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Rathäuser an die Macht

KOMMENTAR / POLITIK IN DER LAUSITZ

Donald Trump, Ampel-Ende und Minderheitsregierungen in den Ländern: Politik macht gerade nicht viel Spaß. Ein Glück, es gib die Kommunen. Die sorgen in schwierigen Zeiten für Stabilität und verlässliche Langeweile.

von Christine Keilholz

  1. November 2024

An dem Tag, als Donald Trump die Wahl gewann und in Berlin die Ampel-Regierung zusammenbrach, zeigten die Städte und Gemeinden der Lausitz, was sie drauf haben. Die Kommunen der Lausitz-Runde präsentierten die Bewerbung als Net-Zero-Valley (Si apre in una nuova finestra) - Europas erste Sonderwirtschaftszone für grüne Technologien. Formal muss die Bundesregierung die Bewerbung in Brüssel abgeben. Die Länder haben auch an der Bewerbung mitgeschrieben. Aber der Initialschuss für diese Beförderung der Lausitz ging von der Lausitz selbst aus.

Also von Dutzenden von Rathäusern, die allesamt kaum genug Personal haben, um ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen. Von denen einige so klamm sind, dass die Haushaltssperre über ihnen schwebt. Hätten die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht zur rechten Zeit gemeinschaftlich getrommelt, wäre das Net Zero Valley Lausitz (Si apre in una nuova finestra) nicht das große Ding geworden, das jetzt alle daraus machen.

Kommunen können Wegweisendes erreichen. Das hat etwas Wohltuendes in der Schockstarre, in der sich die große Politik nun befindet. Während die Welt auf den 20. Januar wartet, wenn ein nach gängigen Maßstäben ungeeigneter Mann zum zweiten Mal US-Präsident wird. Und während Deutschland den vorgezogenen Bundestagswahlen am 23. Februar entgegensieht. In einer Zeit der Unsicherheit kommt es auf das Funktionieren im Kleinen an. Rathäuser können Stabilität beweisen und das Vertrauen in die Politik und ihre Institutionen zurückbringen.

Kurzer Draht und lange Dauer

Kommunen haben den direkten Kontakt zu den Bürgern. Das ist ihr Vorteil gegenüber Bundesministern und Brüsseler Entscheidungsgremien. Dort mag das Geld herkommen, das in den Städten verbaut wird. Doch der erste Anlaufpunkt für Bürgeranliegen ist nun mal das Bürgeramt in der Fußgängerzone, sei es in Fragen von Daseinsvorsorge, Bildung, sozialen Diensten oder Infrastruktur. Diese Nähe ermöglicht eine schnelle Reaktion auf lokale Probleme und Bedürfnisse - und wer schnell handelt, wirkt handlungsfähig.

Auf die Kommunen kommt es an, wenn es um das Verhältnis der Bürger zum Staat geht. Umgekehrt bedeutet das auch, die Kommunen fangen Vieles ab, das eigentlich an Bund oder Land gerichtet ist. Die Kommunalwahlen am 9. Juni waren zu großen Teilen eine Abstimmung über die Bundespolitik.

Stabilität lässt sich am besten in lokalen Einheiten finden, wo die Bürgerin ihre Amtspersonen kennt. Und das oft schon seit vielen Jahren. Bürgermeister sind tendenziell länger im Amt als Bundeskanzler. Landräte sogar noch länger. In drei der sechs Lausitz-Kreise wurde 2023 neu gewählt, in den drei anderen ist seit 2010 derselbe Mann an der Spitze. Solche Dauer ermöglicht Vertrauen und macht politische Entscheidungen langfristiger.

Flexibilität und Eigenständigkeit

Kommunen können eigenständiger agieren und flexibler auf regionale Besonderheiten eingehen. Regionen sind bedeutungsvolle Einheiten. Europaweit stehen 270 Regionen in Konkurrenz um Industrien, junge Arbeitskräfte und Fördergeld. Laut Lausitz-Monitor (Si apre in una nuova finestra)identifizieren sich zwei Drittel der Lausitzerinnen und Lausitzer mit ihrer Region, obwohl diese zu zwei Bundesländern gehört und keinerlei Organisationseinheit widerspiegelt.

In Zeiten, in denen die Bundespolitik aufgrund interner Konflikte und ideologischer Blockaden handlungsunfähig erscheint, können Kommunen als Problemlöser eine tragende Rolle übernehmen. Auch bei den kontroversen Themen, an denen die Ampel-Regierung zerbrach. Der Klimaschutz ist in den Kommunen längst zu veritabler und profitabler Wirtschaftspolitik mutiert. Während sich die Bundespolitik in Fragen des Klimaschutzes zerstreitet, haben viele Städte und Gemeinden eigene Maßnahmen ergriffen. Bürgerenergie wird in immer mehr Orten diskutiert, unabhängig von der Zusammensetzung der lokalen Parlamente. So wächst im Winkel ruhig vor sich hin, was im Bundestag noch als Zumutung die Gemüter erregt.

Pragmatisch und handlungsfähig

Für viele dieser Zumutungen ist ohnehin die kommunale Ebene zuständig. Die Wohnungsnot, die der Bund nicht hat entschärfen können, sorgt in Cottbus für einen Bauboom, der Berlinern eine günstige Alternative bietet. Auch für das umgekehrte Problem sind lokale Verwaltungen zuständig: Gegen leere Läden und verlassene Häuser lässt sich vor Ort mehr unternehmen als mit groß angelegten deutschlandweiten Strategien.

In den Kreistagen und Stadträten wird entschieden, welches Krankenhaus erhalten werden kann und sollte. Kommunen betreiben Pflegedienste, soziale Beratungsstellen und bauen Ärztehäuser in alte Gasthöfe. Letztlich landet auch die Energiewende im Lokalen, wo dann ausgehandelt werden muss, welche Fläche für Wind und Solar freigeräumt werden darf. Was hilft besser gegen Politikverdrossenheit, als die Aufreger im sozialen Nahraum dort anzubringen, wo sie entschieden werden? Bürgerbeteiligungen, lokale Bürgerversammlungen und Bürgerentscheide helfen gegen Frust und Ohnmachtsgefühle.

Was hilft besser gegen Polarisierung, als sich im Mehrzwecksaal von Tisch zu Tisch einig werden zu müssen? Viele kommunale Projekte, die in multiparteilichen Stadträten gemeinsam beschlossen und umgesetzt werden, zeigen, dass es möglich ist, ideologische Differenzen zugunsten pragmatischer Lösungen zu überwinden. Das ist der Ursprung von Politik und es ist gleichzeitig das, worauf Politik wieder hinausläuft.


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