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Quo vadis Energieregion?

ANALYSE / STROM UND WÄRMEGEWINNUNG IN DER LAUSITZ
  1. Januar 2025

Die Kohleverstromung geht zurück. Dagegen erleben grüne Formen der Energiegewinnung einen Boom. Wie steht die Energieregion fünf Jahre nach dem Kohleausstiegsbeschluss da? Von Kühltürmen und Solarfeldern: Chancen, Konflikte und Herausforderungen einer Region im Wandel.

Von Gereon Wintz

In Jänschwalde rauchen die Schlote weiter. Doch zunehmend wird
die Lausitz zum Testgelände innovativer Lösungen für die Baustellen
der Energiewende.
In Jänschwalde rauchen die Schlote weiter. Doch zunehmend wird die Lausitz zum Testgelände innovativer Lösungen für die Baustellen der Energiewende.

In Jänschwalde rauchen die Schlote weiter. Doch zunehmend wird die Lausitz zum Testgelände innovativer Lösungen für die Baustellen der Energiewende. „Hier wird was! Mit einem lauten Knall in Richtung nachhaltige und innovative Energie-Zukunft“, so kommentierte Sachsens Regional-Staatssekretärin Barbara Meyer Anfang Dezember die Sprengung dreier Kühltürme auf dem Gelände der Lausitzer Energie AG (Leag) in Boxberg.

Es war ein Ereignis, das wie kaum ein anderes die aktuellen Entwicklungen in der Energieregion Lausitz versinnbildlicht. Unter ohrenbetäubendem Donnern zerfielen die mächtigen grauen Monumente eines traditionsreichen Wirtschaftszweiges in Schutt und Asche, um Platz zu machen für die Energieversorgung der Zukunft. Denn dort, wo die Kühltürme standen, soll bald ein grünes Flexibilitätskraftwerk entstehen.

Es leuchtet ein, dass ein solcher Transformationsprozess nicht ohne Verteilungskonflikte und Reibungsverluste vonstattengeht. Diese bekommen zur Zeit viele Landwirte zu spüren, aber auch Kommunen wie Spremberg, die schon bald auf die Fernwärmeversorgung durch die Kohlekraftwerke verzichten müssen.Während die Leag um ihre Vormachtstellung in der regionalen Energieversorgung kämpft, bietet der Wandel neuen Akteuren die Chance, die Zukunft durch ihre Ideen mitzugestalten.

Ein Drittel weniger Kohlestrom

Dass die Kohle rapide an Bedeutung verliert, zeigt sich nicht nur in Symbolen, sondern auch in Zahlen. Belief sich die Nettostromerzeugung des Kraftwerksparks der Leag 2019 noch auf 49,4 Terawattstunden (TWh), waren es im Jahr 2024 nur noch historisch niedrige 34,2. Innerhalb von fünf Jahren ist das ein Rückgang um knapp ein Drittel - Energiekrise und Atomausstieg zum Trotz.

Auch ohne die ausgeschiedenen Grünen muss sich die neue schwarz-rote Staatsregierung in Dresden daher Gedanken über die Nachnutzung von Kraftwerksstandorten wie Boxberg machen. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD heißt es, der Freistaat fordere „die Bundesregierung auf, im Rahmen ihrer Kraftwerksstrategie die traditionellen Energiestandorte in der Ausschreibung der zukünftigen Kraftwerksstandorte zu berücksichtigen“. Eine vergleichbare Formulierung findet sich im Koalitionsvertrag der neuen brandenburgischen Regierung.

Doch die Kraftwerksstrategie, die das Haus von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/die Grünen) erarbeiten sollte, wird nicht mehr vor der Bundestagswahl am 23. Februar erscheinen. Fünf Jahre nach dem Kohleausstiegsbeschluss ist damit die Zukunft von Jänschwalde, Boxberg und Schwarze Pumpe völlig offen.

Abruptes Ende für Fernwärme

Noch sorgt die Braunkohle in vielen Lausitzer Haushalten nicht nur für leuchtende Energiesparlampen, sondern auch für warme Heizkörper. Die Städte Spremberg, Hoyerswerda und Weißwasser sind in ihrer Fernwärmeversorgung weitgehend von den Kraftwerken Boxberg und Schwarze Pumpe abhängig. Dass damit spätestens 2038 Schluss sein wird, ist bekannt. Allerdings ist es bereits jetzt schwierig, die Versorgung sicherzustellen. Bei viel Wind und Sonne wird Kohlestrom unwirtschaftlich.

