Horx: „Eine charmante Zukunft denken!”
Mit diesem Beitrag verstöre ich mich mal gerade selbst. Dafür ist Horx immer schon gut gewesen, solange ich ihn die letzten 30 Jahre erlebt habe. In dem Youtubevideo unten erzählt er von der metamoderne Bewegung als spirituelle (östliche) Spiritualität (Philosophie der Akzeptanz) und der westlichen christentümlichen (Philosophie der Veränderung). Beide Facetten können (selbst)zerstörerisch werden in ihren Übertreibungen.
In allen Kulturen des Westens ist der Hunger nach Spiritualität am Wachsen, aber nicht wie die der Kirchen, die im Niedergang ist, sondern eine Transzendenzsehnsucht als „in Beziehungssetzung mit Natur, Zukunft, dem Wunderbaren der Welt”.
Antiapokalyptische Zukunftsforschung: Das humanistische Zukunftsmind
Matthias Horx malt in einem Vortrag auf der PhilCologne 2023 ein hoffnungsvolles Bild der Zukunft und des Wandels. Er kommt aufgrund seiner Regnose-Methode (z.B: von den erreichten Lösungen im Jahr 2050 zurück auf unsere Zeit zu schauen) zu einer hoffnungsvollen Sicht auf die Zukunft. Zugleich sagt er: Zukunft können wir nicht vorausschauen. Und ein wichtiger Satz: Wir sind in einer kognitiven Apokalypse. Wir haben also eine kognitive Krise. (Wir nennen das zur Zeit die Metakrise).
Dann erschreckt er die Apokalyptiker:innen unter uns mit der These:
https://youtu.be/ZdUYalPzA48?si=Ha73QESSDX51OujA (Si apre in una nuova finestra)Ich glaube, es ist wahnsinnig schwierig, auszusterben…
Sein innerer Motor: Ihm ist wichtig, lebendig zu bleiben und sich nicht von zweifelhaften Informationen hypnotisieren zu lassen.
Seine Mission ist: Rückkehr zu einem quasi demütigen Denken. Wir erkennen an, dass wir viel mehr von der Komplexität nicht verstehen und nie verstehen werden. Horx wünscht sich das Denken in langen Zeiträumen zurück, um die eigene Relativität im Heute neu wahr zu nehmen.
Seine Tipp (könnte von mir stammen): Humor ist unsagbar wichtig, um uns aus der Angststarre zu holen. Humor ist die Gegenkraft zum Paradox.
Horx praktischer (buddistisch inspirierter) Übungsvorschlag:
Verzichte ab heute bis zum Ende des Jahres auf eine „Meinungen”. Die Krise ist eine Annäherung an die Wirklichkeit. Sie sagt uns, was wir bisher nicht wahrnehmen konnten. Das aber nicht zu „bemeinen” ist der Kern von Achtsamkeit.
Zu all den vielen Gedankengängen kommt eine sehr wichtige Referenz, die ich hier vertiefen möcht. Er erwähnt ehrfürchtig in seinem Vortrag Stewart Brant. Der ist für ihn einer der faszinierendsten und am meisten unterschätzten Zukunftsfiguren der letzten 50 Jahre. Seine zentrale „Entdeckung“ ist weniger eine einzelne Idee als eine bahnbrechende Perspektivverschiebung auf Technologie, Ökologie und Zivilisation. Er war ein Brückenbauer zwischen Hippie-Kultur, kybernetischem Denken und ökologischer Systemverantwortung. Vielleicht müssen wir nicht alles eins zu eins übernehmen. Behalte das, was dir einleuchtet…
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🌍 Stewart Brants zentrale Entdeckung:
Langfristiges Denken braucht Systeme, die Wandel ermöglichen, nicht verhindern.
Und: Technologie ist nicht der Feind – sie ist unser Werkzeug zur ökologischen Intelligenz.
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🎯 Die wichtigsten Konzepte & Entdeckungen von Stewart Brand
1. „We are as gods, and might as well get good at it.”
Aus dem Whole Earth Catalog (1968)
Idee: Wir Menschen haben gottähnliche Fähigkeiten durch Technik, Kommunikation und Bewusstsein. Aber statt sie zu verdrängen, sollten wir lernen, verantwortlich und kreativ mit dieser Macht umzugehen.
Er entmystifiziert Technik:
→ Technologie + Ökologie = evolutionäre Verantwortung
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2. Whole Earth Catalog – das „Google der Hippies“
Seine berühmteste Tat war die Herausgabe des Whole Earth Catalog (Si apre in una nuova finestra)(1968–1972):
Ein Sammelwerk für Werkzeuge, Bücher, Wissen, Praktiken, Ideen für Selbstversorgung, Lernen, kreative Freiheit.
☛ Damit brachte er Systemdenken, Do-it-yourself, Umweltethik und kybernetische Ideen in die Gegenkultur – Jahrzehnte vor der digitalen Wende.
Steve Jobs nannte ihn den Vorläufer des Internets.
