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Newsletter – dein kreativer Journaling Kurs #4

Leichter schreiben – zur richtigen Zeit

Done is better than Morgenroutine

Zu Beginn meines Theologiestudiums, als ich lange vor meinem Kirchenaustritt noch sehr viel Zeit in recht konservativen christlichen Kreisen verbrachte, gab es das Prinzip „Morgenroutine“ schon im religiösen Gewand und nannte sich „Stille Zeit“. Wir pflegten ein fast mönchisches Ideal des frühen Aufstehens mit Bibel lesen und Gebet. Weil das allseits so anerkannt war in meinen Kreisen und fast zum guten Ton gehörte, nahm ich diese Sitte ein wenig selbstironisch aufs Korn, indem ich direkt vorne auf meiner Bibel einen Aufkleber platzierte, auf dem stand „Es steht nirgendwo geschrieben, dass man die Bibel nur lesen darf, wenn es Morgens noch dunkel ist“.

Das trifft sehr umfassend auch auf das Schreiben zu: So sinnvoll und gut feste Zeiten sein können, so deutlich möchte ich doch vorab betonen: wichtiger als der richtige Zeitpunkt ist immer das „es überhaupt tun“. Ich schreibe seit vielen Jahrzehnten Tagebuch, in der Regel beginnt mein Tag mit dieser Routine, aber es gibt auch Morgen, die nicht so gut laufen, Tage, in die ich nur schwer rein komme, weil ich mich krank, niedergeschlagen oder melancholisch fühle. An diesen Tagen verpasse ich meine sonst so geliebte 5-Uhr-Routine, aber ganz oft hole ich meine Tagebuch Zeit nach – mitten am Tag, am Abend – dann, wenn ich mir die die Zeit nehme. Es ist wie mit einer Liebesbeziehung: je mehr du das Journaling liebst, desto mehr liebt es dich zurück, desto mehr profitierst du vom Schreiben. Zeit hat man nie, Zeit nimmt man sich. Und das muss nicht immer ausufernd und lange sein. So wie ich nur an manchen Tagen Zeit habe, mit meinem Partner schick essen zu gehen, nutzen wir doch die Zeit, in der die Kinder in der Schule sind, um gemeinsam spät zu frühstücken und zu quatschen. Und an den Tagen, an denen die Kinder komplett bei uns sind, seilen wir uns eben nach dem Essen mit unserem Kaffee ab, setzen uns kurz in den Wintergarten und pflegen ein kurzes 4-Augen-Gespräch. - Manchmal, wenn ich meine Morgenroutine „verpennt“ habe, und meine Schreibzeit später nachhole, ist es einfach nur ein kurzes, stichpunktartiges Brainstorming, das oft nicht länger als 5 Minuten oder 2, 3 Sätze dauert. Täglich dran zu bleiben ist also mein wichtigster Ratschlag, bevor ich mit euch die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt bedenke.

Die Frage nach dem Chronotyp: Bist du eine Lerche oder eher eine Eule?

Es ist kein Geheimnis, dass Menschen meist eine Vorliebe für frühes oder eben für spätes Durchstarten haben. Immer wieder, wenn ich mich auf Instagram bei meiner Morgenroutine gezeigt habe in den vergangenen Jahren, schrieben mir Menschen: „Ich beneide dich für deine Disziplin – ich würde gerne auch früh aufstehen, aber ich schaffe es einfach nicht!“ Ich antworte dann stets: Mir bereitet das frühe aufstehen gar keine Mühe – ich werde ohne Wecker eigentlich immer zwischen 5 und 6Uhr wach – zu meinem Leidwesen auch, wenn es Abends spät geworden ist. Dafür tue ich mich echt super schwer, wenn die Abende länger dauern. Wenn meine Kinder erst gegen 21Uhr30 im Bett sind, merke ich regelmäßig, wie unterschwellig aggressiv und ungnädig ich mit ihnen bin, weil ich keine Lust mehr habe und nur noch schlafen will. Filme um 20Uhr starten? - eigentlich zu spät für mich. Leider.

Fällt dir das Schreiben am Morgen leicht – oder glühen deine Gedanken erst nachts richtig auf? Das ist eine Frage deines Chronotyps und es ist immer gut, sich daran ein wenig zu orientieren, denn das Schreiben wird dir leichter fallen, wenn du es nicht gegen deinen eigenen Biorhythmus durchziehst. Einige von uns sind eben Lerchen und andere sind Eulen – und das ist auch vollkommen in Ordnung. Wenn du das Gefühl hast, deine Worte kommen entweder gar nicht oder nur zu unmöglichen Zeiten: Dann ist diese Mail für dich.

