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tag eins: Ein seltener Akt innerparlamentarischer Rebellion

Hallo!

Heute ist wieder tag eins. Du liest deinen täglichen Nachrichtenüberblick.

Die Regierung hat sich am Mittwoch auf die Einrichtung einer Bundesstaatsanwaltschaft geeinigt. Justizministerin Anna Sporrer verkündete die Einigung mit einem Seitenhieb auf das bisherige System: „Ich werde voraussichtlich die letzte Justizministerin sein, die Weisungen erteilen könnte und das ist gut so.“ Die Reform soll im Herbst auf den Weg gebracht werden. Sie könnte eine seit Jahren umstrittene Besonderheit des österreichischen Justizsystems beenden: die Möglichkeit politischer Einflussnahme auf Strafverfahren. Genaues wissen wir im Herbst, aber die Sätze der Ministerin klingen vielversprechend.

Außerdem hat der Nationalrat eine umstrittene Änderung beschlossen, die den Online-Auftritt von Politiker*innen betrifft. Künftig dürfen Mitarbeiter*innen aus Ministerbüros Beiträge auf den Social-Media-Kanälen ihrer Ressortchef*innen verfassen – ohne dass dies automatisch als Parteispende gewertet wird. Ganz einig war sich die Koalition nicht: Bei den NEOS fehlten Abgeordnete bei der Abstimmung. Bei der Abstimmung über den Bundestrojaner stimmten zwei NEOS-Abgeordnete dagegen. 

Mehr dazu gibt es im heutigen Newsletter:

DIE DREI THEMEN DES TAGES

1. Die Rückkehr des Bundestrojaners

Der Bundestrojaner kehrt zurück – und diesmal ganz offiziell. Nach jahrelanger Debatte hat der Nationalrat am Mittwochnachmittag grünes Licht für die sogenannte Messenger-Überwachung gegeben. Der Staatsschutz darf künftig nicht nur unverschlüsselte, sondern auch verschlüsselte Kommunikation über Dienste wie WhatsApp oder Signal mitlesen. Möglich macht das ein Gesetz, das für erheblichen Widerspruch sorgt – nicht nur in der Opposition.

Zwar stimmten die FPÖ und die Grünen geschlossen gegen die Vorlage, doch auch innerhalb der Regierungsparteien regte sich Widerstand. Die NEOS-Abgeordneten Nikolaus Scherak und Stephanie Krisper votierten dagegen – ein seltener Akt innerparlamentarischer Rebellion, der in der eigenen Partei für Verstimmung gesorgt haben soll, um es höflich zu formulieren. Darüber hat der Presse-Journalist Oliver Pink in seinem Newsletter geschrieben (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

Kritik kam umgehend von Bürgerrechtler*innen und Datenschützer*innen. Sie sprechen von einem tiefen Eingriff in die Privatsphäre. Der Staat, so der Tenor, erhalte ein Instrument, das aus dem Arsenal autoritärer Regime stammt.

Dabei ist der Bundestrojaner in Österreich kein Neuling – sondern eher ein alter Bekannter, wie das Profil vor Jahren enthüllte (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Bereits 2011 hatte das Innenministerium Überwachungssoftware ohne rechtliche Grundlage beschafft und eingesetzt. Bekannt ist, dass sie im Umfeld von Ermittlungen zu Islamismus zum Einsatz kam – und offenbar auch gegen Tierschützer*innen zumindest erwogen wurde.

2019 erklärte der Verfassungsgerichtshof die damaligen Pläne der ÖVP-FPÖ-Regierung für unzulässig. Die Hürden für den Einsatz entsprechender Software setzte das Höchstgericht so hoch, dass viele Expert*innen sie seither als praktisch unanwendbar betrachten. Daran hat sich offenbar wenig geändert: Datenschützer*innen kündigten bereits an, auch gegen die Neuauflage juristisch vorzugehen.

2. Geheimdienst ließ Ex-FBI-Chef Comey nach Trump-kritischem Post überwachen

Der Secret Service hat Ex-FBI-Chef James Comey nach einem umstrittenen Social-Media-Post offenbar tagelang überwacht. Auslöser war ein scheinbar harmloses Strandfoto, das Comey veröffentlicht hatte: Muscheln, arrangiert zu „86 47“. Für viele Trump-Kritiker*innen ist das ein codierter Slogan. „86“ steht im amerikanischen Slang für „ausschalten“ oder „loswerden“, „47“ bezieht sich auf Trumps mögliche zweite Amtszeit als 47. Präsident der USA. Trump-Anhänger*innen sahen darin einen Aufruf zur Gewalt.

