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Das Abonnement und das Ende der liberalen Demokratie

Mieten

„Mieten statt Kaufen“ ist ein altes Konzept. Es basiert auf dem Prinzip: Wer mietet, besitzt nicht. Man erhält lediglich ein temporäres Nutzungsrecht – Zugang, der strikt an die regelmäßige Zahlung gebunden ist. Sobald diese Zahlungen ausbleiben, endet nicht nur das Recht zur Nutzung, sondern verschwindet auch der konkrete Zugang selbst – sei es zur Wohnung, zum Auto oder, wie im digitalen Zeitalter immer häufiger, zu Daten, Software oder Plattformen. Das heißt: Statt in eine räumliche Aneignung wird in eine zeitliche investiert.

In diesem temporale Shift steckt auch ein strukturell asymmetrisches Verhältnis: Mietende zahlen laufend Geld, ohne jemals Eigentum anzuhäufen. Geld fließt – aber es erzeugt keinen bleibenden Wert. Die Mittel verschwinden, ohne eine Vermögen aufzubauen. Es ist also auf Seiten der Mietenden temporär. Die Besitzenden hingegen profitieren dauerhaft: Ihnen gehört das Eigentum, das vermietet wird, und sie erhalten eine stetige Einkommensquelle daraus. Aus ihrer Perspektive funktioniert das Mietverhältnis als Kapitalertrag – es sind quasi „Zinsen“, die ein materieller oder immaterieller Besitzgegenstand kontinuierlich abwirft.

Mieten ist derart eine Form der Umverteilung: von unten nach oben, von jenen, die kein Eigentum haben (und somit auf Miete angewiesen sind), zu jenen, die Eigentum besitzen (es aneignen konnten und daher Einkommen aus Mieteinnahmen generieren). Das gilt für klassische Bereiche wie Wohnraum oder Maschinen ebenso wie für moderne, digitale Mietverhältnisse – etwa beim Leasing von Software, Serverkapazität oder Cloud-Speicher.

Während Eigentum als Mittel der Sicherung, Teilhabe und Unabhängigkeit gilt, verstärkt das Mietmodell langfristig Abhängigkeiten und Ungleichheiten: Wer nichts besitzt, bleibt dauerhaft im Zustand der Schuldigkeit – gezwungen, immer wieder zu zahlen, ohne Garantie auf anhaltenden Zugang. Mieten bedeutet daher auch: Kontrolle. Wer jedoch Besitz hat, kann mit diesem weitere Mittel „erwirtschaften“, mehr Eigentum (und damit Macht) anhäufen – durch die bloße Bereitstellung von temportären Zugang.

Ausweitung der Mietverhältnisse

Eine wachsende Zahl an Mietverhältnissen sind jedoch nicht optional, sonder werden zu Notwendigkeiten, denen man sich nicht entziehen kann (im Gegensatz zum Netflix Abo). Z.B. der Zugang zu digitalen Produktionsmitteln. Immer mehr essentielle Werkzeuge der digitalen Arbeitswelt – insbesondere professionelle Software – sind nicht mehr käuflich erwerbbar. Stattdessen wird ihr Gebrauch ausschließlich über sogenannte Abonnementmodelle ermöglicht. Das bedeutet: Nutzer*innen besitzen die Software nicht mehr, sondern erhalten lediglich zeitlich begrenzte Nutzungsrechte – gegen eine regelmäßige Zahlung, sei es monatlich oder jährlich. Nutzer*innen besitzen also die Mittel zur eigenen Lebenssicherung nicht, sondern müssen für diese kontinuierlich bezahlen. Sie müssen sich Arbeiten zu können, immer wieder aufs Neue leisten können.

Während früher der Kauf einer Software – etwa einer Lizenz für eine Videobearbeitungs-, Grafik- oder Musikproduktionssoftware – einen dauerhaften Zugriff bedeutete, ist heute der Zugriff oft an kontinuierliche Zahlungen gekoppelt. Wird das Abo nicht verlängert, verlieren Nutzer*innen nicht nur die Möglichkeit, die Software zu verwenden, sondern auch den Zugriff auf ihre eigenen Projekte, die nur mit eben jener Software bearbeitet werden können (oft sind Projektdaten in Datenformaten kodiert, die sich nicht in anderen Programmen öffnen lassen und daher das spezielle Programm benötigen. Bei professioneller Software ist dies gang und gäbe, besonders bei großer Marktdominanz.)

Damit verschiebt sich auch die Machtbalance: Hersteller behalten die Kontrolle über das Produkt, und Nutzende werden dauerhaft abhängig. Es entsteht ein Zustand des digitalen Mietverhältnisses, bei dem Kreativität, berufliche Arbeit und sogar der Zugang zu den eigenen Daten von regelmäßigen Zahlung abhängen. Eigentum wird ersetzt durch Zugang, Besitz durch Nutzungs-lizenzen – ein Modell, das nicht nur ökonomisch bindet, sondern auch strukturell entmachtet. Denn der Zugang kann zu jeder Zeit den Nutzenden entzogen werden, Änderungen in der Software brauchen keine Rücksprache und die Nutzung setzt eine Internetverbindung voraus. Dabei besitzen professionelle Nutzende meist keine Option auf andere Software auszuweichen, weil Industriestandards oder Monopolstellungen das verhindern oder es einfach kein Konkurrenzprodukt gibt (oft auch keine Open-Source Alternativen). — Und diese Entwicklung betrifft nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Unternehmen und (öffentliche) Institutionen.1

Insofern steht das Abo-Modell symbolisch für eine tiefgreifende Verschiebung im digitalen Kapitalismus: Die Produktionsmittel der Gegenwart – in Form von Code, Plattformen und digitalen Werkzeugen – werden nicht mehr verteilt, sondern zentral verwaltet und vermietet. Wer kreativ oder produktiv tätig sein will, muss mieten. Das heißt: es findet eine fortschreitende Enteignung der Subjekte statt. Das aber stellt zunehmend die Idee von Eigentum an sich und die politische Ordnung in Frage. Der Kapitalismus unterläuft auch hier, die demokratischen Gesellschaften.

