft der Stadt entwickelt. Einige sind danach in der Stadt geblieben, gründeten den Verein "Landwerft (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)". Der Verein betreibt das Projekthaus "3 Horizonte (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)", ein Begegnungsort gleich hinter dem Rathaus, mit Veranstaltungsraum, Coworking und Gästezimmern. In den Summer of Pioneers flossen Fördermittel von der Wirtschaftsförderung Brandenburg, das 3-Horizonte-Haus bekommt Geld aus dem Programm Digitale Orte des Brandenburger Wirtschaftsministeriums. Auf diese Weise verlängern Stadt und Verein den sommerlichen Ansiedlungserfolg.

Herzberg hat erkannt, dass es als Anlaufstelle für junge Akademikerinnen und Akademiker punkten kann. Viele sind offen für die neue Lebenswelt Kleinstadt, kommen mit wenig aus und können ihre Arbeit überall machen, wo es Wlan und Kaffee gibt. So soll es weitergehen. Mit einem sogenannten Ko-Campus möchte Herzberg Auszubildende und Studierende gewinnen  – obwohl es in 70 Kilometern Radius keine Hochschule gibt. Es gibt außerdem Überlegungen, eine Zweigstelle des Zentrums für Popularmusik Brandenburg (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) (ZPop) einzurichten. Das in Potsdam ansässige Kompetenzzentrum will ins Land hinein wirken – und Herzberg braucht Kreative. 

Weitere Förderprojekte in Herzberg drehen sich um die Belebung des Bahnhofs und der Plattenbauten, um Rad- und Fußwegenetze, um Digitalisierung, Lastenräder und die familienfreundliche Stadt. Von der Initiative Heimat 2.0 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) des Bundesbauministeriums und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung gibt es Mittel für die Entwicklung einer digitalen Ehrenamtsplattform sowie für die Teilnahme am Netzwerk Zukunftsorte (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), bei dem es um Lösungen für die Nutzung leerstehender Gebäude geht.

Nur mit 80 Prozent Förderquote

Die Förderungen bewegen sich laut Kuntze um die 80.000 bis 600.000 Euro. Die Stadt stellt Anträge nur bei einer Förderquote von 80 Prozent. Drei bis vier Leute kümmern sich im Herzberger Rathaus um die Anträge, allerdings nicht in Vollzeit, sondern neben ihren sonstigen Aufgaben. „Der Aufwand, sich zu bewerben, ist immens hoch“, sagt Herzbergs Vize-Bürgermeisterin. Die Bewerbungsfristen seien oft kurz, auf neue Programme müsse man auch spontan reagieren können. Deswegen brauche es einen guten Überblick über die Förderlandschaft. 

Hilfreich sei es, Kooperationspartner zu haben. Im Fall von Herzberg sind das etwa der Verein „Neuland 21 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)", das vom Land Brandenburg initiierte Netzwerk Zukunftsorte und die BTU Cottbus-Senftenberg. Durch die vielen Projekte habe sich die Stadt ein gutes Netzwerk aufgebaut, von dem sie viel Unterstützung bekomme. 

Sujet Politik