Was EPH in der Lausitz will
ANALYSE / ENERGIEWIRTSCHAFT IN DEUTSCHLAND UND TSCHECHIEN
Der tschechische Mutterkonzern der Leag will 2030 aus der Kohle aussteigen. Die ostdeutsche Braunkohle soll aber weiterlaufen wie geplant. Was steckt dahinter?
von Christine Keilholz
August 2023

Auf einer Rekultivierungsfläche im Tagebau Jänschwalde wird sichtbar, wohin die Bergbau-Industrie der Lausitz strebt. Mitten in der Mondlandschaft sollen bald 17 Windenergieanlagen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) stehen, die zusammen rund 100 Megawatt Strom produzieren. Und es geht noch weiter: Mit dem Windpark Forst-Briesnig II (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) und dem geplanten Energiepark Bohrau nebenan ergeben sich mehr als 500 Megawatt an erneuerbarer Leistung. Gleich zwei Töchter der tschechischen Energetický a Průmyslový Holding (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) (EPH) sind involviert. Das Bergbau-Unternehmen Leag ist Flächeneigentümerin und Auftraggeberin. Die EP New Energies (EPNE) entwickelt und baut.
Dieses Duo steht im Fokus der Kritik von Umweltverbänden. „In Gestalt von Leag oder EPNE mischt der Konzern in Deutschland nicht nur energiewirtschaftlich mit, er nimmt auch Einfluss auf die Politik und versucht nicht zuletzt, umfangreiche öffentliche Gelder für seine neuen Geschäftsfelder zu erhalten.“ So heißt es in einem Bericht, den das tschechische Umweltnetzwerk Re-Set veröffentlicht hat mit dem Titel „Ein fossiler Energiegigant: Wie Daniel Křetínskýs Unternehmen EPH das Klima zerstört, von Energiearmut profitiert und die Demokratie gefährdet (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)". Der Bericht ist vor kurzem auf Deutsch erschienen. Die Initiative legt darin die Strategie des Energiegiganten aus Prag offen - der sich selbst stets bedeckt hält. Aus den Aktivitäten von EPH auf den europäischen Energiemärkten baut Re-Set ein detailreiches Bild zusammen.
Geschäft mit Erneuerbaren beherrschen
In dieses Bild passt auch, dass EPH kürzlich seinen Kohleausstieg für 2030 (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) ankündigte - aber im nächsten Atemzug die ostdeutsche Kohlesparte davon ausnahm. 2016 kaufte EPH die Braunkohleindustrie der Lausitz, um am goldenen Ende der Kohleverstromung zu verdienen. 2025 will der EPH-Eigentümer Křetínský das deutsche Braunkohlegeschäft auslagern. Leag und Mibrag sollen dann in ein Unternehmen namens „ER Energy Transition (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)“ überführt werden.
Überraschen dürfte das kaum. EPH ist mit 50 Prozent an der Leag beteiligt, die andere Hälfte gehört dem tschechischen Finanzinvestor PPF (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Naheliegend ist, dass Křetínský durch die Auslagerung das Kohlegeschäft in Eigenregie weiterführen will - ohne den Partner PPF. Über seine Pläne gibt der 48-jährige Milliardär kaum etwas bekannt. Als er 2012 begann, deutsche Kohlekraftwerke aufzukaufen, begriff kaum jemand die Motivation. Der Kohleausstieg war damals schon absehbar.
Mittlerweile wird deutlich: EPH spekuliert auf die Entschädigungen für den vorzeitigen Kohleausstieg. „Teil des heutigen Systems zu sein, ist kein Ausschlusskriterium für diejenigen, die überhaupt zukünftige Lösungen haben“, schrieb der Leag-Vorstandschef Thorsten Kramer jüngst in einem LinkedIn-Post. Will heißen: Heute Kohle verbrennen und morgen das Geschäft mit den Erneuerbaren beherrschen, das ist kein Widerspruch. Im Gegenteil, EPH finanziert mit dem einen das andere.
Komplettanbieter für die Energiewende
Mit 1,75 Milliarden Euro Entschädigung kann der Lausitzer Bergbau-Betreiber rechnen, wenn das Kohlegeschäft 2038 planmäßig beendet wird. Doch dem Anschein nach braucht die Leag das Geld früher. Etwa um den Windpark im Tagebau Jänschwalde zu finanzieren. Die Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz liegt vor. Die Vorbereitung des Baugrunds steht an. Damit werden auch Kosten fällig.
Der Windpark im Tagebau Jänschwalde ist nur ein Teil dessen, was die Leag unter dem Label „Gigawatt-Factory (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)“ plant. Das als „Deutschlands grünes Powerhouse“ im Herbst 2022 angekündigte Großprojekt soll die Leag zur erneuerbaren Grundlast führen. Bis zum Jahr 2030 sollen sieben Gigawatt und bis 2040 das Doppelte über Wind- und Solar-Stromerzeugung ans Netz gehen. Hinzu kommen Langzeit-Batteriespeicher und H2-ready-Gaskraftwerke. „Dieser Wandel wird schon in den nächsten Jahren mit der Inbetriebnahme der ersten Anlagen in Forst-Briesnig, auf dem Cottbuser Ostsee, in Bohrau, Dissen, Boxberg und an anderen Projektstandorten deutlich sichtbar werden“, kündigte CEO Kramer im Juni an.
Mit solcher Rhetorik bringen sich die Leag und ihre Konzernmutter als Komplettanbieter für die Energiewende ins Spiel. Für den Aufbau der Gigawatt-Factory will die Leag auch einen Teil der Entschädigungssumme von 1,75 Milliarden nutzen. Die EU-Kommission prüft derzeit noch, ob die Entschädigungshöhe beihilferechtlich zulässig ist.
Milliarden-Entschädigung mehrfach verplant
Mit dem Ukrainekrieg wird das vielschichtige und teils widersprüchliche Geschäft der EPH augenfällig. Für das 2021 stillgelegte Kohlekraftwerk Mehrum bei Hildesheim kassierte EPH bereits die Prämie - und muss diese auch nicht zurückzahlen, obwohl das Kraftwerk 2022 wieder ans Netz ging. Gleichzeitig verdient EPH als Pipeline-Betreiber an russischem Gas.
Mit den Lausitzer Kraftwerken erwarb EPH auch die Verpflichtung zu rekultivieren. Das macht die Pläne, das Kohlegeschäft auszulagern, umso brisanter. Fraglich ist, ob die Milliarden für die Ewigkeitskosten ebenfalls in die neue Gesellschaft überführt werden müssen. Für die vier Tagebaue der Leag in der Lausitz sind Milliardenbeträge an Ewigkeitskosten zu erwarten. „In der Bilanz der Leag sind dafür aber lediglich 215 Millionen Euro eingestellt“, hat Björn Ellner (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) vom Nabu Brandenburg ausgerechnet. Der Löwenanteil wäre demnach aus jener Entschädigung zu zahlen, die das Energieunternehmen für den früheren Kohleausstieg bekommen soll.
„Wenn jetzt nicht die Weichen gestellt werden, wird am Schluss die Steuerzahler für die Beseitigung der Schäden aufkommen müssen, während die möglichen Gewinne einer Gigawatt Factory ins Ausland abfließen“, warnt René Schuster (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), Chef der Grünen Liga, die den Bericht von Re-Set auf Deutsch veröffentlicht hat. Rekultivierung und der Aufbau der Gigafactory - das wird kaum parallel zu zahlen sein. Wenn EPH noch Gewinne machen will.