Liberale Gesellschaft

Eine der Grundfeste der liberalen Gesellschaft ist das Eigentum. Die Unabhängigkeit des Subjekts ist in der liberalen Gesellschaft an sein Eigentumsrecht geknüpft. Sein erstes und fundamentales Eigentum ist sein eigener Körper. Das bedeutet, dass jeder ein Recht auf sich selbst, auf seinen Körper und seine Arbeit hat. Dieses Selbsteigentum ist die Grundlage aller weiteren Eigentumsrechte. Wird dieses Grundprinzip der liberalen Demokratie jedoch über die stetige Enteignung (durch Mietverhältnisse) im Realen, wie Digitalen stetig unterlaufen, erodiert das Fundament der liberalen Gesellschaft und damit der liberalen Demokratie.

Denn die Verschiebung von „Eigentum im Raum“ zu „Zugang in der Zeit“ bedeutet: Die grundlegende Erfahrung eines solchen Subjektes ist einerseits die Unfreiheit (immer wieder muss man zahlen und immer bleibt man in der Abhängigkeit des Willens eines anderen, der einem das Nutzungsrecht willkürlich entziehen kann) und andererseits das Verschwinden der Zukunft (weil jede Bewegung zur Wiederholung des immer gleichen Aktes des Wiederzahlenmüssens wird, wird die Zukunft zur Wiederkehr des ewig Gleichen und damit fällt sie in sich zusammen und verliert jedes utopische Potenzial - sie existiert nicht länger als Raum bzw. Vorstellungs- oder Planungsraum - und sei es nur ganz einfach in dem Sinne, dass man seinen Kinder etwas zu hinterlassen plant).

Das liberale Subjekt konnte nur existieren, solange das Versprechen für es glaubhaft war, dass es Teil an der Akkumulation und Persistenz von Eigentum hatte. Mit dem Verschwinden dieses Versprechens in der Auflösung von Eigentum und seine Überführung in Zugänge (seine Temporalisierung), verschwindet auch die Legitimation des liberalen Subjekts und mit ihm das Fundament der liberalen Demokratie. 

Diese Konstellation aus einem fragilem Subjekt, dessen Unfreiheit steigt, bei gleichzeitiger Auflösung einer Zukunftsperspektive und zerfallender Verankerung in der liberalen Gesellschaft, ist einer der Gründe für die im Moment politische und gesellschaftliche Auflösung. Da weder ökonomisch noch sozial irgendetwas gegen diese Zerfall unternommen wird, im Gegenteil die bisherigen Bestrebungen verstärkt werden (z.B. Veräußerung staatlicher Funktion und Besitz in private Hand, was zur weiteren Ausweitung von Mietbeziehungen führt, Abbau des Sozialstaates, weiter steigende Umverteilung und damit wachsende gesellschaftliche Ungleichheit), dürfte das Erodieren von Gesellschaft weiter gehen.

Die Erosion der liberalen Demokratie hat viele Ursachen.

Natürlich ist dies nur ein Moment in einer Welt der multipolaren Krisen. Aber es ist einer, der durch den neoliberalen und digitalen Kapitalismus vorangetrieben wird. Ein Faktor der jener Wirtschaftsform inhärent ist und die Grundsubstanz des gesellschaftlichen Verhältnisses mit abträgt. Wenn die Abhängigkeiten des Subjektes steigen, die liberale Gesellschaft für es immer weniger bindend wird, weil sie nicht mehr seine Existenz, sein gesellschaftliches Grundverhältnis garantiert und der mögliche Raum einer Zukunft für es in ihr nicht länger aufscheinen kann oder immer geringer wird, dann wird jenes Subjekt sich den Stimmen zuwenden, die ihm zumindest noch ein Versprechen und einen möglichen Halt, ein mögliches Existenzrecht für es selbst, verheißen. (In dieser Situation reicht das Versprechen, es muss gar keine reelle Garantie mehr sein, weil es nur noch um Hoffnung geht.) Es legitimiert sich dann unter diesen Versprechen nicht mehr aus den liberalen Begriffen von: Eigentum, Sicherheit, Freiheit - sondern aus denen reaktionären von: Boden, Volk, Heimat und Aneignung (Gewalt). 

  1. Die Enteignung bedeutet auch, dass einmal investiertes Geld nicht zurück gewonnen werden kann. Konnte man die Serie als DVD/ BlueRay oder die Software als Lizenz noch weiterverkaufen und so einen Teil des investierten Geldes später zurück erlangen, geht dies im Abomodell natürlich nicht mehr. Statt dessen zahlt man unablässig. Die Beziehung ist vom Verhältnis des Eigentums zu einer zeitlosen Schuldigkeit übergegangen.