Morgenroutine oder Nachtsession – die ideale Schreibzeit finden

Schreiben ist wie Atmen mit der Seele, aber wie beim echten Atmen hilft der richtige Rhythmus. Viele Autor*innen glauben, sie müssten "nur diszipliniert genug" sein. Doch oft geht es viel mehr darum, den eigenen natürlichen Takt zu erkennen – und genau darin liegt die Kraft. Unser Biorhythmus tickt individuell und während die „Lerchen“ morgens wach, klar und sortiert sind, starten „Eulen“ eher langsam – und erleben abends kreative Höhenflüge. Wer sich gegen den eigenen Rhythmus schreibt, kämpft nicht nur mit Worten, sondern auch mit sich selbst. Dennoch gibt es einige psychologische Vorteile für das eine oder das andere, die man sich ggf zu Nutze machen kann.

Psychologische Vorteile am Morgen: Am Morgen ist der Kopf meist sehr klar, da hat das Gedankenchaos der Welt noch nicht begonnen. Verstärkt wird dieser Effekt, wenn wir uns angewöhnen, das Handy nicht gleich morgens zur Hand zu nehmen, sondern unseren ersten Dialog den mit uns selbst sein zu lassen. Das Schreiben am Morgen kann den Ton für den Tag setzen – wie ein inneres Gespräch mit sich selbst. Neuropsychologisch bist du hier oft fokussierter, analytischer, strukturierter. Ich versuche mir gerade den allmorgendlichen Griff zum Handy wieder abzugewöhnen und lasse mein Handy im Schlafzimmer liegen, wenn ich aufstehe. Mein Tag bekommt dadurch das Vorzeichen meiner eigenen Tonalität. Negative Stimmen und Impulse, Schwierigkeiten und Sorgen, die mein Außenwelt-connectetes Handy für mich bereit hält, treffen auf eine anders gestärkte Seele, wenn sie am Tag nicht das erste Wort haben.

Psychologische Vorteile des Schreibens am Abend: Am Abend ist die innere Zensur oft müder, dafür spricht dein Unterbewusstsein lauter. Das bedeutet, dass Emotionen manchmal leichter zugänglich sind und Gedanken freier fließen. Der Abend kann also der perfekte Moment sein für poetische, tiefgehende Texte im Flow deiner gegenwärtigen Emotionen. Deine innere Kritikerin, die dir sonst so gerne einflüstert, dass deine Gedanken nicht relevant genug oder viel zu chaotisch sind, sind am Abend leiser. Außerdem kann das Schreiben am Abend, vielleicht sogar kurz vor dem Schlafengehen, den Vorteil haben, dass du vor dem Einschlafen noch mal einen Braindump hast, deine kreisenden Gedanken zu Papier bringst und sie damit leise stellst. Manch einem Menschen fällt dadurch das Abschalten und Einschlafen leichter. Der Abend ist außerdem ein guter Moment für ein Dankbarkeitstagebuch, weil diese Routine dazu verhilft, den Tag positiv und mit bestärkenden Gedanken abzuschließen.

Muss ich mich entscheiden?

Nein, du musst dich nicht entscheiden. Du darfst Routine UND Freiheit kombinieren. Oder die Vorteile beider Tageszeiten für dich nutzen: Ich schreibe am Morgen sehr frei einfach „von der Leber weg“ und versuche dadurch, mein Inneres zu ordnen und auszurichten, während ich am Abend 5 Dinge notiere, für die ich dankbar bin. Dabei versuche ich auch, eher schweren Dingen eine positive Sicht oder Facette abzugewinnen. Wenn ich Gedankenkarussells bemerke, schreibe ich alles, was noch zu bedenken ist, auf einen Notizzettel.

Manche Schreibenden beginnen mit einem morgendlichen Freewriting und gönnen sich abends eine kreative Nachtsession mit Musik, Tee oder Kerzenlicht. Beides kann sich sehr schön und befriedigend anfühlen – oder frei nach meinen ersten Morgenroutine Erfahrungen als Studentin: Es steht nirgendwo geschrieben, dass eine Morgenroutine nicht aus mal am Abend stattfinden darf. So pinkelig zu sein ist eh nichts für einen kreativen Geist. Schreiben darf Teil deines Lebens werden und das geht besser als Begegnung, nicht als Verpflichtung. Eine gute Mischung aus fester Routine und Freiheit ist sinnvoll, ebenso wie sich bewusst zu machen, dass jede Schreibzeit ihre Vorteile hat und das genutzt werden darf.