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3. „Pace Layering“ – Wie Systeme sich in Schichten entwickeln
Verschiedene Teile einer Gesellschaft ändern sich in unterschiedlichem Tempo:
Schicht Geschwindigkeit Beispiel
Mode sehr schnell Kleidung, Trends
Infrastruktur mittel Städte, Energie
Governance langsam Gesetze, Politik
Kultur sehr langsam Werte, Erzählungen
Natur/Biologie extrem langsam Evolution, Ökosysteme
➡️ Seine Entdeckung: Zukunftsfähigkeit entsteht durch das bewusste Management dieser Geschwindigkeiten.
Wenn alles gleich schnell ist – Chaos. Wenn alles starr ist – Stillstand.
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4. The Long Now Foundation
Gegründet 1996 mit Brian Eno u. a.
Ziel: Langzeitdenken fördern – über Jahrhunderte statt Wahlzyklen.
Berühmt: Die 10.000-Jahres-Uhr, die tief in einem Berg tickt. Symbol für die Verantwortung gegenüber kommenden Generationen.
Der Dokumentarfilm „The Clock of the Long Now (Si apre in una nuova finestra)“ (dirigiert von Jimmy Goldblum und Adam Weber) gibt einen lebendigen Einblick in das Projekt der 10.000-Jahres-Uhr, die tief im Bergmassiv West-Texas montiert wird. Der Fokus liegt auf:
Danny Hillis, dem Uhr-Erfinder, und seinem interdisziplinären Team aus Ingenieuren, Zukunftsforscherinnen und Handwerkerinnen
Der technischen Vision einer Uhr, die über Jahrtausende präzise funktionieren soll
Die Kamera begleitet den Bau von Prototypen, zeigt die spezielle Mechanik, das Glockenspiel und dokumentiert die philosophische Idee hinter dem Projekt: Langfristiges Denken als kulturelle Pflicht und Vision.
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5. Ökotechnologie statt Technikfeindlichkeit
In seinem Buch Whole Earth Discipline (2009) überrascht er mit radikalen Aussagen:
„Die Umweltbewegung liegt bei vielen Dingen falsch.“
Brand plädiert für:
Gentechnik zur Lösung von Hungerproblemen
Atomkraft als Brückentechnologie gegen CO₂
Urbanisierung als ökologisch stabilisierende Kraft
Geoengineering als Notoption in der Klimakrise
➡️ Technologie ist kein Gegner der Natur – sondern Werkzeug zur Erhaltung von Lebensgrundlagen.
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🧠 Fazit: Seine „Entdeckung“ in einem Satz
Zukunft entsteht nicht durch Verzicht, sondern durch verantwortete Gestaltung in langen Zeiträumen – mit technologischer Intelligenz und systemischer Tiefe.
Er ist damit eine Schlüsselfigur für die metamoderne Zukunftsbildung:
🌱 Ökologie ohne Romantik
🔧 Technik ohne Machbarkeitswahn
🧬 Ethik ohne Dogma
🌀 Evolutionäres Denken über Generationen hinweg
Hier ist ein eindrucksvolles, visueller Zugang zu Stewart Brands und Danny Hillis’ Kolossalprojekt:
https://youtu.be/f-HNOug1GUs?si=cASPutGrbQVN1Wkx (Si apre in una nuova finestra)⸻
🧭 Kontext & Hintergrund
Publiziert auf YouTube und Vimeo – verfügbar als Kurz-Dokumentation (~2015 beim DOC NYC Festival erstmals gezeigt)
Verbunden mit dem Projekt der Long Now Foundation, etabliert 1996 von Stewart Brand und Brian Eno mit dem Ziel, langfristiges Denken in den kulturellen Fokus zu rücken
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🌌 Warum das Projekt relevant ist
Zeitskala: Die Uhr ist symbolisch und praktisch gedacht als Erinnerung daran, dass wir über Generationen hinweg Verantwortung tragen
Designprinzipien:
Langlebigkeit, Nachhaltigkeit, Wartbarkeit, Transparenz, Weiterentwicklungsfähigkeit
Die Uhr arbeitet mit einfachen, robusten Materialien – betrieben durch die Temperaturdifferenzen des Tages und durch Besucher, die sie manuell in Bewegung setzen
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✍️ Warum sich das lohnt für dich als Zukunftshacker
Das Projekt illustriert perfekt, wie:
Langsame Systeme Stabilität geben – Kultur, Natur und Erinnerung sind tiefe Schichten, die über die Zeit getragen werden
Schnelle Elemente Innovation bringen – wie die Wettbewerbsgedanken der Kapitalmärkte zeigen, Technologie heute rasant rotiert
Balance entsteht erst über lange Zeiträume, wenn man beides bedenkt
Frage: Wenn du deine Projekte im gleichen „Long Now“-Geist gestalten könntest – wie sähe eine 10.000-Jahres-Aktion im Theologischen, Geistigen oder Resilienzbereich aus?
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🧬 Fazit
Der Film „The Clock of the Long Now“ ist nicht nur eine Dokumentation über technischen Ehrgeiz, sondern ein ästhetischer, intellektueller und symbolischer Impuls für all jene, die Zukunft mehrdimensional denken wollen. Wenn du bereit bist, eine theologisch-spirituelle Version des „Long Now“-Gedankens zu entwerfen, könnte das eines der Konzepte für mein „Metamoderne Resilienzprojekt im Long Now-Stil“ werden.
Und wer sichtbar auf den Zug aufspringen will, nimmt dieses Statement und trägt es rum.
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