Daher werden die Kraftwerke „bei niedrigen oder negativen Strompreisen am Markt heruntergefahren bzw. vom Netz genommen. Damit kann Leag keine kontinuierliche Fernwärmeversorgung mehr sicherstellen“, erklärt ein Leag-Sprecher gegenüber Neue Lausitz. Daher habe man entschieden, die Fernwärmelieferungen an die Stadtwerke Weißwasser und Spremberg zum Ende 2025 und an die Stadtwerke Hoyerswerda zum Ende 2027 „in ihrer jetzigen Form zu beenden und neue Anschlussverträge zu verhandeln“.

Das bedeutet, die Rolle der Leag als Rundum-Versorger der Lausitz passt nicht mehr ins Geschäftsmodell des Konzerns, der sich als grüner Energielieferant etablieren will. Es ist das abrupte Ende einer langen Symbiose von Region und Kohleindustrie - das manche aufzuschieben versuchen. Ein Sprecher der Städtische Werke Spremberg erklärte auf Anfrage, man arbeite daran, „eine Übergangslösung in Form eines Angebots zur Vertragsverlängerung mit der Leag zu erzielen“. Sollte dies nicht gelingen, müsse man zur Not „den potenziellen Überbrückungseinsatz von Blockheizkraftwerken oder die Anmietung vonHeizkesseln“ prüfen, die Energieversorgung von Spremberg sei aber in jedem Fall gesichert.

Eine langfristige Lösung wurde bereits in der Transformationsstudie zur Dekarbonisierung der Wärmebereitstellung skizziert. Die Stadtwerke Spremberg, Hoyerswerda und Weißwasser hatten dafür gemeinsam das Frauenhofer-Institut für Energieinfrastrukturen und Geothermie beauftragt. Sie legt Szenarien zur Umstellung auf eine erneuerbare Wärmeversorgung der drei Städte dar. Diese Strategie sieht eine frühestmögliche Umsetzung in 2030 vor, heißt es aus Spremberg. Denn die drei Städte müssen im dreistelligen Millionenbereich investieren. Allein für Spremberg müssten laut der Studie Solarthermiefelder und Erdbeckenspeicher auf bis zu 27 Hektar Fläche entstehen.

Flächen sind Gold wert

In der Transformation entwickelt sich Fläche mehr und mehr zur kritischen Ressource der Energiewende. Die damit verbundenen Verteilungskonflikte sind längst in der Lausitz angekommen. Das bekommen vor allem Landwirte zu spüren.

Die Jahreseinnahmen pro Hektar einer Freiflächen-Photovoltaikanlage betragen nicht selten das zehnfache derer eines Kartoffelackers. Um die Pachthöhe können Landwirte mit PV-Projektentwicklern kaum konkurrieren. In den Kreisen Elbe-Elster und Spree-Neiße ist der Andrang besonders hoch und neue Freiflächenanlagen sprießen wie Pilze aus dem Boden.

So zeigen die Ausbaukurven für Wind und Photovoltaik steil nach oben. Projektentwickler und Energieproduzenten aus ganz Deutschland versuchen in der Region Fuß zu fassen. Wie das bayrisch-holsteinische Mittelstandsunternehmen GP Joule, das für den 429 Hektar großen Energiepark Lausitz in Klettwitz in der Gemeinde Schipkau verantwortlich ist. Führend bleibt aber weiterhin die Leag, die sichtlich um den Erhalt ihrer Vormachtstellung als Energieerzeuger in der Lausitz bemüht ist. Mit der 2022 ausgerufenen Initiative Gigawatt-Factory will sie bis 2030 auf sieben Gigawatt (GW) installierte PV- und Windkraftleistung kommen.

Zur Einordnung: Das ist über ein Gigawatt mehr als die gesamte Leistung aller zur Zeit in Sachsen installierten PV- und Windkraftanlagen. Laut Leag befinden sich bereits 3,9 GW davon in aktiver Entwicklung. Gegenüber ihrer Konkurrenz hat die Leag den Vorteil, dass sie bereits über erhebliche Flächen verfügt, oder ihre Ansprüche durch ihre lokale Verwurzelung sehr gut geltend machen kann. So wie in Nochten, wo die Leag eine Rekultivierungsfläche mit dem 23 Hektar großen Solarpark Boxberg weiterbewirtschaftet.

Klammen kommunalen Kassen kommt die steigende Zahl großer Projekte sehr gelegen. Seit Anfang des Jahres hat neben Brandenburg auch Sachsen eine Beteiligungspflicht. Für Anlagen ab einem Megawatt müssen bei Photovoltaik 0,1 Cent und bei Windkraft 0,2 Cent pro produzierter Kilowattstunde an die Kommune abgeführt werden. Dennoch: Die Großprojekte stoßen häufig nicht auf Begeisterung.

