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Fritzes Erkenntnisse und das „Wir“

„Wir leben über unsere Verhältnisse“, erklärt der von den Steuerzahlern alimentierte Finanzlobbyist mit pathologisch bedeutungsschwangerer Miene und erntet bei Seinesgleichen Beifall. Man könnte ihm angesichts der drohenden Klimakatastrophe, der grenzenlosen Ausplünderung der Natur, der allgegenwärtigen tödlichen Verschmutzung unserer Lebensgrundlagen mit Wachstumsmüll durchaus recht geben. …

Und hier noch einmal zum Nachlesen:

„Wir leben über unsere Verhältnisse“, erklärt der von den Steuerzahlern alimentierte Finanzlobbyist mit pathologisch bedeutungsschwangerer Miene und erntet bei Seinesgleichen Beifall. Man könnte ihm angesichts der drohenden Klimakatastrophe, der grenzenlosen Ausplünderung der Natur, der allgegenwärtigen tödlichen Verschmutzung unserer Lebensgrundlagen mit Wachstumsmüll durchaus recht geben. Immerhin rückt der Erdüberlastungstag seit 1970 Jahr für Jahr im Kalender weiter in Richtung Jahresanfang und 2025 werden wir bereits 1,8 Erden für die Aufhäufung von extremem Reichtum Weniger und die Produktion extremer Mengen Mülls verbraucht haben. Ja, es stimmt, im eigenen Überlebensinteresse können wir uns das tatsächlich nicht mehr leisten, schon lange nicht mehr.

Doch Fritze hat mitnichten die existenzielle Bedrohung der Menschheit durch unbegrenzte Profitgier überreicher Soziopathen im Blick. Denn trotz des alle verbindenden „Wir“ folgt die eindringlich vorgetragene Behauptung: „Wir können uns den Sozialstaat in dieser Form nicht mehr leisten“ und spätestens bei der auch mimisch geradezu als Offenbarung vorgetragenen Begründung, dass die volkswirtschaftliche Leistung das nicht mehr hergebe, wird deutlich: Mit wir sind gar nicht wir gemeint.

Ich frage mich wirklich, wann diese Unsitte der Kollektivierung von Verantwortungslosigkeit angefangen hat „Wir konsumieren zu viel“, heißt es, wenn es um die Müllproduktion geht, oder besser noch: „Wir produzieren zu viel Müll.“ „Wir konsumieren zu wenig“, heißt es, wenn es um Wachstum, Arbeitsplätze und Profit geht. „Wir müssen international wettbewerbsfähig werden, um unseren Wohlstand zu erhöhen.“

Mit dem Wir werden die Rollen, die die einzelnen Beteiligten im Gesamtprozess einnehmen, die Verantwortlichkeiten für die Ergebnisse nicht nur nivelliert, sie werden konsequent verschleiert und moralisch auf jene übertragen, die um ihrer Existenz Willen zum Nutzen der Wirtschaft und ihrer Profiteure gezwungen werden, den Müll zu produzieren, den sie anschließend notgedrungen unter anderem als Verpackungen kaufen und für dessen Entsorgung sie auch noch blechen müssen. „Wir arbeiten zu wenig“, erklären die selbsternannten Leistungsträger und setzen sich damit in perfider Weise mit jenen ins gleiche Boot, von deren Leistungen sie Leben und reich bis überreich geworden sind. Und damit das so bleibt, müssen am besten noch Rentner an die Arbeitsfront, Arbeitende zusätzliche Lebenszeit opfern und jene, die nicht mitmachen können, dürfen oder wollen, soll die finanzielle Lebensgrundlage entzogen werden. Und all die Wirs, die tatsächlich glauben, dieses System sei alternativlos, applaudieren.
Klar, schon bei der Bürgergeld- und auch bei der Migrationsdiskussion wird klar, dass das Wir zwei Seiten hat. Einerseits verschleiert es reale Machtverhältnisse und verschiebt Verantwortlichkeiten, andererseits dient es zur Abgrenzung gegenüber allem, was nicht dem Zweck der Profitmaximierung dient.

Doch nur zur Erinnerung: Es geht bei all den Fragen und Problemen, mit denen wir heute konfrontiert sind, in erster Linie um die Gesellschaft, von der die Wirtschaft eben nur ein Teil ist. Von Fritze darf man aufgrund seiner persönlichen Prägung natürlich erwarten, dass er die Interessen seiner finanzwirtschaftlichen Klientel vertritt. An einen Bundeskanzler stellt unsere Verfassung und demokratische, vielschichtige, pluralistische Gesellschaft allerdings andere, deutlich anspruchsvollere Anforderungen, denen ein Fritze mit seinem Lobbyistenkabinett sichtbar nicht gewachsen ist.

Argomento Autorenkosmos

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