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Patrioten, die ihre Nationen hassen

Paradoxien des Ultrarechten: Sie sehen ihre Länder als völlig verkommene Dreckslöcher ansehen. Mit “Heimatliebe” und “Nationalbesoffenheit” lässt sich das nur mehr mühsam verbinden.

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Der Text basiert auf meiner wöchentlichen Kolumne für “Zackzack”.

Unlängst stolperte ich im Internet über die Formulierung, stramme Rechtskonservative und die neuen Faschisten würden sich vor allem ekeln, „was aus dem Ausland kommt“. Und bei diesem Halbsatz in einem viel längeren Text machte es in meinem Hirn „knacks“. Kennen Sie das? Man liest dreißig Zeilen, allem, was man liest, kann man zustimmen, und dann gibt es einen Halbsatz, bei dem man hängen bleibt. Nicht, weil er falsch wäre, nicht weil er harten Widerspruch provozieren würde, sondern weil man ins Grübeln kommt, ob der überhaupt so stimmt…?

Es ist ja anders und wenn man es genauer betrachtet, ziemlich verrückt. Die radikalen Rechten ekeln sich ja nicht vor allem, was aus dem Ausland kommt, sondern in Wirklichkeit primär vor allem, was aus dem Inland kommt (!). Sie nennen sich zwar „Patrioten“, halten aber ihr jeweiliges Land für hoffnungslos verkommen, sie malen es sich als ein grauenhaftes Jammertal aus. In ihrer Propaganda sehen sie es nicht nur in einem stetigen Niedergang, sondern in einen jahrzehntelangen Niedergang. Da sie alles nur durch die Brille ihres Negativismus sehen, zeichnen sie das Land, in dem sie leben als dekadenten Sündenpfuhl, fest im Griff politisch korrekter, volksfeindlicher Eliten, überrannt von Barbaren – „Flüchtlinge“ oder „Invasoren“ genannt –, als Drecksloch, in dem Kriminalität und endemische Gewalt herrscht.

Der Hass auf die eigene Nation

Der klassische Konservatismus sah das Land, in dem er jeweils gedieh, meist als besonders bewahrenswürdig an. Was speziell am jeweiligen Land – also Inland – sei, die Institutionen, die Realität, die Traditionen, die Lebensart – betrachtete er meist als überlegen oder wenigstens als beschützenswert und funktionstüchtig. Aber das tut der radikalisierte Konservatismus nicht mehr und das tun die neuen Faschisten schon gar nicht. Gewiss, es ist keine ganz neue Tatsache: Seit der Moderne ist die politische Rechte mit dem aus ihrer Sicht kniffligen Sachverhalt konfrontiert, dass die Veränderungen durch den sozialen Wandel dazu führen können, dass es gar nichts mehr für sie zu bewahren gibt, sondern alles so verändert ist, dass sie daran nur verzweifeln. Reaktionäre wollten dann nicht bloß den Wandel aufhalten, sondern die Uhr zurückdrehen, durch eine Art konservative Konterrevolution. Oft aber sahen sie den Wandel als unumkehrbar an, was sie in Verzweiflung stürzte und in immer verrücktere Weltbilder.

Deswegen ist es höchstens halb richtig, und damit halb falsch, zu meinen, es ekele ihnen „vor allem was aus dem Ausland kommt“. Denn hauptsächlich ekelt es ihnen vor dem, was aus dem Inland kommt. Sie nennen sich zwar Patrioten, aber sie hassen ihr Land. Sie schwenken rot-weiß-rote Fahnen, das reale Österreich verabscheuen sie aber.

