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Die neue Medien-Ära (und wie du dich auf sie vorbereitest)

Es ist Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Heute: Wer das Gedächtnis kontrolliert, dominiert.

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Hallo!

Das ist das Foto meiner Waschmaschine, das ich neulich bei ChatGPT hochgeladen habe, mit dem Auftrag mir zu erklären, was der Fehler E20 bedeutet und wie ich ihn loswerde.

Die KI erkannte das Modell der Maschine, erklärte mir detailliert, dass ich unten rechts irgendwelche Klappen öffnen, Dinge rausschrauben, Auffangnetze leeren und es dann mal versuchen, beziehungsweise – falls das nicht hülfe – an einem Schlauch wackeln, den Stecker ziehen und nochmal versuchen sollte. Als letzten Hinweis warnte mich die App, es könne dabei verschmutztes Wasser austreten. Ich solle also daran denken, Juri wegzusperren.

Juri, das ist mein Hund.

Mich überrascht diese Technologie nur noch selten. Ich war ziemlich sicher, dass mir die Künstliche Intelligenz helfen würde, Fehler E20 zu eliminieren und damit etwas Alltagsfrust aus meinem Leben zu beseitigen. Aber dieser letzte Satz hat mich dann doch nochmal erstaunt. ChatGPT hatte sich offensichtlich gemerkt1, dass ich einen Hund habe, wie er heißt und das in Bezug gesetzt zur Waschmaschinenlösung. Krass – und etwas creepy.

Warum gerade alle abwarten

Bitte diese Anekdote kurz mal beiseitelegen, bis ich hergeleitet habe, was meine Waschmaschine und mein Hund mit der weiteren Entwicklung der Medien zu tun haben könnten.

Ich versuche seit einiger Zeit ein sachdienliches Denkmodell für die Auswirkung von KI auf die Medien zu finden, ein mental model als Handlungshilfe. Zwar ist allen wohl inzwischen klar, dass wir es hier mit einer neuen Phase des Internets zu tun haben. Aber was genau diese neue Phase den Medien bringt, ist ganz und gar nicht geklärt. Deswegen ist es derzeit schwierig, sich auf Szenarien vorzubereiten, die Zukunft zu planen, Entscheidung zu fällen. Wir warten ab.

Ich möchte hier ein Denkmodell vorstellen, von dem ich natürlich nicht weiß, wie nützlich es sich im Nachhinein herausstellen wird. Aber im Moment finde ich es plausibel, auf diese Art und Weise über die zukünftige Verbreitung und Finanzierung von Medien nachzudenken. Also stelle ich es hier zur Debatte.

Drei desaströse Ären

Grob vereinfacht: Digitale Medien haben sich in den vergangenen 25 Jahren ein aufs andere Mal an neue Tech-Plattformen angepasst – und sind dabei stets schlecht weggekommen.

  1. Die Search-Ära: Wir Medien und Creators haben all unsere Inhalte erst suchmaschinenoptimiert, mit Schlagworten ausgestattet, so formatiert (AMP Stories, News Showcase-Panels, Google Discover), dass der Google-Algorithmus sie möglichst vielen Leuten als Suchergebnisse anzeigen und damit auf unsere Webseiten schleusen würde. Redaktionen optimierten Inhalte auf Keywords statt auf Nutzerbedürfnisse.

  2. Die Mobile-Ära: Als das iPhone eine App-Store anbot, bauten alle Medien, so schnell es ging, mobile Apps und waren für den Zugang zu dieser Plattform gezwungen, eine 30-prozentige Apple Tax zu akzeptieren.

  3. Die Social-Ära: Als Facebook unsere Netzwerke an Bekannten und Freundinnen im Internet nachbildete, formatierten die Medien ihre Inhalte um und begannen sogar, Inhalte für diese sozialen Plattformen zu produzieren (wir erinnern uns an den desaströsen „Pivot to Video“ und die kurzlebigen Facebook Instant Articles).

Die bittere Bilanz: Abhängigkeit von Dritten, kaum Kontrolle über Monetarisierung, Erniedrigung. Die direkte Beziehung zum Leser ging verloren.

Plattformen dominieren, öffnen, kassieren

Was wird die KI-Ära bringen? Der Unternehmer Brian Balfour beschreibt in seinem aktuellen Essay The Next Great Distribution Shift (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), wie die großen Umwälzungen immer nach dem gleichen Muster ablaufen – und in welcher Phase wir uns dabei in der neuen KI-Ära gerade befinden. So läuft es nämlich immer:

  • Phase 1: Dominieren. Jede Plattform findet zunächst heraus, was sie unangreifbar macht. Bei Google waren es die Suchdaten (Was wollen die Leute?). Bei Apple war es das App-Ökosystem und der Zugang zum Mini-Computer in jeder Hosentasche. Bei Facebook war es die Kontrolle über den Social Graph (Wer kennt wen?).

  • Phase 2: Öffnen. Die Plattform schafft ein „offenes“ Ökosystem und bezirzt uns Medien, darauf aufbauen. Es winken kostenloser API-Schnittstellen, virales Wachstum, Umsatzbeteiligung. Warum? Weil alle, die auf der Plattform aufbauen, sie stabiler machen und schwerer zu verdrängen.