Diesen Unmut versucht unter anderem die AfD gezielt für sich zu nutzen. So geschehen etwa bei der Kommunalwahl in Spremberg im vergangenen Sommer, als die Rechtspopulisten satte 39 Prozent der Stimmen holten - nach einer aggressiven Kampagne gegen die Pläne zur Vergrößerung des Windparks im Stadtwald.

Rekordverdächtiges Höhenwindrad

Zunehmend wird die Lausitz zum Testgelände innovativer Lösungen für die Baustellen der Energiewende. Dabei geht es schonmal hoch hinaus: In Schipkau laufen die Arbeiten am höchsten Windrad der Welt. Mit der dreifüßigen Konstruktion eines Leipziger Ingenieurs soll eine Narbenhöhe von 300 Metern erreicht werden.

Inklusive Rotorblätter kommt sie auf 364 Meter. Das ist vier Meter niedriger als der Berliner Fernsehturm, das höchste Gebäude Deutschlands. „Der Wind hat in dieser Höhe nicht nur höhere Mittelwerte, sondern auch eine breitere Verteilung, was zu deutlich mehr Volllaststunden bei Windenergieanlagen in dieser Höhe führt“, erklärte Jochen Großmann, Gründer des Dresdner Unternehmens Gicon, das die Anlage betreibt. Im Sommer soll das Höhenwindrad in Betrieb gehen.

Auch erste Agri-PV Anlagen, also Solarpanele, die so angebracht sind, dass sie die landwirtschaftliche Nutzung der Bodenflächen nur geringfügig beeinträchtigen, gibt es in der Lausitz bereits. „Agri-PV Systeme bergen ein enormes Potential, denn sie vereinen Nahrungsmittel- und Energieproduktion und tragen zu einer Erhöhung der Landnutzungseffizienz bei“, erklärt Professorin Sonoko Bellingrath-Kimura vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF). Somit könnten sie künftig eine Schlüsselrolle einnehmen, um Landnutzungskonflikte zu entschärfen.

Wer mit Pionierprojekten Neuland betritt, lässt sich auf Risiken ein. Dies erlebte im Dezember 2024 die Leag mit ihrer schwimmenden Solaranlage auf dem Cottbuser Ostsee: Floating PV wurde noch vor Inbetriebnahme zum Schadensfall. Kaum war die mit 16 Hektar größte schwimmende Solaranlage Deutschlands fertiggestellt, schon schlugen die Wellen eines Wintersturms zu. Ob und wann die Anlage repariert werden kann, ist noch unklar.

Führend bei Speichern

Die installierte Leistung von Wind- und PV-Anlagen zu erhöhen, ist nur eine der Herausforderungen der Energiewende. Eine weitere besteht in der Speicherung der erzeugten Energie. In den Lausitzer Industriegebieten und Forschungseinrichtungen tut sich auch bei diesem Thema einiges. So will die Firma Rock Tech ab 2026 in Guben jährlich 24.000 Tonnen Lithiumhydroxid produzieren und damit einen Grundstoff für die Batterien von Elektroautos herstellen.

Ganz ohne den kontroversen Rohstoff Lithium kommen die Natrium-Ionen Großbatterien von Altech Batteries aus, die das Unternehmen im Herbst letzten Jahres erfolgreich testete. Aktuell wird an der Finanzierung für eine große Fertigungsanlage im Industriepark Schwarze Pumpe gearbeitet, wo die Batterien und Systeme in Serie gefertigt werden sollen. Erste Abnehmer für die umweltfreundlichen Batterien gibt es auch bereits: Der Zweckverband des Industrieparks hat angekündigt, zukünftig Batteriepacks von Altech zu erwerben, um die Energieversorgung des Parks sicherzustellen.

Auch bei der Speicherung ist die Leag bemüht, ihre führende Rolle zu verteidigen. Mit der BigBattery Lausitz nahm sie bereits 2021 den damals größten Batteriespeicher Europas in Betrieb. Und auch am Standort Boxberg soll dort, wo bis Anfang Dezember 2024 die Kühltürme standen, ein Großbatteriespeicher für dasFlexibilitätskraftwerk entstehen. Unterstützt wird dies durch eine großzügige 30 Millionen Euro-Förderung, die der Freistaat Sachsen dem Konzern aus dem Just Transition Fund der Europäischen Union zugute kommen lässt.

Argomento Energie und Klima