Laut New York Times (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) verfolgten Ermittler*innen in Zivil Comey und seine Frau quer durch mehrere Bundesstaaten, lokalisierten sein Handy und warteten an seinem Wohnhaus. Comey beteuert, keine politische Botschaft beabsichtigt zu haben, und löschte das Bild.

Ehemalige Sicherheitsbeamt*innen zeigen sich irritiert: Eine derart intensive Überwachung sei bei Personen ohne Gewaltgeschichte ungewöhnlich, so die New York Times

Gestern wurde auch öffentlich, dass die US-Bundespolizei FBI gegen Comey und Ex-CIA-Direktor John Brennan ermittelt. Hintergrund ist laut US-Medien die Russlandaffäre rund um die Wahl 2016, in der Moskau Trump unterstützt und Hillary Clinton geschwächt haben soll.

Comey und Brennan spielten damals eine zentrale Rolle bei der Weitergabe entsprechender Informationen. Ein Sonderermittler fand jedoch kein strafbares Verhalten. Trump hatte beide Männer schon während seiner Amtszeit entmachtet. Nun spricht er von „verdammt korrupten“ Personen, die womöglich „einen Preis zahlen“ müssten. Von den Ermittlungen wisse er angeblich nichts – „außer dem, was ich heute gelesen habe“.

3. Auslaufmodell Windows 10 – und was jetzt?

Im Oktober stellt Microsoft den Support für Windows 10 ein. Sicherheitsupdates wird es danach nicht mehr geben. Millionen Rechner sind damit neu auftauchender Schadsoftware – etwa Staats- und Erpressungstrojanern – schutzlos ausgeliefert, selbst wenn bekannte Schwachstellen bereits öffentlich dokumentiert sind.

Nur wer zahlt, bekommt Aufschub: Microsoft gewährt zahlungswilligen Nutzer*innen eine zwölfmonatige Gnadenfrist – für 30 Dollar, umgerechnet etwa 25 Euro. Unternehmen müssen tiefer in die Tasche greifen: Pro Gerät werden 60 Dollar (rund 50 Euro) fällig, meldet der Spiegel (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). 

Wer weiterhin auf Windows setzen will, dem bleibt nur der Umstieg auf Windows 11. Doch das hat seine Tücken: Die Systemanforderungen sind derart hoch, dass viele Geräte aus der Zeit vor 2018 nicht mehr unterstützt werden – Microsoft erklärt sie faktisch zu Elektroschrott. Für viele Nutzer*innen bedeutet das: Ein neuer Rechner muss her.

Mutige können jedoch einen anderen Weg einschlagen – und bei ihrer alten Hardware bleiben. Das alternative Betriebssystem Linux hat in den vergangenen Jahren einen beachtlichen Entwicklungssprung gemacht. Es ist inzwischen erstaunlich benutzerfreundlich, viele populäre Programme wie Microsoft Office oder Photoshop lassen sich bequem im Browser nutzen. Besonders die Varianten Linux Mint und Ubuntu gelten als einsteigerfreundlich – und könnten für so manchen ausgedienten Windows-PC eine zweite Karriere bedeuten. Dieses ct-Video (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) stellt aktuelle Linux-Desktops vor.

DIE DREI TIPPS DES TAGES


1. Österreichische Recherche des Tages

Und noch einmal zum Bundestrojaner: Der IT-Journalist Erich Möchel hat mit Datum über die Risiken der von der Regierung geplanten Messengerdienst-Überwachung gesprochen. Herausgekommen ist ein hörenswerter Podcast (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).

2. Krautreporter-Artikel des Tages: „Der perfekte Angestellte ist auch der perfekte Kriegsverbrecher“

Die Täter*innen von Kriegsverbrechen gelten oft als Monster. Doch die meisten sind Menschen wie du und ich – überzeugt, das Richtige zu tun. 

Jetzt lesen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)

3. Fundstück des Tages

Der Podcast Tatort Geschichte – True Crime meets History (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) des Bayerischen Rundfunks hat eine Folge über den Juliputsch 1934 veröffentlicht, der im öffentlichen Bewusstsein bis heute kaum vorkommt. 

Damals versuchten österreichische Nazis, die Regierung von Engelbert Dollfuß zu stürzen. Die Putschisten ermordeten Dollfuß im Bundeskanzleramt und versuchten, in vielen Gebieten die Macht zu übernehmen. Bei Kämpfen starben zwischen 223 und 270 Menschen, die genaue Zahl ist nicht bekannt. Unter den NS-Putschisten war auch Robert Haider, der Vater des späteren FPÖ-Parteiobmanns Jörg Haider.

Einen schönen Nachmittag wünscht:

Markus

Protraitfoto von Markus Sulzbacher
Foto: Severin Wurnig

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