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Leuchtturm und Gießkanne: Wie der Strukturwandel gelingt

KOMMENTAR / STRUKTURWANDEL IN DER LAUSITZ
  1. Juli 2025

Der Strukturwandel macht die Lausitz zur dynamischsten Region Deutschlands. Doch der wirtschaftliche Entzug von der Kohleindustrie braucht eine neue Art von Politik. Denn schnelle Erfolge sind nicht zu erwarten. Dafür vielleicht große.

Von Christine Keilholz

Eine noch offene Frage: Wie viel öffentliches Geld soll die Leag bekommen als Kompensation für das Ende der Kohlekraftwerke? Hier Jänschwalde.
Eine noch offene Frage: Wie viel öffentliches Geld soll die Leag bekommen als Kompensation für das Ende der Kohlekraftwerke? Hier Jänschwalde.

Was bringt es, elf Milliarden Euro in die Lausitz zu pumpen? Obwohl dort nur eine knappe Million Menschen lebt und immer mehr wegziehen. Obwohl es keine Großstadt gibt - Cottbus schrammt an der 100.000-Einwohner-Grenze. Obwohl sich die traditionellen Industrien zurückziehen - wie der Waggonbau in Niesky und Görlitz, Glas in Weißwasser und die einst blühende Textilindustrie praktisch nicht mehr existiert. Und wo nun die Leitindustrie Braunkohle auch noch verschwindet.

Warum also sollte man so viel Steuergeld in die Hand nehmen, um diesem Stück ländlichen Raum eine neue Perspektive zu geben? Denn das soll der Strukturwandel ja leisten, der in den vier deutschen Kohlerevieren bis 2038 insgesamt 40 Milliarden Euro kosten wird.

Weil der der Strukturwandel in dieser von der Kohleindustrie gebeutelten Lausitz zeigt, was ländlicher Raum sein kann und wie man ihn entwickeln muss, damit dort Menschen gern leben, gern bleiben und sich entfalten können. Wenn das in der Lausitz gelingt, kann es auch im Vogtland oder im Erzgebirge gelingen.

Fokus auf Forschung goldrichtig

Dieser Strukturwandel läuft seit fünf Jahren. Dabei hat sich schon herausgestellt, dass althergebrachte Strukturpolitik nicht weiterhilft. Es ist nicht die beste Idee, alte Industrien durch neue zu ersetzen. Das klappt meist nicht oder dauert sehr lange, bis sich etwa Wasserstoff als neuer Energieträger etabliert hat. Tausende neue Arbeitsplätze zu schaffen bringt wenig, wenn rundherum Fachkräfte und Azubis fehlen. Das ist Strukturpolitik der Nachwendezeit und passt heute nicht mehr. Gewohnte Strukturen weiterzutragen, die sich nicht mehr rentieren, bringt auf Dauer auch nichts.

Wie kann man dann Aufschwung erreichen? Indem man gut ausgewählte Großprojekte mit Kommunalförderung kombiniert. Da hatte Sachsen schon den richtigen Riecher. Hier die Leuchtturmprojekte für die ganze Lausitz, dort die Gießkanne für Städte und Gemeinden. Die können nun kreativ sein und Projekte auf die Beine stellen, die vorher nie möglich waren. In der Praxis fehlt manchmal Kreativität, da wird mit dem Geld lieber das Dorfgemeinschaftshaus saniert oder das Landratsamt vergrößert. Aber egal, so viel Einfallsreichtum und Tatkraft waren nie zuvor unterwegs in der Lausitz. Und das ist doch das Beste, was Fördergeld bewirken kann.

Richtig ist auch, dass die Staatsregierung den Fokus auf Wissenschaft setzt. In der Lausitz entstehen seit 2020 mehr Institute als sonst irgendwo in Deutschland. Es wurde viel darüber gestritten, ob eine Niederlassung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Zittau oder ein Fraunhofer Hydrogen Lab in Görlitz ein guter Ersatz für geschlossene Fabriken sind. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass diese Einrichtungen das Zeug haben, dem Kohlerevier völlig neue Voraussetzungen zu verschaffen. Sachsen versucht in der Lausitz, was in Bayern schon einmal gelungen ist: Einen Landstrich durch Investitionen in Wissenschaft zu akademisieren und internationalisieren. Das ist nicht der schnellste Weg zu neuer Wertschöpfung, aber vielleicht der vernünftigste.

Weitsicht und Mumm beweisen

Das macht auch eine neue Art von Politik nötig. Wer solche Großprojekte hinbekommen will, braucht langen Atem und Stehvermögen, Weitsicht und Mumm. Und die Fähigkeit, immer wieder zu überzeugen von Dingen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt in die Tagebaulandschaft passen.

Es war ein Glücksfall, dass das Deutsche Zentrum für Astrophysik 2022 den Wettbewerb ums Großforschungszentrum in Ostsachsen gewonnen hat. Dieses Forschungsthema ist spektakulär genug, um die Blicke auf die Lausitz zu lenken. Eine Einrichtung dieser Größe, verbunden mit bekannten Namen aus der Forschung, kann Ostsachsen ein ganz neues Profil verschaffen. Hier wird nicht einfach Altes durch Neues ersetzt. Hier wird ein Fundament gebaut, auf dem sich Vieles errichten lässt. Also ja, eine solche Milliardeninvestition in Görlitz ist sinnvoll.

Andere Fragen müssen noch beantwortet werden: Wie viele Milliarden der Kohlekonzern Leag an öffentlichem Geld bekommen soll als Entschädigung für das Kohlegeschäft -  während er gleichzeitig beste Voraussetzungen bekommt für das Geschäft mit den Erneuerbaren. Ob es nicht doch besser gewesen wäre, zusammen mit Brandenburg die Lausitz zu entwickeln - und nicht jedes Land seinen Teil für sich allein. Den Antworten kommen wir bei Neue Lausitz jede Woche ein Stück näher. Unser Newsportal gibt es, weil es den Strukturwandel gibt. Wir sind 2022 angetreten, den Weg der Lausitz journalistisch zu begleiten. Wir tun das aus der Nähe und mit Blick auf die wirtschaftlichen Besonderheiten des Reviers. Weil wir überzeugt sind, dass die dynamischste Region Deutschlands diese Aufmerksamkeit verdient.

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