Die rechte Erzählung als Horrorstory

Das ist eine Eigenart aller Neu-Faschisten und Neoreaktionäre, und man muss nur ein wenig deren intellektuelle Stichwortgeber verfolgen, etwa die radikalen Ideologen von Trumps Maga-Bewegung wie Peter Thiel und seinen Kreis, die neurechten Blogger Curtis Yarvin oder Nick Land oder auch J. D. Vance, der die Präsidentschaft antreten würde, wenn Donald Trump in den nächsten Jahren verstirbt. Sie sagen alle in etwa dasselbe: Weltweit – oder zumindest in der gesamten westlichen Welt – seien alle Bürger de fakto gehirngewaschen, „bestimmte Wahrheiten werden als unbestreitbar angesehen, die gar nicht wahr sind“, so Yarvin. Und deshalb seien alle, außer die hellsichtigen Reaktionäre, in einem Spiegelkabinett von Unwahrheiten – „Un-Truths“ – gefangen. Zu diesen Unwahrheiten gehöre die Auffassung, dass alle Menschen gleich seien, Menschenrechte hätten, Solidarität gut sei und dass gesellschaftlicher Fortschritt durch gutes Regieren möglich sei usw. Diese Glaubenslehren der Liberalen würden unbeschränkt herrschen und würden von einer „Kathedrale“ aufrechterhalten (wozu Minister, Regierungen, Medien, Universitäten, Banken etc. gehören): ein „Mysterienkult der Macht“. Sein „neoreaktionärer“ Mitstreiter Nick Land hält die etablierten Systeme des Westens für Biotope, die am besten mit den Begrifflichkeiten der „allgemeinen Parasitologie“ beschreibbar sind. Mit dem Begriff „Solidarität“ werden wir überredet, Minderleister, Faulenzer, Schwarze, Einwanderer und sonstiges Gesocks durchzufüttern. Dafür wird bei Wahlen eine Mehrheit gefunden, weil die Anzahl der elitären Seher sehr klein ist, diejenigen, die sich parasitär durchfüttern lassen wollen, aber umso zahlreicher, weshalb die Trump-Ideologen allesamt der Meinung sind, „dass die Demokratie eine tödliche Bedrohung für die Freiheit darstellt und letztlich für ihre Beseitigung sorgt“ (Land). Die westlichen Nationen wurden zu einer „soft-totalitären Demokratie verwandelt“, in „weiten Teilen der westlichen Welt (sei) die Barbarei normalisiert“ worden.“ Und natürlich führt all das zum Niedergang, weil durch die Alimentierung der Faulen die Innovationskraft verloren geht.

Die Formulierungen der schrillen Denker mögen reichlich überspannt klingen, auf etwas volkstümlichere Weise dominieren sie aber vollständig das Denken aller extremer Rechter und Neofaschisten, von Victor Orban bis Peter Thiel, von Alice Weidel bis Herbert Kickl. Man muss sich deren Reden doch nur anhören. Die Botschaft ist immer: Alles furchtbar. Alles immer schlimmer. Niedergang. Untergang. Fleißige. Faule. Diktatur. Meinungsdiktat. Das ganze altbekannte Vokabular durchgeknallter Agitatoren. Völlig austauschbar: Kennst Du eine Rede, kennst Du alle.

Traumländer als halluzinierte Utopias

Es kommt aber noch eine weitere Wendung hinzu, die eigentlich völlig verrückt ist, wenn man es recht bedenkt. Während die extremen Rechten ihr jeweiliges Land, statt es zu lieben (wie der Patriotismus nahelegen sollte) in Wirklichkeit verabscheuen, bewundern sie andere Länder. Für Kickl, Weidel und Co. kommt alles Gute ja aus Russland, aus Ungarn, aus Mileis Argentinien, jetzt aus den USA Donald Trumps. Das ist ganz lustig, da ja Wladimir Putin, Victor Orban, Donald Trump daheim in ihrer Propaganda ihre jeweiligen Länder auch als Opfer der liberalistischen Lehre, als belagert vom Bösen, im Griff der – um Curtis Yarvins Vokabel zu benützen – „Kathedrale“ beschreiben, um sich als heldenhafte Widerstandskämpfer zu inszenieren. Doch für die Kickls und Weidels sind diese Länder leuchtende Beispiele. Und dabei geht es natürlich gar nicht um die Realität in diesen Ländern, um die bittere Armut Russlands, die fürchterliche Spaltung in Arm und Reich zwischen Mafia-Oligarchen und der verelendeten Bevölkerung, es geht nicht um die Realität des ökonomischen Niedergangs Ungarns. Diese Länder sind Phantasie-Nationen aus der Sicht der extremen Rechten. Hatten die früheren Rechten also eine Liebe zu ihrem Land und eine Abneigung gegenüber allem, was aus dem Ausland kommt – so hassen die heutigen Rechten ihre eigenen Nationen und haben eine Bewunderung für „AUSLANDS“, die aber keine realen Länder sind, sondern eine Utopie, halluzinierte Phantasie-AUSLANDs, weshalb ich sie hier auch mit der ungewohnten Wortneuschöpfung als AUSLANDs bezeichne. Das Gute, das gibt es für sie nur in irgendwelchen Traumländern, während sie ihre eigenen Nationen als Gewaltpfuhl im Desasterstrudel zeichnen.

Das ist das Neue, das wir erleben: Der sogenannte „Patriotismus“, er hasst seine eigene Nation und bewundert Traumländer, die er sich als Utopias des Reaktionären ausmalt, die es aber gar nicht gibt.

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