  • Phase 3: Kassieren. Sobald die Plattform eine dominante Stellung erreicht, ändern sich die Regeln. Was vorher umsonst war, kostet plötzlich. Was erlaubt war, wird eingeschränkt. Die Plattformen beginnen, mit uns zu konkurrieren: Sie bauen eigene Versionen der erfolgreichsten App und Inhalte. Sie kassieren eine Umsatzbeteiligung. Sie reduzieren die Reichweite künstlich, damit wir dafür zahlen.

Balfour sagt voraus, dass neue KI-Plattformen wie ChatGPT sich zu zentralen Distributionskanälen entwickeln könnten, ähnlich wie es zuvor bei Google, Facebook oder Apple war. Angenommen, er hat recht und dieses Muster wiederholt sich auch bei der neuen Plattform Künstliche Intelligenz2: Wie genau würde das aussehen?

Wer das Gedächtnis kontrolliert, dominiert

Das, was sie unangreifbar machen könnte – und jetzt kommen meine Waschmaschine und mein Hund wieder ins Spiel – ist ihre Fähigkeit zur Personalisierung durch Kontext und Gedächtnis. OpenAI – und die anderen Anbieter sicher auch – arbeiten daran, zu deinem allwissenden KI-Assistenten zu werden; eine Art digitaler Zwilling3, der deinen Alltag begleitet, all deine Kommunikation speichert und so nützlich ist, dass du dir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen kannst.

Dein Zwilling kennt dich besser als dein:e Lebenspartner:in, deine engsten Freund:innen, wahrscheinlich als du selbst. Er kennt deine Waschmaschinen-Probleme, den Namen deines Haustiers, deine tiefsten Zweifel und Gedanken. Er weiß alles über dich. Diese „Memory“-Funktion wird zum neuen Lock-in-Mechanismus, der es für Nutzer fast unmöglich macht, die Plattform zu verlassen.4 Wer das Gedächtnis kontrolliert, dominiert.

Indem KI-Anbieter Nutzerdaten sammeln und speichern, ermöglichen sie personalisierte Erlebnisse, auch für Medien. Und darum wird bald der nächste Schritt folgen: die große Öffnung. Wir Medien können uns in den kommenden Monaten auf das Angebot einstellen, mithilfe von ChatGPT und anderen KIs „kostenlos“ neue Medienprodukte zu entwickeln.

Wie KI-Medien aussehen

Stell dir eine Schnittstelle vor, die es uns ermöglicht, Inhalte für unsere User zu personalisieren. Jeder einzelne User bekommt dann eine individuell auf seine Vorlieben und Fähigkeiten angepasste Version deiner Publikation. Die KI wird erklären, kürzen und zuspitzen, umformatieren in Text, Bild oder Audio und um weitere Informationen und Quellen ergänzen. Sie wird die Nutzungsgewohnheiten, politischen Vorlieben, Unterhaltungs-Interessen automatisch analysieren und optimieren und dir ein unwiderstehliches, weil auf dich ganz persönlich maßgeschneiderte Medienprodukt erstellen.

Wie Google, Apple und Facebook wird die KI den Medien anbieten, die Distribution unserer Inhalte zu übernehmen. Stell dir vor, deine Publikation könnte mir einen Artikel/Podcast/Newsletter über die besten Waschmaschinen liefern, über die Entfernung von Hundehaaren oder die Doppelbelastung Beruf und Familie. Die Relevanz für mein Leben wäre viele größer als jede beliebige Nachrichtenseite. Alles, was du tun müsstest: OpenAI solche Inhalte zuliefern – sonst kommst du nicht vor.

Wir werden stauen, es wird uns magisch vorkommen, wir werden vielleicht auch zweifeln, diskutieren und zetern – aber wir werden alle mitmachen. Wir werden unsere Inhalte in dieses neue Ökosystem einspeisen und dadurch den Kontakt zu unserem Publikum weiter verlieren.

Oh, ein paar tun es sogar bereits: OpenAI zahlt News Corp (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) (Wall Street Journal, NY Post …) über 250 Mio. Dollar für fünf Jahre Content-Nutzung. Auch Axel Springer ist an Bord (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Und die Washington Post, The Times, The Sun, People, Better Homes & Gardens, Investopedia, The Atlantic, The Verge, New York Magazine, Vulture, Financial Times, Le Monde, Courrier International, El País, AS, Cinco Días und Associated Press.

Die Medien machen den gleichen alten Fehler: Wir folgen wieder einem kurzfristigen, scheinbar unwiderstehlichen Trend, statt einer eigenen, nachhaltigen Strategie. Schon bald folgt aber Phase drei: Dann werden wir für diese Möglichkeiten zahlen müssen.

Wie eine Strategie aussehen könnte, die diese Fehler vermeidet, darauf habe ich – Überraschung – keine ultimative Antwort. Um eine paar Schlussfolgerungen für die anstehenden Weichenstellungen aber geht es in einer kommenden Blaupause.

Nach einer kontrollierten Flutung meines Badezimmers funktioniert die Waschmaschine übrigens wieder. Auch Juri geht es gut. Ich hatte ihn zur Sicherheit weggesperrt.

Bis nächsten Montag
👋 Sebastian

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