Wie du beginnen kannst:

Anker setzen: Routinen einzupflegen schafft man am ehesten dadurch, dass man sich selbst Mini-Rituale schafft, die dem immer gleichen Ablauf folgen: Eine bestimmte Tasse, eine Musikplaylist, eine Duftkerze – also kleine Anker, die deinem Gehirn signalisieren: Jetzt wird geschrieben. Ich mache mir am Morgen immer zuerst einen Matcha und der steht neben mir, wenn ich mein Journal aufschlage. Wenn du noch gar keine Morgenroutine hast, dann überlege mal, welche Handgriffe oder Abläufe sich bei dir jeden Tag in gleicher Weise vollziehen, denn meist ist es am einfachsten, wenn wir neue Routinen an vorhandene einfach anknüpfen lassen. Du trinkst jeden Morgen deinen Kaffee? Dann lege dein Tagebuch neben die Kaffeemaschine. Du lüftest das Schlafzimmer vor dem Schlafengehen? Dann hülle dich in dieser Zeit in eine warme Decke und schreibe, während frische Luft durch dein Schlafzimmer pustet. Du schaust jeden Abend um 19Uhr die Nachrichten? Dann zücke im Anschluss deinen Bleistift und gewöhne dir an, ein paar Zeilen nach den Nachrichten aus aller Welt zu notieren und deine Message an dich selbst das letzte Wort zum aktuellen Lage sein zu lassen.

Mut zur Kürze: Eine5-Minuten Schreibzeit reicht für den Anfang vollkommen aus. Setz dich einfach hin und schreibe fünf Minuten. Ohne Druck. Oft bleibt man dann doch länger sitzen, aber die „5 Minuten sind okay“ Einstellung führt dazu, dass wir einfach machen statt uns zu fragen, ob die Zeit noch ausreicht, ob wir überhaupt genug zu sagen haben, ob nicht etwas anderes gerade dringender wäre. Heute Morgen beispielsweise habe ich eine Deadline und mein erster Gedanke, als ich mit meinem Matcha am Schreibtisch saß, war: „Ach, mach doch das, was dich zeitlich drängt, zuerst. Und dann habe ich mir gesagt: „Ja, aber erst Tagebuch, darf ja heute auch mal kürzer ausfallen. Und dann habe ich 4, 5 Sätze zu meinem gestrigen Tag und meiner Gefühlslage notiert und war dann dennoch überpünktlich an der Lohnarbeit.

Routine sichtbar machen: Markiere deine Schreibzeit im Kalender – wie ein Date mit dir selbst. Das hilft wirklich SEHR! Denn alles, was wir aufschreiben, wird mit großer Wahrscheinlichkeit eher in die Umsetzung kommen. Es erscheint dir absurd, 365 mal „Tagebuch“ als to do in deinen Kalender einzutragen? Möglicherweise ist das etwas aberwitzig und kostet dich heute 30-45 Minuten Lebenszeit, aber ich verspreche dir: Du erhöhst deine Erfolgswahrscheinlichkeit dadurch MASSIV.

Erlaube dir Flexibilität: Strukturiert flexibel bleiben ist immer das Beste, denn der Grundsatz „better done than perfect“ gilt auch hier. Erhalte dir Leichtigkeit und erlaube dir Spielerei: Male, wenn du nichts zu schreiben weißt, erlaube dir Spiegelstriche und Stichpunkte, wenn die Gedanken gerade nicht in ganzen Sätzen fließen. Dir fällt heute angesichts des Scheißtages nur eine einzige Sache ein, für die du dankbar bist? Okay, dann notiere die.

Dein Schreibmoment wartet

Ob Morgensonne oder Mitternachtsflüstern – es gibt keinen „richtigen“ Zeitpunkt. Nur deinen. Und den darfst du entdecken, ausprobieren und immer wieder neu gestalten. Du solltest nicht gegen dich anschreiben, sondern du darfst zu dir hin schreiben. Versuche, dich auf den Prozess und deinen Moment mit dir selbst zu freuen. Es ist deine Zeit, deine Stimme, deine Geschichte, dein Flow – und man kann sich regelrecht verlieben in diese Art der Selbstfürsorge und von ihr zurückgeliebt werden, wenn man sich seinen eigenen Rhythmus erlaubt.

Schreib dich frei – zu deiner Zeit.

Alles Liebe!

Sina

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